es wird zeit, dass die weg kommen!!!
BERLINER SUMPF
Des Grafen teure Helfer
Von Michael Sontheimer
In der Hauptstadt integrieren sich auch neue Kräfte schnell im traditionellen Milieu der verfilzten Vetternwirtschaft. So stützt der Finanzsenator Thilo Sarrazin den umstrittenen Chef der Berliner Verkehrsbetriebe - und bringt sich dabei selbst böse in die Bredouille.
AP Finanzsenator Thilo Sarrazin: Verheddert in Berliner Kuschelecken Der Mann, den Berlins Finanzsenatorin Christiane Krajewski ins Senatsgästehaus gebeten hatte, interessierte sich für einen der anspruchsvollsten Jobs in der maroden Hauptstadt: Für die derzeit mit knapp einer Milliarde Euro verschuldeten Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wurde ein neuer Vorstandsvorsitzender gesucht. Der Bewerber kam aus dem Metier - allerdings war er gerade aus dem Vorstand einer Tochterfirma der Deutschen Bahn AG gefeuert worden.
Irgendwie fanden der Mann vom Fach und die Senatorin wohl keine gemeinsame Ebene. Im Gegensatz zu drei weiteren von einem Headhunter präsentierten Interessenten wurde er im Oktober 2001 dem Personalausschuss des BVG-Aufsichtsrates erst gar nicht für weitere Gespräche empfohlen. Thilo Sarrazin, der Mann vom Fach, musste weitersuchen.
Vier Monate später hatte er einen Job. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), hatte einen neuen Finanzsenator gesucht und sich für den Parteigenossen Sarrazin entschieden. Ironie des Schicksals: Sarrazin wurde damit auch Aufsichtsratsvorsitzender der BVG. Als solcher musste der neue Finanzsenator einen Manager für eben jenes Amt suchen, das ihm seine Vorgängerin nicht zugetraut hatte.
Sarrazin, der mit schnellen Analysen und starken Worten zum Machtfaktor im rot-roten Senat geworden war, fackelte auch mit seiner Wahl des Vorstandsvorsitzenden für das größte deutsche Nahverkehrsunternehmen nicht lange. Im August 2002 war ein Mann mit klangvollem Namen gefunden: Andreas Graf von Arnim.
Der Senator und sein Graf liefern nun den Beweis, dass in den traditionellen Westberliner Kuschelecken die alte Mentalität auch auf neue Kräfte ansteckend wirkt: Öffentliche Unternehmen haben erst einmal einer Maximal-Versorgung des Personals zu dienen. Das Duo hat dabei eine neue Spielart ausgebaut: Der Segen trifft nicht mehr alle BVGler, die Belegschaft wird reduziert und soll auf Lohn verzichten, die Führungsebene dagegen üppig alimentiert.
Für seinen rüden Ton bekannt
Arnim, 45, der zuvor für McKinsey und Dienstleistungsfirmen gearbeitet hatte, agierte intern, als gelte es den für seinen rüden Ton bekannten Sarrazin noch zu übertreffen. Schnell waren seine Beziehungen zu den für die erfolgreiche Sanierung mitentscheidenden Gewerkschafts- und Personalvertretern im Aufsichtsrat ruiniert. Auf Betriebsversammlungen wird Arnim regelmäßig ausgebuht.
Führungskräfte wurden ausgetauscht, alte Bekannte Arnims bekamen außertariflich bezahlte Posten oder lukrative Beraterverträge. Die "erhebliche Ausweitung" dieser außertariflich bezahlten Angestellten und "deren deutlich überhöhte Gehälter", monierte der Berliner Rechnungshof im Januar, würden das Betriebsergebnis der BVG mit jährlich 2,8 Millionen Euro "unnötig belasten". Nach einer anonymen Anzeige beschäftigt sich jetzt auch die Staatsanwaltschaft mit dem Berliner Lohnparadies: Sie ermittelt gegen den Grafen wegen Untreue.
Arnim, behaupten die oppositionellen Grünen, mache "alles falsch, was man nur falsch machen kann". Sarrazin müsse deshalb, verlangt Fraktionschef Volker Ratzmann, den Vorstand unverzüglich "aus dem Verkehr ziehen". Doch den Finanzsenator fechten alle Vorwürfe nicht an.
Als müsse er seine Objektivität im Falle BVG nachweisen, ließ er beim Berliner "Tagesspiegel", nachdem sich das Blatt mit der Suche seiner Vorgängerin nach einem BVG-Vorstandsvorsitzenden beschäftigt hatte, eine zumindest grob irreführende Gegendarstellung durchdrücken. Er sei, so die Rabulistik des damals vorzeitig Gescheiterten, gar "kein Kandidat" für den Posten gewesen. Stur verteidigt er den von ihm ausgewählten Arnim, den Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft hält er für "gänzlich substanzlos".
Auch wenn im Wowereit-Senat inzwischen alle mit dem gerne erratisch agierenden Finanzexperten leben gelernt haben - so viel Positionsstärke überrascht doch. Immerhin wird gegen Sarrazin bereits im Zusammenhang mit der üppigen Subventionierung des inzwischen insolventen alternativen Vergnügungstempels "Tempodrom" wegen Untreue ermittelt - über diesen Fall stürzte vor zwei Monaten bereits Sarrazins Kollege, der Bausenator Peter Strieder.
Ein BMW für die Familie
Diese Ermittlungen hält Sarrazin für ebenso abwegig wie die Vorwürfe gegen den BVG-Vorstand. Dabei konnten auch die Rechnungsprüfer nicht nachvollziehen, warum insgesamt 76 BVG-Mitarbeiter außertariflich bezahlt werden und rund 80 einen BMW als Dienstwagen gestellt bekamen, den sie und ihre Familien auch privat nutzen können. Hinzu kommt, dass manche der acht Direktoren des in diesem Jahr mit 413 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt alimentierten Monopolunternehmens bis zu 29 Prozent mehr verdienen als der Regierende Bürgermeister. Die "taz" buchstabierte das Kürzel BVG bereits neu: "Bonzen-Versorgungs-Gesellschaft".
Besonders verwunderte die Rechnungsprüfer - und inzwischen auch die Staatsanwaltschaft - der rasante Aufstieg einer ehemaligen Musical-Schauspielerin. Im Oktober 2002 wurde sie als "Persönliche Referentin des Vorstandsvorsitzenden" für ein außertarifliches Jahresgehalt von 50.000 Euro eingestellt, schon fünf Monate später kam sie - inklusive einer für die Rechnungsprüfer nicht nachvollziehbaren "Sonderzahlung" - auf ein Jahressalär von 76.800 Euro.
Während Arnim die Prämie rechtfertigt, gilt es im Nahverkehrsunternehmen als offenes Geheimnis, dass die Referentin den Chef nicht nur auf Dienstreisen nach Athen, Budapest, London, Madrid und Zürich begleitete, sondern ihm auch über die Tagesarbeit hinaus verbunden ist. Arnim hingegen dementiert das.
Im Fall der Referentin ist die Staatsanwaltschaft am weitesten. Hier hat sie unter dem Aktenzeichen 2 Wi Js 162/04 bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In rund 40 weiteren Fällen außertariflicher Beschäftigung laufen Vorprüfungen.
Umstrittene Beraterverträge
Ins Visier der Ermittler könnten auch durch Arnim abgeschlossene Beraterverträge kommen. So erhielt Horst Föhr, ein ehemaliger Kollege Sarrazins aus der Deutschen Bahn im Dezember vergangenen Jahres einen Beratervertrag "in Fragen der personellen Restrukturierung", Sarrazin war über das beabsichtigte Engagement einen Monat vorher informiert worden. Zunächst wurde ein Tageshonorar von 2900 Euro vereinbart, das später zum Wochensalär umdefiniert wurde.
Oder Joachim Wöge, den Arnim noch aus gemeinsamen Tagen in NRW kennt. Als Geschäftsführer der für Werbung zuständigen BVG-Tochterfirma wurde ihm ein Tageshonorar von 1400 Euro zugesichert; Dienstwagen, wöchentliche Heimflüge sowie die Unterbringungskosten in Berlin gibt's zusätzlich.
Oder Detlef Untermann. Der ehemalige Sprecher des über den Berliner Bankenskandal gestürzten Filzokraten Klaus Landowsky bei der "Berlin Hyp" wurde Leiter einer neu geschaffenen Stabsabteilung Kommunikationsmanagement. Mit großzügiger Entlohnung: 95.000 Euro Jahressalär, Sonderzahlung, Dienstwagen.
Während im vergangenen Jahr mindestens 8,6 Millionen Euro für Beratungsleistungen ausgegeben wurden, predigt Arnim der bereits von rund 25.000 auf knapp 13.000 Mitarbeiter reduzierten Belegschaft, dass das Personal noch um weitere rund 30 Prozent abgebaut werden müsse. Arnim versprach zwar die Revision eines knappen Drittels der monierten Arbeitsverträge, doch der Aufsichtsratsvorsitzende Sarrazin hält die außertariflichen Luxusgehälter für "in der Summe marktgerecht". Der Rechnungshof dagegen hat den Senat aufgefordert, "die beanstandeten Vergütungen unverzüglich auf ein vertretbares Maß zurückzuführen".
Als die Hauptstadt-SPD noch den "Mentalitätswechsel" und ein Austrocknen des berüchtigten Berliner Sumpfes versprach, hatte Sarrazin die Devise ausgegeben: Aufsichtsräte, die ihrer Kontrollpflicht nicht nachkämen, seien "ebenso fehl am Platze wie die Geschäftsführer selbst".
Als der BVG-Aufsichtsrat teilweise neu besetzt wurde, bewies Sarrazin, dass er sich im Berliner Milieu bestens integriert hat: Die Rechtsanwältin Sybille Uken, die als Aufsichtsrätin zu oft und zu genau nachgefragt hatte, wurde auf Sarrazins Betreiben nicht mehr nominiert.
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