Vom HSV-Tor nach Singapur
Von Matthias Müller-Knudsen
Hamburg - Wenn sich ein Fußball-Spieler bei den Fans unsterblich machen will, hat er verschiedene Möglichkeiten: Tore schießen wie am Fließband, kämpfen bis zum Kreislaufkollaps, grätschen bis die Grasnarbe qualmt. Einige Kicker aber bleiben noch jahrelang in aller Munde, weil ihnen einfach gar nichts gelang. Einer von ihnen ist Torwart Mladen Pralija.
Nach dem ersten Spieltag der Saison 1987/88 lotste Ernst Happel-Nachfolger Josip Skoblar seinen damals jugoslawischen Landsmann von Hajduk Split zum HSV. Pralija sollte die Lücke schließen, die Uli Stein nach seinem Rauswurf aus dem HSV-Kasten (Faustschlag im Supercup gegen Bayerns Jürgen Wegmann) hinterlassen hatte. "Er ist Jugoslawiens bester Torwart", schwärmte Ex-HSVer Ivan Buljan nach der Verpflichtung. Was folgte, war ein Debakel.
Das Debüt bei Bayern München ging mit 0:6 in die Hose, die Fans stöhnten über "den Fliegenfänger" und das Hamburger Abendblatt registrierte "das neue Torwart-Problem des HSV". Ein völlig verunsicherter Pralija griff fortan an so manchem Ball vorbei, den ein Kreisliga-Keeper mit der Mütze gefangen hätte. 14-mal hütete er das HSV-Tor, kassierte dabei stolze 30 Treffer (beim 2:8 in Gladbach wurde er beim Stand von 1:3 verletzt gegen Richard Golz ausgewechselt).
Der HSV zog die Notbremse. Skoblar (mittlerweile Talentsichter für Olympique Marseille) wurde in die Wüste geschickt, sein Nachfolger Willi Reimann verpflichtete als erste Amtshandlung "Torwart-Opa" Jupp Koitka. Die Zeit von Mladen Pralija in Hamburg war vorbei.
Rückblickend erinnert sich der jetzt 44-Jährige: "Es war eine unglückliche Zeit. Als ich nach Hamburg kam, hatte ich kaum trainiert, kannte weder das Umfeld noch die Sprache." Dass er trotzdem ein guter Keeper war, daran lässt der zweifache Vater keinen Zweifel. Bis 1993 spielte er noch bei Hajduk Split und Toronto Croatia (Kanada) und war nach eigenem Bekunden "kurz vor dem Sprung in die Nationalelf".
Stattdessen folgte der Einstieg ins Trainergeschäft. Nach sechs Jahren als Torwarttrainer bei Hajduk wagte Pralija 1999 den Schritt ins Fußball-Exotenland Singapur. Als Chefcoach der "Singapore Armed Forcers" gewann er den Singapur-Cup - eine Mischform des englischen FA- und Liga-Cups - kehrte aber schon nach einem Jahr in seine Heimat zurück: "Singapur ist doch sehr weit von Kroatien weg."
Pralija heuerte wieder bei Hajduk an, ist dort jetzt Co-Trainer vom ehemaligen Nationalspieler Zoran Vulic. Doch wie lange noch?
In Singapur ist der Posten des Nationaltrainers vakant und Pralija, dessen gute Arbeit in dem Stadtstaat nicht vergessen wurde, ein Kandidat für die Nachfolge des Dänen Jan Poulsen. "Ich habe meine Unterlagen eingereicht und meine Vorstellungen erläutert. Jetzt warte ich darauf, dass sich der Verband bei mir meldet", so Pralija, dessen Heimweh längst wieder der Abenteuerlust gewichen ist. In der nächsten Woche soll eine Entscheidung fallen.
Als Hauptverantwortlicher der A-Nationalmannschaft und der U 23-Teams wäre es seine Aufgabe, das Projekt "Goal 2010" in die Tat umzusetzen: Die Qualifikation Singapurs für die Weltmeisterschaft 2010. Ein reizvolles, wahrscheinlich aber ebenso realitätsfremdes Ziel. 2002 scheiterte Singapur in der Qualifikation für die WM in Japan und Südkorea als Gruppenletzter. Zwei Punkte wurden geholt - durch Unentschieden gegen Kuwait und Kirgisistan . . .
Vielleicht verschlägt Pralija das Reisefieber auch ganz woanders hin: "Mein Landsmann Enver Maric arbeitet als Torwarttrainer bei Hertha BSC. Und ich kann mir gut vorstellen, auch einmal in die Bundesliga zurückzukehren."
erschienen am 28. Feb 2003 in Sport
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