"" Sehr geehrte Kollegen,
in der letzten Ausgabe behandelten wir das Thema "Gestoppte Inflation", wie man sie etwa in der damaligen DDR oder in Westdeutschland in den Jahren vor der Währungsreform beobachten konnte. In beiden Fällen verhinderte man offiziell Inflation durch fixierte Preise, Mieten und Löhne. In beiden Fällen gab es einen gewaltigen Geldüberhang, dem eine unzureichende Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gegenüberstand. Dass trotz fehlender "offizieller Inflation" der Wert des Geldes rasch verfiel, konnte jeder merken.
Bei dem "Pendent", der "Angehaltenen Deflation" müsste der Logik nach alles gerade umgekehrt sein, d.h. es besteht kein Mangel an Gütern und Dienstleistungen sondern Überschuß. Das Geld wird nicht wertloser, wie es die offiziellen Inflationsraten von ca. 1 % suggerieren, sondern es wird wertvoller. Was das Angebot an Gütern und Dienstleistungen betrifft, so wird niemand bestreiten können, dass wir in einer Welt des Überflusses leben. Jedes Produkt kann man in unendlich vielen Variationen, Qualitäten und Preislagen erwerben. Das Verrückte, und für viele geistig nicht Nachvollziehbare, ist im übrigen die historisch belegte Erkenntnis, dass "Überfluß" ein Problem darstellen kann. So wären in Deutschland und den USA während der Deflationskrise der 30er Jahre die Menschen fast verhungert, während man gleichzeitig notgeschlachtete (unverkäufliche) Viehbestände in den Michigansee kippte resp. vergrub, oder wie in Brasilien geschehen, Lokomotiven mit unverkäuflichen Kaffebohnen beheizte. Für die Kommunisten waren dies Auswüchse des Kapitalismus, die ihn gesetzmäßig zum Untergang verdammten.
Aber wie steht es mit unserem Geld? Ist es tatsächlich wertvoller geworden? Mit Sicherheit! Wieviel mehr Wert unser Geld tatsächlich geworden ist, kann der Laie nur in wenigen offensichtlichen Fällen nachvollziehen: Bei den Flugtickets von Billigfliegern, bei der Konsumelektronik und bei den wechselnden Sonderangeboten von Gegenständen des täglichen Gebrauchs der Lebensmitteldiscounter Aldi, Lidl, Norma, Plus u.a. Bei den Lebensmitteldiscountern wird in unregelmäßigen Abständen so ziemlich alles angeboten, was ein Haushalt so braucht: vom Fotoapparat bis zum Computer, von der Uhr bis zur Matratze, Heimwerkerbedarf, Gartenutensilien, Klamotten - alles ist zwar nicht ständig, aber in unregelmäßigen Abständen, immer wieder zu haben. Die Preise dieser Angebote liegen bei gleicher Qualität meist 50 % - 75 % unter den Preisen, die man von den Fachgeschäften gewohnt ist. Mancher wird sich schon gefragt haben, wie es möglich ist, manche Produkte zu derartigen Minipreisen überhaupt herzustellen. Man kann, was diese Entwicklung angeht, mit Fug und Recht behaupten, dass der Euro in der Hand der Konsumenten (bei richtiger Wahl der Geschäfte) erheblich mehr wert geworden ist. Was die eigene Währung aber tatsächlich wert ist, zeigt der Blick über die Grenzen. Bei der damaligen DDR genügte zum "Reality Check" ein Blick in die Intershop- resp. Delikatläden, auf den Schwarzmarkt oder den Devisenkurszettel, um festzustellen, dass die Ostmark nichts wert war. Auch vor der Währungsreform half der Blick über die Grenzen zur richtigen Einschätzung der Werthaltigkeit der Reichsmark. Heute ist das nicht anders. Den richtigen "Aha-Effekt" verschafft man sich mit einem Blick ins Internet oder nach China. Wer mit seinen Euro in China auf Einkaufstour gehen würde, der würde rasch feststellen, dass die vermeintlichen Sensationspreise bei Aldi noch um ein Vielfaches zu teuer sind.
Es gibt aber noch einen anderen Gesichtspunkt, der darauf hindeutet, dass unser Geld "wertvoller" geworden ist. Wie wertvoll für einen Normalverdiener angesparte 100.000 Euro sind, läßt sich auch danach bestimmen, wie schwierig es für diesen Sparer wäre, die gleichen 100.000 Euro, wenn er sie nicht schon besäße, in der heutigen Zeit anzusparen. Wir behaupten, dass ein Normalverdiener z.B. in den 70er Jahren gute Chancen hatte, einen solchen Betrag vergleichsweise problemlos anzusparen. Heute hat der gleiche Normalverdiener keine Chance mehr, einen solchen Betrag anzuhäufen; er wird nämlich feststellen, dass er vom Staat durch Steuern und Sozialabgaben so "rasiert" wird, dass der verbliebene Rest kaum mehr ausreicht, den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Und beim Geldausgeben wird der arme Mann über die Verbrauchssteuern gleich ein zweites mal "rasiert". Noch schwieriger wird es für den "Normalverdiener", wenn er nicht einmal mehr "normal" verdienen kann, weil er z.B. seinen Arbeitsplatz verliert oder statt "Überstunden" nur noch "Minderstunden" incl. Lohnabschlag leisten darf. So wird also auf der einen Seite auf den "Teuro" geschimpft, was auf Inflation, also Geldentwertung hindeutet, auf der anderen Seite sind die bereits angesparten Euro für dessen Besitzer extrem wertvoll geworden - also Deflation.
Das Beispiel zeigt, wie schwierig die gedankliche Durchdringung des Problems Deflation/Inflation ist. Des Rätsels Lösung liegt darin, dass durch staatliche Eingriffe die um sich greifende Deflation künstlich gestoppt wurde. Sinngemäß ist es das gleiche, als würde man versuchen mit dem Finger auf dem Uhrzeiger die Zeit anzuhalten. Jeder weiß, dass man mit dieser Methode allenfalls die Uhr kaputt macht. Wie aber werden bei der "Angehaltenen Deflation" die Preise angehalten? Wenn es bei der "Gestoppten Inflation" staatlich verordnete Höchstpreise gibt, dann müßte es beim "Pendent", der "Angehaltenen Deflation" staatlich verordnete Mindestpreise geben.
In einer freien Marktwirtschaft gibt es diese "Holzhammermethode" natürlich nicht. Zwar gibt es das Verbot von "Dumpingpreisen", das besagt aber nur, dass ein Hersteller seine Produkte nicht dauerhaft unter Herstellungspreis verkaufen darf. Und genau an diesem Punkt setzt das staatliche "Anhalten" der Deflation an: Der Staat tut nämlich mit seiner Steuerpolitik und seiner Regulierungswut alles, damit kein Unternehmer, der im Inland produziert, einen bestimmten Mindestpreis unterschreiten kann. Und dies wirkt sich dann genau in den Bereichen aus, in denen "Otto Normalverbraucher" den größten Teil seines Einkommens "verbrät": Wohnen, Auto, Benzin und Urlaub. So wäre z.B. ohne Mehrwertsteuer, die es vor ein paar Jahrzehnten noch gar nicht gab, alles schon mal 16 % billiger. Benzin, und dafür gibt der Normalverbraucher ein Vermögen aus, wäre sogar rd. 80 % billiger. Wohnen ist in Deutschland deshalb so teuer, weil durch wahnwitzige Bauvorschriften das Bauen "künstlich" verteuert wird; ähnliches gilt für die Entwicklung und die Abgabe staatlicher oder kommunaler Grundstücke: Es wird wenig entwickelt und das Angebot knapp gehalten, damit überhöhte Preise verlangt werden können. Garniert wird das ganze mit Steuern (Grunderwerbssteuer, Grundsteuer) plus wahnwitzige "Gebühren" (die Bürokratie muß ja finanziert werden). Und um die Kosten für Bauherrn und Mieter noch weiter in die Höhe zu treiben, werden mit überhöhten Preisen für Wasser- und Müllversorgung die kommunalen Haushalte subventioniert.
Der Staat bedient sich weiter schamlos über die Besteuerung von Strom und Heizöl. Bauunternehmen müssen Mitarbeiter beschäftigen, und über diese Schiene gibt es einen weiteren Hebel, das Preisniveau "künstlich" hochzuhalten: Stichworte sind Kündigungsschutz, Flächentarifverträge, Lohnnebenkosten. Beim Faktor Wohnen funktioniert das "Anhalten" von Deflation besonders effektiv: Da der Normalverbraucher statistisch rund die Hälfte seines frei verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgibt und er zudem kaum ins Ausland ausweichen kann. Wer in Deutschland arbeitet ist fast zwangsläufig den "Krallen des Staates" voll ausgeliefert. Man darf gespannt sein, wann das bewährte "Abzocksystem" mit einer Mehrwertsteuer auf Mieten gekrönt wird. Nicht viel anders ist es mit dem nächst größten Kostenblock, dem Thema Auto, Benzin und alles drumherum.
Fazit: Es gibt zwar keine staatlich diktierten Mindestpreise, "de facto" sorgt der Staat aber trotzdem für "Mindestpreise", da durch Steuern und Regulierungswut die "provozierten Mindestpreise" gar nicht zu unterbieten sind. Diese "provozierten Mindestpreise" gelten zudem nicht für kleine Teilbereiche des für Konsumzwecke vorhandenen Budjets, sondern für den Löwenanteil.
Das Problem ist nun, dass eine solche Politik auf Dauer nicht durchzuhalten ist, da Deutschland oder Europa kein abgeschlossener Wirtschaftsraum ist (Stichwort: Globalisierung, Internet) Letztlich wird der Druck auf die Preise so stark, dass Unternehmen zwangsläufig die Produktion, aber auch bestimmte Dienstleistungen ins billigere Ausland verlegen. Das wiederum sorgt für zusätzliche Arbeitslose und verstärkt den "deflationären Kontraktionsprozess". Diese Phase erleben wir jetzt schon. Prinzipiell gibt es nun 3 Möglichkeiten, das Problem anzugehen, keines führt aber zu einer vernünftigen Lösung:
# Handelsbarrieren
# Abwertung der eigenen Währung
# Steuersenkung und Deregulierung mit dem Ziel das zuvor künstlich hochgehaltene Preisniveau nach unten zu drücken, damit die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und Arbeitsplätze erhalten können.
Ein Handelskrieg und ein Abwertungswettlauf wären eine Katastrophe für alle Volkswirtschaften gleichermaßen. Die dritte Variante wird derzeit in Deutschland (im Schneckentempo) in Angriff genommen, bringt aber keine Lösung des Problems, zunächst sogar eher eine Verschlechterung, weshalb man in allen Industrieländern der Welt auf die Hilfe der Notenbanken gesetzt hat.
Bei genauer Analyse muß aber jedem klar sein, dass die Notenbanken nur "rein theoretisch" den Schlüssel zur Lösung einer "Deflation-Problematik" in den Händen halten. Die Vorstellung, man müsse nur genug Geld drucken und durch niedrige Leizinsen über den Bankenapparat genügend Geld schöpfen, damit dem Überfluß auf der Güter- und Dienstleistungsseite ein monetäres Äquivalent gegenübersteht, muß fehlschlagen. Entscheidend für die Preisbildung ist nämlich nicht die insgesamt vorhandene Geldmenge, sondern nur der Teil des Geldes aus dem sog. "produktiven Einkommenskreislauf".
Primitiv ausgedrückt: Es kommt viel mehr darauf an, wieviel Geld die Gesamtheit der Haushalte für Konsumzwecke aufbieten kann und weniger darauf, wieviel Geld im internationalen Finanzsystem umherschwirrt.
Also: Vorsicht bleibt auch weiterhin geboten, wenn es heißt: Ceterum Censeo: Aktien kaufen! Aktien kaufen! Aktien kaufen!
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Was soll man davon halten ??
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