Beisetzung von Milosevic Eine Trauerfeier der besonderen Art
In Serbien wird heute der frühere jugoslawische Präsident Milosevic beigesetzt. Bereits früh am Morgen versammelten sich tausende Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad. Am Mittag findet die Trauerfeier im Bundesparlament statt. Sie wird von der Sozialistischen Partei organisiert.
Von Henryk Jarczyk, Bayerischer Rundfunk, zur Zeit Belgrad
Einen besseren Ort als das Bundesparlament für die Trauerfeier hätten sich die Sozialisten wahrlich nicht aussuchen können. Dort wurde das Schicksal Serbiens gleich mehrfach besiegelt. Anfang der 90er Jahre walzten dort Panzer im Auftrag von Slobodan Milosevic den ersten Aufstand gegen ihn blutig nieder und ebneten so dem Diktator den Weg für seine Kriege in der kroatischen Krajina und in Bosnien.
Vor dem Bundesparlament erlebte Milosevic im Oktober 2000 aber auch seine größte Niederlage. Rund eine Million wütender Demonstranten stürmte damals das Gebäude im Zentrum von Belgrad und schickte binnen weniger Tage den verhassten Diktator samt seiner Gefolgschaft in die politische Wüste.
Heute Mittag beginnt die Trauerfeier genau an diesem Ort, organisiert von der Sozialistischen Partei, deren Vorsitzender Milosevic bis zu seinem Tod war. Eine Trauerfeier, die Sozialisten und Radikale für ihre eigenen politischen Zwecke auszunutzen versuchen. Bereits im Vorfeld warfen sie der Regierung vor, nationale Interessen des Landes verraten zu haben und sich nunmehr schändlich zu verhalten. "Eigentlich wäre es Aufgabe des Staates gewesen, für unseren Präsidenten eine seines Amtes würdige Beerdigung zu organisieren. Milosevic hat doch seine Bürgerrechte nicht verwirkt. Er wurde nicht verurteilt. Er hätte ein Staatsbegräbnis in Belgrad verdient", meint ein Anhänger von Milosevic.
"13 Jahre unter Milosevic gelitten"Dieser Argumentation können die Milosevic-Gegner - und sie repräsentieren die Mehrheit der Bevölkerung - ganz und gar nicht nachvollziehen. Ein junger Mann erzählt: "Als ich zehn Jahre alt war, hat Milosevic den größten Krieg nach 1945 in Europa angezettelt. Als ich zwölf war, hatten wir dank Milosevic buchstäblich nichts zu essen. Als ich schließlich 18 wurde, hat Milosevic einen Krieg mit der gesamten zivilisierten Welt entfacht. Heute bin 25 Jahre alt, 13 davon habe ich unter Milosevic gelitten. Er war mehr als 50 Prozent meines Lebens an der Macht."
Der junge Mann steht nicht allein da. Nur wenige profitierten vom System des ehemaligen Diktators. Viele von ihnen sind untergetaucht oder haben sich ins Ausland abgesetzt. Ähnlich wie seine Witwe und sein Sohn, die seit mittlerweile drei Jahren als politische Flüchtlinge in Russland leben.
Jene, die heute um den ehemaligen Präsidenten in Serbien trauern, sind vor allem ältere Menschen, die sich von der perfekt funktionierenden Milosevic-Propaganda blenden ließen. Wie viele von ihnen nun dem Aufruf der Sozialisten folgen und der Kundgebung vor dem Bundesparlament in Belgrad beiwohnen werden, lässt sich schwer vorhersagen. Die Organisatoren sprechen von einer halben Million Sympathisanten.
Beisetzung im HeimatortFreilich eine sehr gewagte Schätzung, die Milosevic-Gegnern wie ein Albtraum vorkommt. Sie halten sich mit eigenen Prognosen zurück. Überhaupt versuchen die einst oppositionellen und heute an der Macht vertretenen Parteien die ganze Sache herunter zu spielen.
Und sie tun gut daran, schließlich soll an diesem Wochenende jede Eskalation der ohnehin politisch angespannten Lage vermieden werden. Und zwar nicht nur in der Hauptstadt sondern auch in Milosevics Geburtsort Pozarevac, wo der Ex-Diktator unter einer Linde im Garten seiner Familienvilla am Nachmittag beerdigt wird. Eine Beisetzung völlig ohne Staatsehren, an der - wie es heißt aus Sicherheitsgründen - weder die Witwe noch die Kinder von Milosevic teilnehmen werden. Dafür aber rund 50 Delegationen aus dem Ausland. Erwartet werden auch Abgeordnete der russischen Duma mit dem Kommunisten Führer Sjuganov an der Spitze.
[Bildunterschrift: Trauer um Milosevic in Belgrad: Anhänger stehen Schlange, um sich von Milosevic zu verabschieden
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