Köstlich, amüsanter Artikel über Dummheit *lol*
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neuester Beitrag: 19.03.12 09:17
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eröffnet am: | 28.11.06 17:29 von: | cziffra | Anzahl Beiträge: | 29 |
neuester Beitrag: | 19.03.12 09:17 von: | snappline | Leser gesamt: | 4350 |
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Dummheit hat mich oft in meinem Leben beschäftigt. Besonders bei meinem langen Aufenthalt in meiner Jugend in Wien, später dann in vielen Reisen in die USA und jetzt im Alter in meinem Wohnsitz hier in Tübingen wurde ich oft mit ihr, wenn auch in verschiedenen Dimensionen, konfrontiert.
In meiner Jugend war die Hauptmotivation, nicht zu den Dummen zu gehören. Oft habe ich seinerzeit Intelligenztests gemacht, mich so richtig auf diesem Gebiet weitergebildet, trainiert um zu den Intelligentesten zu gehören. Irgendwann habe ich dann den Aufnahmetest zu einem Klub hochintelligenter Menschen bestanden und bin auch zu Schnupperabenden dorthin gegangen.
Meine Enttäuschung war riesengroß. Vorgefunden hatte ich dort zwar sicherlich nach der Definition 'hochintelligente' Menschen, die mir aber ziemlich dumm erschienen. Mit einem Wort hatte ich die verkehrten Menschen gesucht und diese leider auch gefunden.
Intelligenz hat offenbar nichts oder nur wenig mit Bildung zu tun, denn das war es, was ich wirklich suchte. Mir wurde in Wien auch zum ersten Mal klar, dass es einen großen Unterschied zwischen Intelligenz und Klugheit gibt. Die Wiener haben in einem jahrhundertlangen Anpassungsprozess an ihre komplexe Umwelt gelernt sich häufig unehrlich zu verhalten, z.B. nie offen zu sagen, was sie wirklich denken. Denn es ist sicher oft gefährlich dies zu tun. Also verhalten sie sich klug mit ihrer Unehrlichkeit.
Wiener Kinderlied
Wir sind vom Idiotenklub und laden alle ein,
Bei uns ist jeder gern gesehen, nur deppert muss er sein.
Wir leben unser Motto: DUMM BIS IN DEN TOD!
Und wer der größte Trottel ist, wird Oberidiot.
Den Wienern war dies selbst gar nicht klar und mir wurde es erst richtig bewusst, wie ich in eine brutal ehrliche Umgebung des Schwabenlandes kam. Auf der einen Seite habe ich richtig aufgeatmet, dass ich mich auf Aussagen verlassen konnte, aber auf der anderen Seite natürlich auch die verletzende Seite der Ehrlichkeit oft erfahren müssen. Aber insgesamt hat mir doch die ehrliche Grundmotivation gut gefallen, sie hat meiner ländlichen Herkunft aus Oberösterreich besser entsprochen.
Als Zwischenbemerkung muss ich hier einschieben, dass ich eine Computerfirma 20 Jahre als meinen Arbeitgeber hatte. Die besondere Mischung von hochintelligenten Menschen, die auch beruflich sehr erfolgreich waren und sich auch im komplexen, realen Leben sehr bewährt haben, war wunderbar. In dieser Umgebung konnte man sich - zumindest meistens - auf Aussagen verlassen.
Aber zwei Probleme waren häufig zu beobachten, erstens die Menschen, die nicht mit ihrer Macht umgehen konnten und stellenweise ihre Intelligenz zu sehr mit Bosheit, gelegentlich sogar fast mit krimineller Energie, gepaart hatten und dann die vielen leptosomen Typen, die bei ihrem angestrebten Perfektionismus stark selbstmordgefährdet waren. Aber Dummheit war, zumindest in meinen Umgebungen, tatsächlich kein großes Thema.
"Das Problem in unserer Gesellschaft ist die Dummheit. Ich sage nicht, daß man Dummheit generell bestrafen soll, aber warum beseitigen wir nicht einfach alle Warnhinweise und das Problem löst sich von selbst?"
Ganz anders dann die Aufenthalte in den USA. Hier war die Konfrontation mit der Dummheit alltäglich. Erstens das Fehlen von (Schul-) Bildung, der hohe Anteil von Analphabetismus (30%) ist überall zu spüren. Selbst Akademiker waren davor nicht gefeit, sie konnten zwar lesen und schreiben, aber nur mühsam und mit vielen Fehlern. Und für mich triviale Rechenaufgaben, wie der Dreisatz, waren auch ihnen nicht immer geläufig.
Falls es noch mehr Beweise braucht, dass die menschliche Rasse durch Dummheit zum Scheitern verurteilt ist - hier einige echte Packungsaufschriften von verschiedenen Konsumartikeln:
1. Auf einem Fön von Sears: "Nicht während des Schlafes benutzen".
[Mist, das ist die einzige Gelegenheit, wo ich Zeit hätte, mir die Haare zu machen]
2. Auf einer Tüte Fritos (Chips): "Sie könnten schon gewonnen haben! Kein Kauf nötig! Details innenliegend".
[Anscheinend das Spezialangebot für Ladendiebe]
3. Auf einem Stück Seife der Firma Dial:
"Anleitung: Wie normale Seife benutzen."
[Und wie geht das...?]
4. Auf Tiefkühlkost von Swansons:
"Serviervorschlag: Auftauen."
[Aber das ist "nur" ein Vorschlag]
5. Auf Tiramisu von Tesco's (auf die Unterseite aufgedruckt):
"Nicht umdrehen".
[Hoppla, schon zu spät!]
6. Auf einem Bread-Pudding von Marks & Spencer:
"Das Produkt ist nach dem Kochen heiß".
[Ist nicht wahr??!! Echt?!]
7. Auf der Verpackung eines Rowenta-Bügeleisens:
"Die Kleidung nicht während des Tragens bügeln".
[Aber das hätte doch noch mehr Zeit gespart?]
8. Auf Boot's Hustenmedizin für Kinder:
"Nach der Einnahme dieser Medizin nicht autofahren oder Maschinen
bedienen".
[Wir könnten viel für die Vermeidung von Arbeitsunfällen tun, wenn wir nur diese erkälteten 5-jährigen Kinder von den Gabelstaplern weg brächten).
9. Auf Nytol Schlafmittel:
"Achtung: Kann Müdigkeit verursachen"
[nichts anderes haben wir gehofft]
10. Auf den meisten Weihnachtslichterketten:
"Für innen und aussen".
[und wo nicht?]
11. Auf einer japanischen Küchenmaschine:
"Nicht für die anderen Benutzungen zu benutzen".
[Zugegebenermaßen, jetzt sind wir neugierig].
12. Auf Nüssen von Sainsbury's:
"Achtung: enthält Nüsse".
[BLITZNACHRICHT!!!]]
13. Auf einer Packung Nüsse von American Airlines:
"Anleitung: Packung öffnen, Nüsse essen."
[Schritt 3: Mit Swissair fliegen]
14. Auf einem Superman-Kostüm für Kinder:
Das Tragen dieses Kleidungsstücks ermöglicht es nicht, zu fliegen".
[Hier ist nicht die Firma schuld, sondern die Eltern!!!]
Meine häufigen Frusterlebnisse mit der amerikanischen Dummheit haben mich oft schier verzweifeln lassen und sie haben auch die Grundlage für diese Ansammlung von den folgenden Kriterien gelegt. Aber irgendwann habe ich der ganzen Sache etwas Positives abgewonnen und es mit "Amerika ist anders" erklärt.
Es war der amerikanische Pragmatismus, der mich dann oft begeistert hat. Und auch der fehlende Respekt gegenüber dem Etablierten, kurz zusammengefasst in SO WHAT (am besten mit NA UND übersetzt).
Lediglich mein Umgang mit amerikanischen Behörden (wer hat nicht das Meisterstück Bush - Gore bei der Wahl zum US - Präsidenten im Jahre 2000 noch vor Augen ) erinnert mich dann doch immer wieder daran, dass das Studium der Dummheit unbedingt die USA einschließen muss. Sie bieten ein breite Palette von bemerkenswerten Beispielen menschlicher Fehlleistungen (die vor allem durch die amerikanische Rechtssprechung und Außenpolitik so offensichtlich werden), die harmonisch neben den Höchstleistungen dieses wunderbaren Landes stehen.
In meinem Alterswohnsitz Tübingen ist es vor allem die akademische Umgebung, die bemerkenswerte Dummheit produzieren kann. Auf der einen Seite wird durch die sicheren akademischen Arbeitsplätze Lebensunfähigkeit gefördert, aber es entsteht auch große Dummheit durch zuviel Nachdenken und Abgeschiedenheit von der realen Welt. Die Menschen werden dabei u.a. weltfremd, egoistisch, penibel und streitsüchtig. Dummheit ist eben doch nicht nur Unwissenheit.
Häufige Erscheinungsformen der Dummheit
Eitelkeit
Rücksichtslosigkeit
Egoismus
Vergesslichkeit
Leichtgläubigkeit
Sturheit
Hysterie
Fanatismus
In der Politik ist es die Ideologie, die Höchstleistungen der Dummheit hervorbringt. Gerade mir, der mir umweltverträgliches Handeln ein großes persönliches Anliegen ist, tut es weh, dass vor allem die Politik der Grünen zu Beginn ihrer Regierungszeit als fast täglich neues Anschauungsbeispiel dafür gelten kann, dass Ideologie und Idiotie nahe Verwandte sind.
Für Höchstleistungen der Dummheit kann also auch Deutschland durchaus markante Beispiele vorweisen. Man denke z.B. nur an das deutsche Dosenpfand, die Misere mit dem Mautsystem (Tollcollect), die Ökosteuer, die fehlende Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen, den Transrapid und auch die Kanzlerwahl 2005 war gar nicht übel. Getoppt wird dies allerdings alles durch den Umzug der Hauptstadt nach Berlin, sowas bringen auch wir nur einmal im Jahrhundert zustande.
Dummheit
Einfalt ist stärker als Einsicht.
Hüte dich vor den Dummen, die fleißig sind. Sie machen alles zunichte.
Die Dummen haben einen engen Horizont.
Die Dummen stehen gern im Weg.
Unglück, das der Dummheit entspringt, ist ansteckender als die Pest.
Den Weg in das Glück der Dummheit ebnet dir leicht der Alkohol.
Wer die Energie der Dummheit auszunutzen weiß, wird es weit bringen!
Dumme gibt es überall.
Die gefährlichsten Dummen findest du unter den Akademikern und den Politikern.
Den Dummen erkennt man am dummen Handeln.
Der Eigensinn ist die Energie der Dummen.
Jeder Fehler erscheint unheimlich dumm, wenn andere ihn begehen.
Der Klügere gibt solange nach, bis er der Dumme ist.
Der König der Dummen hat die meisten Untertanen.
Dumm sind die, die es ganz offenbar sind und die Hälfte derer, die es nicht augenscheinlich sind.
Während die Weisen grübeln, erobern die Dummen die Festung.
Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.
Aufrichtigkeit ist nur für Dumme ungefährlich.
Dummheit frisst, Intelligenz säuft. Klugheit genießt und schweigt.
Wer nichts gelernt hat, der kann auch nichts vergessen.
Wer ist dumm?
Ein Huhn, das vor dem Auto auf der Straße herläuft, nennen wir dumm. Aber die Evolution des Huhnes hat keine Autos gekannt, wie kann das Huhn da dumm sein? Im Gegenteil, ich habe einige Jahre Hühner betreut, wenn ihre Umgebung stimmt, verhalten sie sich ausgesprochen klug. Mir wird immer in Erinnerung bleiben, wie ein Hahn den Rückzug seiner Schar in den Stall vor dem herannahenden Fuchs gesichert hat, oder wie Hennen, denen ich die Küken kurz weggenommen hatte, mich attackiert haben.
Tiere in ihrer natürlichen Umgebung sind nicht dumm. Nur wenn sie überfordert werden, reagieren sie - nach unserem Urteil - unvernünftig oder dumm. Ähnliches gilt auch für Menschen. Dumm erscheint der, der sich nicht mehr an die Anforderungen der Umgebung anpassen kann. Diese Umgebung kann viele Dimensionen haben. Wir geben dann der Fähigkeit sich darin gut zurechtzufinden, den Titel Intelligenz. So gibt es z.B. mathematische Intelligenz, sprachliche Intelligenz, soziale Intelligenz.
So ist auch - meine ganz subjektive - Definition der Dummheit: Die (teilweise) Unfähigkeit sich in der realen Welt zurechtzufinden. Das Gegenteil meines Dummheitsbegriffes ist nun nicht allein Intelligenz, Klugheit oder Weisheit, sondern ein anderer Sammelbegriff: langfristiger Erfolg.
Wer dauerhaft erfolgreich ist, kann nicht dumm sein. Um meinen LeserInnen einen eher vertrauten Begriff anzubieten, werde ich das Gegenteil von DUMM auch KLUG nennen. Mein Sohn würde in Neudeutsch einen klugen, erfolgreichen Menschen auch als 'CHECKER' bezeichnen.
Diese subjektive Definition ist selbstverständlich vom Ort abhängig, an dem man sich befindet. So kann schon allein ein Ortswechsel einen Dummen zu einem Klugen machen. Natürlich gilt dies auch umgekehrt.
Als ich von Deutschland nach den USA ausgewandert bin,
haben einige Freunde boshaft festgestellt:
Nun steigt in beiden Ländern der durchschnittliche Intelligenzquotient.
Es gibt nun nicht nur individuelle Dummheit, auch Firmen, Organisationen, ja ganze Staatsgebilde können dumm sein. Allerdings verwendet man dann andere Namen dafür, bei Organisationen z.B. "Beratungsresistenz", bei Staaten sagt man, dass sie nicht mehr "änderungsfähig" sind.
Oft hat diese Dummheit ihre Wurzel in Erfolgen der Vergangenheit. Diese Erfolge werden zu Tabus hochstilisiert und führen dann dazu, dass sie nicht einmal mehr diskutiert werden, geschweige dem in Frage gestellt werden dürfen. Gute Beispiele für diese kollektive Dummheit sind in Deutschland das Auto, in England die Royals, in den USA die Handfeuerwaffen.
Ich bin ja gespannt welche Länder zuerst Teile ihrer Dummheit abwerfen werden: Wird es zuerst in Deutschland eine Geschwindigkeitsbeschränkung von130 km/h auf Autobahnen geben oder werden die US-Amerikaner zuerst vernünftige Waffengesetze haben? Dass die königliche Familie in Großbritannien alle Stürme überstehen wird, daran habe ich sowieso keine Zweifel!
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Die Dummheit messen und einsetzen
Dummheit darf man nicht bekämpfen, denn sie ist nicht ausrottbar, Dummheit muss man ausnutzen. Auf Dummheit ist Verlass, es gibt sie überall und immer. Besonders wenn die Umwelt immer komplexer wird, steigt automatisch die Dummheit mit an. Man kann wirklich auf menschliche Dummheit bauen, laut Einstein ist sie unendlicher als das Weltall.
Aber es ist gar nicht leicht, Dummheit als solche schnell zu identifizieren. Nur auf die Dauer ist es einfach, denn dann kann man Erfolg oder Misserfolg leicht beurteilen, aber schnell und spontan es zu tun, dazu bedarf es schon großer Menschenkenntnis und Erfahrung.
Ich habe mir deshalb ein kleine Skala angelegt. Für jede Eigenschaft, die zu Dummheit führen kann, gibt es Punkte. Einige Punkte zu bekommen ist belanglos, wichtig ist die Ansammlung, die Häufung von Dummheitsfaktoren.
Ich möchte meine LeserInnen ernsthaft ermuntern, diese Liste für sich selbst zu erstellen, zu verändern oder zu ergänzen. Jeder wird eine andere Sicht einbringen und für jeden wird diese Liste auch anderen Nutzen haben. Wichtig ist nur die Methode, Dummheit als solche einzuschätzen und sie als Kapital, als Energie, als Basis für den Erfolg anzusehen. Wobei ich ausdrücklich offen lasse, ob Erfolg immer nur kommerzieller oder materieller Erfolg sein muss.
(Lediglich eine Warnung will ich dieser Stelle aussprechen: Man sollte nicht auf die Meinung von Dummen bauen. Dies wäre zu kostspielig.)
Reich werden nur die Dummen
Es ist allgemein bekannt, dass Ingenieure und Wissenschaftler nie so viel Geld verdienen wie Geschäftsleute. Dafür gibt es hier den mathematischen Beweis.
Wir wissen:
1.) Zeit = Geld
2.) Wissensstand = Leistungsvermögen (Wissen = Leistung)
Jeder Ingenieur kennt:
Arbeit / Zeit = Leistung
Da Wissen Leistung ist und Zeit Geld, ergibt sich daraus:
Arbeit / Geld = Wissen
Wir formen um und erhalten:
Arbeit / Wissen = Geld
Man erkennt nun:
Wenn das Wissen gegen Null geht, dann geht das Geld gegen unendlich, egal wie viel Arbeit man geleistet hat.
ERGEBNIS: Je mehr Wissen man hat, desto weniger Geld verdient man! ;-)
Es wird viel zuviel von der Intelligenz geredet, sie ist in der Praxis von wesentlich geringerer Bedeutung als die Dummheit. Schon allein deshalb, weil es immer wesentlich mehr Dumme als Kluge geben wird. In unserer vernetzten Welt ist die Anzahl ein wesentlicher Faktor für viele Entscheidungen.
Skala für Dummheit
(nur einige Beispiele)
Eigenschaft
Punkte
Rauchen 2
Rauchen im Auto 3
Rauchen in Anwesenheit von eigenen Kindern 5
Motorradfahren in Deutschland 1
Mountainbikefahren in der Stadt 1
Mitglied in einem Karnevals- oder Schützenverein 1
Glaubt an Astrologie 2
beschäftigt sich intensiv damit 3
Liest regelmäßig Bild-Zeitung 2
Liest ausschließlich Spiegel 1
Liest ausschließlich Focus 1
Schaut Nachrichten nur in RTL, SAT1 oder PRO7 1
Liest nur Bastei-Luebbe Arztromane 2
Redet hauptsächlich über das Wetter 1
Steht gerne im Weg 2
Ist mehrfach Opfer von Unfällen 2
Reist nach Jemen, Iran, Irak, Afghanistan, Algerien 3
Reist in Malaria-Gebiete 2
EsoterikerIn 2
Hat keine Zeit für seine Kinder 3
Wählt konsequent die Grünen 1
Wählt Linkspartei - PDS 2
Kauft ausschließlich Öko-Produkte 1
Vertraut allein auf staatliche Altersversorgung 4
Schaut beim Kauf nur auf den Preis und nicht auf Qualität 2
Hat mehr als 3 Kinder 1
Will das Beste für die Menschheit 1
Schaut bei Sport zu, anstelle selbst Sport zu machen 2
Liest regelmäßig den Sportteil der Zeitung 3
Sieht mehr als 2 Stunden täglich TV 3
Ich werde anhand einiger Beispiele erklären, wie diese Tabelle zu interpretieren ist. Zum Beispiel, das Rauchen (das mich ja immer wieder beschäftigt). Der Raucher, die Raucherin setzt zu sehr auf kurzfristigen Genuss. Sie verzichten auf ihren Lebensabend, den sie zwar finanziert haben, aber den sie nicht erleben werden. Rauchen im Auto multipliziert die Gefahr des Rauchens, Rauchen in Anwesenheit der eigenen Kinder löscht nicht nur ihr eigenes Leben sondern auch gleich das ihrer Nachkommen mit aus. Deshalb die Häufung von Punkten. Die Politik und die Wirtschaft nutzen dieses Potenzial, indem sie es als fast beliebig ergiebige Melkkuh für Steuern und Gewinn ausnutzen.
Die Dummheitspunkte für die Medien bekommt man für einseitige Informationen. So sehr z.B. die Lektüre des Spiegels das Meinungsbild bereichern kann, so wird die Fixierung auf des Spiegels Meinung zur Gefahr, weil sie die Realität nur schlecht widerspiegelt. Und niemand kann auf die Dauer erfolgreich sein, wenn er schlecht informiert ist.
Was die Lebensanschauungen (Parteien, Ökolabels, Astrologie; Religionen gehören zum Teil auch dazu, aber habe ich aus Respekt gegenüber meinen LeserInnen weggelassen) anbetrifft, so sind jene problematisch, die für die Betroffenen eher Einschränkungen ihres Handelns (fast neue Gefängnisse) schaffen, anstelle dass sie Freiheit bieten. Freiheit ist ein zu hohes Gut, um sie freiwillig zu opfern.
Die Linkspartei (PDS) - Wähler bekommen besonders viele Punkte, denn wer nach jahrzehntelangem, erfolglosen Experimentieren mit dem Kommunismus immer noch an ihm festhält, darf sich mit berechtigtem Stolz zu den Dummen zählen.
Zuviel Altruismus bekommt Dummheitspunkte, weil er mit ziemlicher Sicherheit nicht honoriert werden wird. Die Folge davon ist große Frustration, in der Gegenbewegung dann sogar ungesunder Egoismus oder Geiz im Alter.
Manche Mediensportereignisse verdienen sicher auch ihre Dummheitspunkte. Absolute Höchstleistungen menschlicher Dummheit sind für mich persönlich der Große Preis von Monaco und die Tour de France. Sicherlich sind sie logistische Meisterleistungen, aber wo ist der Sinn geblieben?
Diese Punkteliste (oder noch besser jene, die ihr euch erstellen werdet) bietet nun auch gleich einen konstruktiven Weg die Energie der Dummheit anzuzapfen und sie in eigenen persönlichen Erfolg umzusetzen. Die Kunst besteht darin der Dummheit neue Wege oder Kombinationen von bestehenden Wegen vorzugeben, bei denen Geld abfällt und die nicht illegal sind. (Der letzte Teilsatz ist wichtig, denn die Gesellschaft schützt zum Teil die Dummen durch Gesetze. Aber sie lässt immer noch genügend Freiraum für neue Wege).
Als erstes Beispiel will ich ein Astrologie Cafe anführen. In diesem könnte man wirklich alle möglichen und auch unsinnigen Methoden der Astrologie diskutieren. Der Kaffeegenuss würde auch das Rauchen fördern und auch damit den Zustrom fördern. Es würde große Gemeinsamkeit und Harmonie zwischen den Astrologen und Astrologinnen geben, man würde sicher dort dann auch Wahrsagerinnen und Hellseher anziehen. Das Ganze könnte man auch gleich mit Beratungskabinen für Hilfesuchende kombinieren. Ich bin mir sicher, dass die Gesellschaft diesen Service gut in Anspruch nehmen wird, hat es doch auch schon das Astrologie-Fernsehen akzeptiert.
Ein anderes - vielleicht etwas weniger kontroverses Beispiel - wären Mountainbiketrails in Städten. Mit wenig Aufwand könnte man - z.B. am Sonntagmorgen, wenn der Verkehr gering ist - Straßenzüge zu Rennstrecken oder Geschicklichkeitswettbewerben umgestalten. Endlich könnten alle die unterdrückten, meist jugendlichen Fahrer sich so ausleben, wie es ihnen die Gesellschaft es sonst nicht erlaubt. Gerade mein hügeliges Tübingen, mit seinen vielen Treppen und einem ruppigen Kopfsteinpflaster, sowie einer Anhäufung von aggressiven Fahrern, müsste ein idealer Platz dafür sein.
Im letzten Beispiel gehe ich auf den Wunsch vieler Menschen nach falscher Information ein. Ich wurde dazu von einem Stammtisch-Juxkandidaten von der letzten Oberbürgermeisterwahl angeregt. Er hat großen Zuspruch und Applaus mit seinen unsinnigen Statements bekommen. Wie wäre es mit einer Zeitung DIE LÜGE, in der überhaupt nichts Wahres steht, aber in der die Unwahrheit geschickt verpackt ist? Na, vielleicht versucht es jemand aus meiner Leserschaft (es gibt schon ein gutes Vorbild im Internet). Ich werde mich über ein Referenzexemplar dazu sehr freuen.
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Dummheit hat sehr viele Vorteile
Dummheit kurbelt die Wirtschaft an, meiner Einschätzung gibt es keine blühende Volkswirtschaft ohne Dummheit. Dummheit schafft Vielfalt, ohne Dummheit gibt es keinen Fortschritt, z.B. auch keine Mode.
Ohne Dummheit keine Lehrer, die unnötige Fächer lehren, keine total aufgeblähte Ausbildungsindustrie, die Arbeitslose produziert, keine Weiterbildung ohne Sinn und dafür Import von Akademikern aus Asien, keine Werbung, keine Kettenbriefe, kein SPAM, keine gemütlichen Kneipen.
Dummheit fördert Beharrlichkeit und damit viele Versuche, von denen einige doch erfolgreich sein werden.
Dummheit fördert das Selbstbewusstsein, eine wichtige Voraussetzung für viele Unternehmungen. Die Dummen sind oft die besten Kunden, sie sind eine wesentliche Stütze für viele Geschäfte.
Dies sind nur einige wenige offensichtliche Vorteile. Es gibt noch viel subtilere Annehmlichkeiten, die wir im wesentlichen der Dummheit verdanken. Dummheit tröstet, sie lässt uns mit unwahrscheinlichen Illusionen leben. Dummheit macht glücklich, sie ist oft gut für die Seele, denn sie lässt uns mit den Problemen beruhigt leben. Dummheit schafft immer wieder auch Stillstand und damit ein ruhiges Leben. Dummheit macht sesshaft und verhindert das Auswandern oder Abwandern.
Wer nicht dauerhaft die Vorteíle der Dummheit genießen kann oder will, dem empfehle ich "temporäre Dummheit". Die Wirkung des Alkohols dafür ist ja bekannt, weniger bekannt ist, dass nicht nur der Rauschnebel dumm macht, sondern auch der damit verbundene Wasserentzug (die Dehydration). Dies erklärt auch, dass "Intelligenz säuft"! Das heisst, je mehr Flüssigkeit wir trinken, um so besser können wir denken. Also muss für unsere Zwecke Wasserentzug gesucht werden. Dazu helfen Koffein (z.B. im Kaffee), Sport, Sex, vor allem auch die Sauna! Manche allerdings übersehen dabei die optimale Dosierung und aus temporärem Glück wird dann schleichend die permanente Dummheit.
Dummheit verbindet die Menschen und fördert Demonstrationen. Sie sozialisiert, sie beugt der Einsamkeit vor, einem tragischen Schicksal, das vor allem die Intelligenten trifft.
Trotzdem gibt es wenige Lobpreisungen auf die Dummheit, deshalb ist es mir ein Bedürfnis hier an dieser Stelle wenigstens den Versuch dazu zu machen. Ich freue mich, wenn ich einige begeisterte LeserInnen finden werde, die mich in meinem Kampf für eine gerechtere Einschätzung der Dummheit unterstützen werden.
Wem dies gefallen hat, der möchte vielleicht auch das Kapitel FAULHEIT lesen!
Ich freue mich auf Eure Kommentare!
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Das war schon immer so. Das weiß doch jeder.
Das sieht man doch. Vorurteile hat jeder.
Ihr Preis wird in der Wissensgesellschaft ins Unermessliche steigen.
Text: Wolf Lotter
I. Die Bauchentscheidung
Das Gehirn ist Sitz des Bewusstseins und des Denkens, was uns durch den Kopf geht, ist Sache unserer obersten Etage. Dort trudeln unaufhörlich Sinneseindrücke ein, und die Birne muss sich entscheiden, jede Sekunde x-mal, was sie davon ernst nimmt und was nicht. Unzählige Eindrücke prasseln auf das Oberstübchen ein. Natürlich ist vieles davon Spam. Der Spam-Filter ist das zentrale Nervensystem, ein knallhartes Sekretariat, dessen Mitarbeiter alles abwimmeln sollen, womit man das Gehirn beim besten Willen nicht belästigen kann – tut mir leid, das geht momentan gar nicht, gern geschehen, auf Wiedersehen.
Das ist gut so. Denn es gibt viel Spam, der sich ins Gedächtnis drängeln will, und einiges, worüber man echt nicht nachzudenken braucht, weil es sich in den meisten Fällen quasi selbst regelt. Im Körper wären das zum Beispiel Kreislauf, Atmung und Verdauung. Der von Führungskräften, und genau das ist unser Gehirn, gelegentlich geäußerte Satz „Ich kann mich doch nicht um jeden Mist selbst kümmern“ ist demnach physiologisch einwandfrei abgesichert. So weit die Theorie.
In der Praxis gerät allerdings so manches durcheinander, und vieles landet am falschen Platz. Oben und unten, zum Beispiel Denken und Stoffwechsel, können leicht verwechselt werden. Das sind die Momente, in denen der Geist, das Köpfchen, willig ein Problem aufnehmen müsste, doch das Fleisch, das schwache, kümmert sich lieber selbst darum. Dann wird nicht gedacht, es wird „gespürt“. Das muss genügen. Woran bemerkt man so etwas? An Sätzen, die wir oft hören, besonders diesen hier: „Ich weiß nicht, aber mein Bauch sagt mir, dass da etwas nicht stimmt.“
Woher weiß der Bauch das eigentlich? Der Bauch denkt nicht, das ist nicht sein Job. Er ist Sitz der Verdauungsorgane, und was bei denen hinten rauskommt, sollte was anderes sein als das, was unser Kopf produziert. Doch in einer komplexen Welt, in der so vieles an Eindrücken auf uns niederprasselt, plappert der Bauch immer öfter vor sich hin. Immer drückt ihn was, immer muss was raus.
Nehmen wir einmal Meinungsumfragen. Da antworten Bürger, aus dem Bauch heraus, und diese Ergebnisse werden dann als Grundlage für Regierungs- und Parteiprogramme, Marketingpläne und alles andere herangezogen. Manche Umfrageergebnisse lesen sich wie die Ergebnisse eines Brainstormings aus der Klapsmühle, zum Beispiel jene, die eine Umfrage der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Jahr 2002 zum Thema Hassgruppen ergab. Da mag niemand den anderen leiden. Mehrheitlich werden Ausländer, vor allem Osteuropäer, aber auch Reiche, die ihren Wohlstand zeigen, abgelehnt, und zwar deshalb, wie das Bäuchlein zu Protokoll gibt, „weil sie sich nicht anpassen können“. Das Nicht-anpassen-Können wird auch bei Arbeitslosen und Menschen ohne festen Wohnsitz zum wichtigsten Ablehnungsgrund. Der Bauch plappert vor sich hin. Da liegt was in der Luft.
II. Geizhälse des Denkens
An der International University Bremen beschäftigt sich der Psychologie-Professor Jens Förster mit nichts anderem als dem großen Bauchgrummeln, dem Vorurteil. Er bittet zunächst darum, gegenüber dem Vorurteil kein Vorurteil zu haben. Denn das wäre ziemlich dumm. „Vorurteile helfen uns zunächst, die Realität einzuschätzen – sie sind nicht einfach gut oder böse. Wir können uns nicht alles immer durch den Kopf gehen lassen – dafür haben wir schlicht zu wenig Zeit und, das ist nun mal so, auch zu wenig Verstand.“ Deshalb seien Vorurteile durchaus nützlich: „Wenn Sie etwa glauben, dass italienische Nudeln in jedem Fall die besten sind, dann werden Sie nicht eine halbe Stunde vorm Pasta-Regal im Supermarkt stehen und grübeln, Zutaten vergleichen und was weiß ich noch überlegen. Sie kaufen die Nudeln einfach.“
Genauso, sagt Förster, funktioniere das auch bei Marken, deren eigentliche Kraft darin besteht, die Komplexität der Welt zu reduzieren. „Ein erfolgreicher, also eingängiger Werbeslogan liefert immer auch ein intensives Vorurteil“, erklärt der Forscher. Wenn es um Nudeln geht oder beispielsweise um die Frage, welche Farbe Strom hat, mag das im Alltag nicht besonders wichtig sein. Nur gestandene Kulturpessimisten würden sich daran stoßen, dass die unzähligen Dinge, die uns als Marken, Produkte und Ideen begegnen, geistig nur halb einsortiert im Bauch statt im Kopf landen. Vorurteile machen das Leben eben leichter. Tatsächlich belegen neuere Untersuchungen, dass sich das Phänomen des Wegsortierens bei vielen auf immer mehr Sachverhalte und Dinge erstreckt. Mit anderen Worten: Weil alles immer komplexer wird, steigt auch die Anzahl der Vorurteile. „Menschen mit vielen Vorurteilen nennen wir kognitive Geizhälse – sie geizen mit Denken, sie sparen es sich. Was bei ihnen reinkommt, wird schnell als Vorurteil gespeichert und wegsortiert. Zweifel und Nachdenken kommen gar nicht vor“, sagt Jens Förster.
Für einen Teller Pasta kann man kaum verlangen, dass das Oberstübchen einen so komplexen Prozess wie das Denken anstößt, dessen Ziel ein Urteil ist, ein persönlich tragbares Endprodukt der geistigen Mühe. Wer sich nur die elementaren Bestandteile der Kognition, des Denkprozesses, vor Augen führt, der weiß, wie viel Arbeit dazu nötig ist: die Aufmerksamkeit etwa, die Wahrnehmung, die Erkenntnisfähigkeit und Schlussfolgerung, die Entscheidungsfindung und das Erinnern, das Merken und Lernen, das Abstraktionsvermögen, die Fähigkeit zur Rationalität und Kreativität. Kein Wunder, wenn der geistige Geizhals da auf seine Verdauung setzt.
Doch da wäre noch eine Kleinigkeit, sagt Förster, ein Dilemma nämlich: Einerseits sorgt eine komplexe Welt für immer mehr halb fertige Urteile, die mangels Nachdenken die Welt so scheinen lassen, wie sie möglicherweise nicht ist. „Auf der anderen Seite ist Wohlstand und Selbstbestimmung immer stärker an Denkarbeit, an Wissensarbeit gebunden. Damit verdient man heute und künftig seine Brötchen“, sagt er. In so einer Welt interessiert das Naheliegende, also das, was man weiß, weil es jeder weiß, immer weniger: „Das Vorhandene ist in der Wissensgesellschaft völlig uninteressant. Es geht darum, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Das Nachdenken über das Offensichtliche hinaus ist die Voraussetzung für Innovation“, so Försters Resümee. Wo immer mehr Menschen immer mehr Halbgedachtes bloß verdauen, als darüber nachzudenken, kommt wenig Neues heraus. Das muss man sich leisten können.
III. Die Automatik des Vorurteils
In guten, satten Jahren nähren sich Vorurteile besonders gut. Dann aber kommen die Veränderungen, der Kopf muss ran. Das ist nicht neu. Es wird nur leicht vergessen.
In Zeiten der Veränderung lebte vor vier Jahrhunderten der englische Philosoph und Politiker Francis Bacon. Jeder kennt dessen berühmtesten Satz: Wissen ist Macht. Das klingt heute sehr selbstverständlich und ziert praktisch jede Sonntagsrede. Doch so einfach war es nicht, auf diesen Satz zu kommen. Er ist das Ergebnis eines langen Kampfes gegen das Vorurteil. England befand sich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in einem gewaltigen Umbruch. Königin Elisabeth I hatte es in einem einmaligen Kraftakt geschafft, das Land aus inneren und äußeren Konflikten in eine halbwegs stabile Lage zu bringen. Unter ihr und ihrem Nachfolger James I machte Francis Bacon eine steile Karriere, bis zum Lordkanzler, dem höchsten politischen Amt im Königreich. Das lag auch daran, dass Bacon dem aufstrebenden Land den Schlüssel für künftige Erfolge lieferte: Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Ihre „Natur“ musste hinterfragt werden.
Was heute alltäglich klingt, das systematische Suchen von Antworten auf offene Fragen, war damals die Ausnahme. Die führenden Denker begegneten der Welt mit der Parole: Das ist so, weil es immer schon so war. Neu Entdecktes fügte man dem Vorhandenen hinzu. Wenn es sich nicht fügte, wurde es einfach so lange gedreht und gewendet, bis es irgendwie zu den Vorurteilen und Dogmen passte. Jedes Vorurteil erzeugte somit ein neues Vorurteil – ein fataler Automatismus. Bacon nannte diese Weltsicht des Vorurteils ein Trugbild, lateinisch Idola. Sie verdeckte die freie Sicht auf das Wesen, die „Natur“ der Dinge. Und diese Trugbilder waren überall. Sie entsprangen, so führte Bacon aus, sowohl dem Unbewussten wie auch den Dogmen der Kirche und des Staates, dem Aberglauben und schlichter Eitelkeit. Gegen sie, befand Bacon, konnte nur eines helfen: der beständige Vergleich mit der Natur, also der Realität. Ganz besonders musste das für all jene Dinge gelten, die man als gesichert annahm. Hinter ihnen verbarg sich meistens ein besonders widerstandsfähiges Trugbild – das aber schon durch einen Gegenbeweis zum Kippen gebracht werden konnte. Mit diesem Realitäts-Check versetzte Bacon dem satten, selbstverliebten Bauch einen schweren Schlag.
Bacons Zeitgenosse, der französische Philosoph und Mathematiker René Descartes, fügte Bacons Vorurteilverhinderungs-Formel noch einen entscheidenden Rat hinzu: Zweifle an allem. Der Schock sitzt bis heute tief. Denn wer das falsch versteht, und das sind nicht wenige, der vermutet dahinter ein ewiges Bedenkenträgertum, das niemals seinen Standpunkt findet. Doch das ist falsch. Descartes hatte, wie Bacon auch, nichts weiter begriffen, als dass die Natur der Dinge eben nicht so bleibt, wie sie ist. Wer wissen will, muss sich bewegen, bereit sein, seinen Standpunkt zu ändern. Der Kopf kennt den Unterschied und weiß ihn zu nutzen. Nur im Bauch kommt alles zusammen.
Das neue Weltbild hatte nachweisbare Erfolge aufzuweisen, und das gilt bis heute. Das Zeitalter der Erfindungen ist ohne Bacons und Descartes’ Grundzweifel nicht vorstellbar. Aber genauso verbissen wehrten und wehren sich die Vorurteile, die Trugbilder, gegen die Aufklärung. Zweifeln führt bei vielen zu unangenehmen Gefühlen. Sie glauben gern. Je mehr die Zweifler entdeckten, desto mehr Anhänger fanden sich auf der anderen Seite, die ihre Vorurteile als Denkmodelle ausgaben. Es war die Geburtsstunde der Ideologie, des Super-vorurteils.
IV. Ideologen
Es ist kein Zufall, dass der Begriff Ideologie in den späten Jahren der Französischen Revolution auftaucht und schlagartig in ganz Europa ungeheuer populär wird. Vernunft und Rationalität, Aufklärung und Zweifel am Bestehenden hatten der Revolution Pate gestanden. Exekutiert aber wurde sie mithilfe von Vorurteilen. Von der Vernunft waren nun viele enttäuscht. Immer schon hatte es Veränderungen gegeben, und immer schon waren sie von brutalen Brüchen begleitet. Doch war nun das, was zwischen 1789 und 1795 passierte, weniger brutal? So hatte man sich die Sache mit der Vernunft nicht vorgestellt.
Die Ideologie ist im Kern eine reine Sache des Bauches, aber sie tarnt sich geschickt. Im Zeitalter der Ideologien wurden mehr Kriege mit mehr Opfern geführt als je zuvor, haben sich stereotype Weisheiten gefestigt, die den dumpfen Aberglauben vorhergegangener Zeiten noch übertrumpfen. Das Vorurteil bildet den Kern, der niemals, unter keinen Umständen, bezweifelt werden darf. Darum bilden sich Schichten der Ideologie, die durchaus flexibel sind. Wenn erst mal „unumstößlich“ feststeht, dass eine Sache gut oder falsch ist, erspart das nicht nur weitere Zweifel, sondern ermöglicht auch die Nutzung eines mehr oder weniger großen Spielraums, in dem die Ideologie sich den wechselnden Zeiten anpasst. Die Ideologie baut auf Falschem und Irrationalem, aber sie kommt infamerweise als rational und logisch, als ausgedachtes, perfektes und folgerichtiges System daher. Deshalb sind Ideologien so hartnäckig und langlebig.
Ideologien sind hochgradig anpassungsfähig. Anhänger dieser „Weltordnung“ brauchen außer dem festen Glauben an einige wenige Grunddogmen, die keinesfalls hinterfragt werden dürfen, relativ wenig: Denn selbst als verblassende Minderheit befinden sich Ideologen selbstverständlich im Vollbesitz der Wahrheit, daran ist eben nicht zu zweifeln. Weil Zweifelnde und Nachdenkende in der Regel nicht die Mehrheit bilden, gewinnen Ideologien rasch Anhänger – ein Wort, das verräterisch aufrichtig ist: Wer sich an etwas anhängt, tut nichts aus eigener Kraft. Das gilt auch fürs Denken.
V. Die Blendung
Dass sich alte Vorurteile nicht überwinden lassen, zeigt sich auch in der Art und Weise, wie sich alte Ideologien mit Wirtschaft, Markt und Freiheit auseinandersetzen. Was Karl Marx und Friedrich Engels über die Realitäten des frühen Industriekapitalismus sagten, war durchaus eine tiefgreifende, realistische Analyse der Realität. Und doch schufen sie eine der bis heute einflussreichsten Ideologien der Moderne.
Die beiden verwechselten, ganz nach Art des Vorurteils, schlicht Ursache und Wirkung. Der Kapitalismus, seither wenig hinterfragtes Hassobjekt nicht allein der politischen Linken, sondern auch der rechten Ideologen, muss zwangsläufig die Folgen haben, die Marx und Engels in ihren reportagehaften Erzählungen aus dem England des 19. Jahrhunderts beschrieben. Der Kapitalismus kann gar nicht anders sein als böse, schlecht und menschenverachtend.
Wo immer im Werk der Väter des Kommunismus Einwände am Bestehenden geäußert werden, wo immer sie den Finger in die Wunde legen, an ihrem großen Vorurteil lassen sie keinen Zweifel. Und genauso halten es bis heute Millionen, die sich – bewusst oder unbewusst – als Gegner des Kapitalismus verstehen und sich nie den Zweifel oder die Frage gestatten würden, ob denn all das so sein und bleiben muss. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus, und ganz gleich, unter welchen modischen Vorzeichen – mal als Anti-Globalisierungs-Kritik, mal als fundamentalistische Sinnsuche – der Antikapitalismus seine Renaissance feiern mag, an diesem einen, aber elementaren Denkfehler baumeln endlose ideologische Trugschlüsse. Kein Fortschritt, kein Wohlstand, kein nachweislicher Erfolg des Kapitalismus und der Marktwirtschaft lässt bei solchen Menschen Zweifel an ihrem Weltbild aufkommen. Das Ding ist schlecht, von Haus aus. Wenn es mal anders erscheint, wenn der Markt unübersehbar Gutes schafft, dann ist das nur ein „Trick“. Von wem eigentlich? Der Realität? Denn genau die spricht gegen ihre Annahme.
Wie gut für sie, dass Vorurteile Welten erschaffen können. Der amerikanische Soziologe Robert Merton – der Vater des gleichnamigen Wirtschaftsnobelpreisträgers von 1997 – nannte dieses Phänomen die „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ (Self-fulfilling Prophecy). Das ist eine Erwartung, für die es in der Realität keinen Anlass gibt, die aber so stark ist, dass sie das Verhalten so beeinflusst, dass durch den festen Glauben an sie die Dinge tatsächlich einen anderen Gang nehmen. Es gibt beispielsweise viele Menschen, die sich Horoskope erstellen lassen. Was in diesen Weissagungen steht, nehmen sie so ernst, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten. Naturgemäß erfüllen sich einige der Prophezeiungen schon allein deshalb – durch aktive Mitwirkung.
Nun gibt es, wie Merton feststellte, nicht nur die sich selbst erfüllende Prophezeiung, sondern auch ihr Gegenstück, die Selfdestroying Prophecy. Sie baut darauf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Man glaubt einfach daran, dass etwas von Grund auf böse ist – und tut alles, um sich nicht selbst zu enttäuschen. Wobei wir wieder bei der Marktwirtschaft wären. Wer tief in seinem Inneren davon überzeugt ist, dass die Marktwirtschaft nur Elend über die Menschheit bringt, wird all seine Wahrnehmungen danach ausrichten. Durch den Filter kommt nur durch, was dem Bild entspricht. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung liegt dann im Handeln: Weil „man weiß“, dass der Kapitalismus übel ist, werden nur die Optionen ausgewählt, die die Entwicklung eines freien Marktes in Schach halten. Auflagen, Gesetze und Regeln werden in einer wahren Flut präventiv entwickelt und eingesetzt.
Ein klassischer Fall ist der über Jahre hindurch heftig diskutierte Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer. Wer über 50 ist, kann kaum noch gekündigt werden, weil Gesetze das verhindern. Die Folge ist, dass Unternehmen über 50-Jährige nicht mehr einstellen. Das wiederum bestätigt die Vorurteile jener, die als treibende Kräfte hinter solchen, sich selbst erfüllenden Prophezeiungs-Gesetzen stecken: dass Unternehmer unsozial handeln. Der Bauch ist damit zufrieden. Er hat es immer schon gewusst. Antikapitalismus gehört zu den großen Irrationalitäten unserer Zeit. Wer dem Vorurteil folgt, dass die Kräfte des Marktes in einem unausweichlichen, schicksalhaften Automatismus in den Untergang führen müssen, überlässt seinem Bauch das Regiment und lebt in der Zeit vor der Aufklärung. Bediene dich deines eigenen Verstandes – diese Überschrift über dem Projekt der Aufklärung bedeutet eben auch: Nutze die Möglichkeiten. So hält die verbreitete Ideologie des Antikapitalismus viele davon ab, sich mit dem Markt auseinanderzusetzen und ihn zum Besseren zu gestalten. Dabei ließe sich daraus viel Nutzen ziehen und die Freiheit des Einzelnen erhöhen, denn der Preis des Vorurteils ist hoch.
Gewiss: Ob man das merkt, hängt, wie bei jedem Vorurteil, auch davon ab, was die anderen so machen. Davon hängt im Übrigen auch der Preis ab, den man für seine Vorurteile zahlt. Solange sich die Welt in ideologische Lager teilte, bis 1989 in der Zeit des Kalten Krieges etwa, dachte die Mehrheit mit dem Bauch. Doch die Globalisierung und die mit ihr zutage tretende Vielfalt macht der satten Gemütlichkeit einen Strich durch die Rechnung. Die Marktwirtschaft sorgt in Asien für einen Wohlstands-Boom ohne historisches Beispiel, und die, die daran teilhaben, haben ideologische Vorurteile längst über Bord geworfen. Immer mehr Menschen nähern sich dem Neuen kritisch, zweifelnd, aber eben nicht ablehnend. Also ganz so, wie es sein soll. Zweifeln heißt denken, und denken heißt prüfen. Das klärt, seit Bacon und Descartes sollte das eigentlich bekannt sein, die Sicht auf die Realität.
Doch die Vorurteile und die aus ihnen gebackenen Ideologien wehren sich hartnäckig gegen Erkenntnisse. Vorurteil und Ideologie ähneln dabei einem Virus, das sich wechselnden Bedingungen perfekt anpasst, um sein zerstörerisches Werk fortsetzen zu können. Deshalb nennen Menschen, die der Aufklärung verbunden sind, andere Menschen, die wissen, was immer schon richtig war und bleibt, also Ideologen, umgangssprachlich auch so: Verblendete.
Das wiederum sagt man nicht nur so. Es ist auch so. Denn das Vorurteil sieht schlecht. Das fiel bereits zu Beginn der 1920er Jahre dem Vater der Vorurteilsforschung, dem amerikanischen Psychologen Edward Thorndike, auf. Nehmen wir zum Beispiel Medikamente, also Stoffe, die zur Heilung oder Linderung von Krankheiten geschaffen sind. Praktisch jedes Arzneimittel hat Nebenwirkungen, und es kommt nun darauf an, ob sich bei einem Menschen dieser Aspekt als Vorurteil gegenüber allen Arzneien festgesetzt hat. Praktizierende Ärzte kennen dieses Phänomen gut. Es gibt viele Patienten, die die im Beipackzettel angeführten Nebenwirkungen eines Medikamentes, das ihnen verschrieben wurde, im Schlaf aufsagen können. Von der – meist ebenfalls ausführlich dargelegten – Wirkungsweise der Pillen hingegen wollen sie nichts wissen. Es interessiert sie einfach nicht. Weit wichtiger ist ihnen, was sie erleiden könnten. Oder wie wär’s mit Blondinen und Dicken? Blondinen, so sagt man, seien etwas geistesschwächer als der Durchschnitt, und Dicke, das weiß man doch, sind gemütlich, aber träge – also relativ unproduktiv. Weder die Blonden noch die Breiten lassen sich, falls man das Vorurteil mit der Wirklichkeit konfrontiert, in irgendeiner Weise in eines dieser Klischees pressen. Eine Eigenschaft überstrahlt alle anderen.
Thorndike nannte dieses Phänomen – eine Eigenschaft überstrahlt alle anderen – den Halo-Effekt, nach dem griechischen Halo, Lichthof. Der Halo-Effekt ist heute allgegenwärtig. Statt ein neues Verfahren, eine Idee, fremde Kulturen oder Menschen nach ihren je unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zu unterscheiden, genügt uns ein Detail, das hell und grell strahlt. Im Populismus, der Leitkultur der Moderne, waren diese Lichthöfe immer schon ein magischer Anziehungspunkt. Die Sprache ist dabei eine ehrliche Haut. Sie verweist auf diesen Blendeffekt so gut es geht: Stars sind Menschen, deren Eigenschaften und Charakter in einem winzigen, grellen Licht konzentriert werden. Blitzende, grelle Lichtpunkte – auf gut Englisch: Spots – machen den Großteil dessen aus, was wir heute wahrnehmen, und weil all das nicht langt, nicht genug ausgedacht und reif ist, verlangt es nach immer mehr der weitgehend bedeutungslosen Blendungen. Doch zu viel helles Licht macht blind, was in diesem Fall eins ist mit: blöd.
VI. Arm und reich
Alles, auch die Dummheit, lässt sich bekanntlich leichter ertragen, wenn man nicht ganz allein ist auf der Welt. Der Bauch reibt sich gern an Bäuchen. Ideologen bestärken sich gern gegenseitig. Sie fühlen sich stets bedroht, von einer feindlichen Welt aus Heimtücke und List, den anderen, den Fremden, dem Neuen. Das führt dazu, dass sich ideologische Gemeinschaften gleich welcher Art ungleich aggressiver mit Fremden auseinandersetzen als jede andere bekannte Gemeinschaft. Nationalismus und Spießigkeit fühlen sich in dieser Welt pudelwohl. Gemütlichkeit und Ausgrenzung passen toll zueinander.
Gesehen wird das freilich anders. In der deutschen Kultur etwa ist ein Vorurteil-Atom, aus dem die antikapitalistische Ideologie gestrickt ist, tief verankert: die Redensart „arm, aber ehrlich“. Damit ist praktischerweise auch gleich gesagt, dass all jene, die nicht arm sind, naturgemäß unehrlich sind. Die Binse, dass hinter jedem großen Vermögen ein großes Verbrechen steckt, wird gern geglaubt, und zwar umso lieber, je weniger man hat. „Das Vorurteil ,arm, aber ehrlich‘ ist in Deutschland so verankert wie Grimms Märchen“, sagt Vorurteilsforscher Förster. Wäre dieses Vorurteil keines, müsste sich das irgendwo widerspiegeln, beispielsweise in Kriminalitätsstatistiken. Da müssten die Reichen überproportional oft vertreten sein, die Armen hingegen praktisch nicht. So ist es aber nicht.
Was, ruft der Bauch, das soll ein Beweis sein? Wo doch jeder weiß, dass die Reichen sich das Recht biegen, wo es nur geht? Solche gesamtkulturellen Verblendungen gehören zum festen Repertoire der Republik, genauso wie die – 16 Jahre nach der Wiedervereinigung – fest verankerten Vorurteile, die Ossis und Wessis gegeneinander hegen. Die Übersicht liefert wieder Jens Förster: „Ostdeutsche halten sich für die Emotionaleren, Wessis für die Rationaleren.“ Fundis und Realos also, ein bekannter Gegensatz.
Professor Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, hat die gegenseitigen Ressentiments zwischen Ost- und Westdeutschen, die mehr als anderthalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung stärker denn je sind, zusammengefasst: „Im Westen ist die Vorstellung verbreitet, die Bevölkerung der ehemaligen DDR kranke an selbst verschuldeter Leistungsschwäche und mangelndem Leistungswillen, fehlender Initiative, Untertanenmentalität und Undankbarkeit gegenüber westlicher Aufbauhilfe. Im Osten sind viele überzeugt davon, dass die Bewohner des Westens materiellen Wohlstand höher zu schätzen wüssten als menschliche Wärme, dass Ellbogenkraft wichtiger genommen werde als Solidarität, dass der Vereinigung ein ,Okkupationsregime‘ gefolgt sei, bei dem die arroganten Westler den Ostler ausgeplündert und regiert hätten.“ Der Höhepunkt der Umfragen, die Benz in der Schlacht der Vorurteile zwischen Ost und West zitiert, ist aber eindeutig die von Westlern mehrheitlich vertretene Auffassung zu ihren deutschen Brüdern im Osten: „Die sind nicht so fleißig wie wir Deutschen.“
All das ist skurril, aber weitverbreitet, und es stellt sich die Frage, was passiert, wenn diese Vorurteile nicht nur in Meinungsumfragen auftauchen und Stereotype verstärken, sondern einem Realitäts-Check unterzogen werden. Genau das war die Absicht der Journalisten und Autoren Angela Elis und Michael Jürgs, die Anfang 2005 ihr Buch „Typisch Ossis – typisch Wessis“ veröffentlichten. Sie fragten: „Stimmt denn das, was Ossis über Wessis sagen und umgekehrt? Gibt es dafür Belege, die über den persönlichen Eindruck hinausgehen? Wir haben im Grunde nichts anderes gemacht, als das, was am Stammtisch gesagt wird, einer Überprüfung unterzogen: Gibt es Studien, Umfragen, eindeutige Verhaltensweisen, die zeigen, dass es eben nicht nur Vorurteile sind, die Ossis und Wessis trennen?“, erzählt Michael Jürgs. Die Autoren hofften, durch Ironie und Konfrontation den Verblendeten ihre Vorurteile so zu präsentieren, dass die „darüber lachen könnten. Ironie und Selbstironie ist ein wichtiges Mittel gegen die unerwünschten Folgen von Vorurteilen“. Es kam anders. Man beschimpfte Elis und Jürgs als Brunnenvergifter. Wer schaut schon gern in den Spiegel? Was sieht man da: Der Bauch ist groß und mächtig.
VII. Das Kollektiv
Können wir uns solche Vorurteile eigentlich leisten? In Zeiten der Wissensgesellschaft nein, sagen nicht nur die Vorurteilsforscher. Wer sich der Realität beharrlich verweigert, auf Ideologie und alte Vorurteile setzt, statt sie im Hier und Jetzt – und immer wieder – zu prüfen, verliert. Nichts ist noch sicher. Bacon, wir erinnern uns, empfahl dringend, die Wirklichkeit dort zu suchen, wo man sie am wenigsten vermutet. Denn dort, wo niemand glaubt, dass Vorurteile und alte verzopfte Ideologien herrschen, führt der Bauch am ungestörtesten sein Regiment.
Wer würde zum Beispiel meinen, dass das Internet irgendwas mit Vorurteilen zu tun haben könnte? Die Zeiten, in denen verbiesterte Technologieverweigerer das weltweite Netzwerk als Teufelswerk brandmarkten, sind praktisch vorbei. Nur gelegentlich verwechseln manche Ursache und Wirkung, etwa dann, wenn von einer totalen Überwachung des Webs die Rede ist, die vermeintlich unser aller Sicherheit gegen Terror und Intoleranz gewährleisten soll. Das Internet, so haben wir gelernt, ist gegen Intoleranz und das alte Bauchgefühl weitgehend resistent. So viele tun so vieles vor den Augen aller Welt, dass Fehler und Irrtümer, Vorurteile und Ideologien nicht unwidersprochen bleiben.
Zig Millionen Online-Medien, Infoseiten und Blogs mündiger Bürger sorgen heute weltweit dafür, dass eine Vielfalt an Meinungen und Kritik wie nie zuvor publiziert wird. Das heißt immer auch: eine Menge Zweifel und eine gute Portion Nachdenken, was wiederum optimal gegen Vorurteile wirken kann. Das Web 2.0, in dem die Produzenten dieser Nachrichten gleichsam auch die Verbraucher sind, die Konsumenten anderer Informationen, die von ihresgleichen hergestellt werden, mag so wie die Einlösung eines alten Traums aller Aufgeklärten erscheinen: Kritik ist immer und überall, niemand kann sich dem entziehen. Selbst wo Minderheiten durch Mehrheiten überbrüllt werden, muss der Einzelne nicht mitmachen. Etiam si omnes – ego non, auch wenn alle es tun, ich nicht, das Prinzip der Anständigen und Widerständigen, es wird möglich. Bacon und Descartes winken uns aber nochmals zu. „Bleibt auf der Hut, zweifelt!“, würden sie sagen, vor allem dort, wo es scheinbar keine Zweifel gibt. Natürlich hilft die Vielfalt der Meinungen, starre Vorurteile und Ideologien aufzubrechen. Wenn nicht auch ein Geist beschworen würde, der dem entgegensteht.
Einer der am meisten gelesenen und prominentesten Vertreter des neuen Webs ist der amerikanische Autor Kevin Kelly. Vor vielen Jahren gründete er ein Magazin namens »Wired«, das sich tapfer gegen die Vorurteile schlug, die dem neuen Medium Internet entgegengebracht werden. Doch Kelly, der Gute, an dem niemand zweifeln konnte, hat sich längst der Ideologie verschrieben. Künftige Generationen, behauptet er, werden das, was heute passiert, mal als Anfang eines Prozesses begreifen, in dem die Menschen ihre Gehirne „in einer weltumspannenden Einheit – einer einzigen Sache – verbinden“. Daraus entstünde laut Kelly eine ungeheuer große, ungeheuer global „fühlende und denkende Einheit“, die zu einem „Neuanfang für die Menschheit führen würde“. Einst, meint Kelly, riefe man angesichts all dieser Wunder, die sich hier und heute ereignen würden: „Es wurde Licht.“
Licht. Schon wieder.
Dabei geht’s hier um Finsternis. Kelly beschwört das Kollektiv, die Gemeinschaft der Bäuche, die Anhänger, die Mitmacher, die Mitzieher, all jene also, die Vorurteile und Ideologien brauchen, um sich stärker, besser, sicherer zu fühlen. Kritik, eine der wichtigsten Waffen gegen das Vorurteil, übt jeder selbst. Niemand kann uns das Denken abnehmen. Die Vorstellung von der kollektiven fühlenden und denkenden Einheit ist nicht neu – sondern die Fortsetzung der schlimmsten Abgründe der Menschheit, ein Rückfall in die Ideologie.
Der amerikanische Computerwissenschaftler Jaron Lanier hat Kellys neue Ordnung als das entlarvt, was sie ist, ein altes Vorurteil in neuem Gewand, eine Scheinsicherheit, die in einer Welt im raschen Wandel für Ordnung sorgt – statt Freiheit: „Wenn es ein unfehlbares Grundprinzip gibt, müssen die Einzelnen keine Risiken eingehen und keine Verantwortung übernehmen. Das passt zu den enormen Unsicherheiten und der geradezu pathologischen Angst vor Verantwortung in unserer Zeit.“
Verantwortung? Damit trifft Lanier den Bauch an seiner empfindlichsten Stelle. Das ist nichts fürs Große und Ganze, nichts für Bäuche, die sich aneinander reiben wollen, um die Welt so zu lassen, wie sie sie gern hätten. Das Vorurteil ist unsere persönliche Sache, unsere Last, und nur wir selbst bekommen sie wieder aus der Welt geschafft. Denken müssen wir selbst, und zwar – auch wenn das keine gute Nachricht ist – immer wieder neu, und wo wir es unterlassen, werden wir gedacht, von alten und neuen Ideologen, die nur darauf warten, ein bisschen Ordnung reinzubringen ins Chaos des Zweifels, der Leben heißt. Vorurteile dazu gibt es genug.
Wie verliert man sie? Durch Bewegung. Das macht Bäuche kleiner. Und das, versprochen, weiß man nun wirklich. --
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