News - 13.03.08 21:13 Münte, das freundliche Phantom
Franz Müntefering ist jetzt einfacher Abgeordneter. Wenn er Strippen zieht, dann nur im Hintergrund - was so manchem in der SPD Angst macht.
Um 15.36 Uhr meldet sich Franz Müntefering. In einer von der SPD-Pressestelle verschickten E-Mail kritisiert er am Donnerstag den CSU-Politiker Michael Glos. Nanu, wie kann das sein? Seit wann spricht der im November zurückgetretene Vizekanzler wieder offiziell im Namen seiner Partei? Und dann auch noch als "Generalsekretär der SPD"? Der zweite Blick zeigt: Die Presseerklärung ist vom 18. Juli 2002 - und nur als eine Art Phantom versehentlich noch einmal verschickt worden.
Das passt zum Phänomen Müntefering. Der ehemalige Parteichef ist in diesen Tagen in seiner neuen Rolle als braver Abgeordneter zu sehen, der in der Fraktion und im Familienausschuss seine Arbeit macht. Beim Staatsakt für die frühere Parlamentspräsidentin Annemarie Renger im Bundestag sitzt er in einer der hinteren Reihen der SPD-Fraktion - weit entfernt vom Redner Gerhard Schröder, Parteichef Kurt Beck oder Kanzlerin Angela Merkel. Müntefering wahrt Distanz zum politischen Zentrum.
Trotzdem geistern seit Tagen Gerüchte über ein Comeback durch Berlin. Mal soll Müntefering an einer geheimen Absprache gegen Beck beteiligt gewesen sein. Mal heißt es, er stehe selbst wieder als Parteichef zur Verfügung.
Ziemlicher Unsinn sei das, heißt es in der SPD-Bundestagsfraktion. Müntefering hatte sich zurückgezogen, um seine krebskranke Frau in Bonn zu pflegen, und ist erst seit Januar in den Sitzungswochen jeweils für einige Tage wieder in Berlin. Parteichef und Vizekanzler war er schon, die Macht, selbst Kanzler zu werden, hätte er während Schröders Amtszeit zumindest theoretisch gehabt. Allenfalls mit dem Amt des Bundespräsidenten könnte man ihn locken, meint eine Fraktionskollegin. Aber das wird voraussichtlich im kommenden Jahr nicht frei - und wenn, dann wohl eher nicht für einen SPD-Mann.
Mit öffentlichen Äußerungen ist der 68-Jährige betont sparsam. Wenn er sich ein paar Worte entlocken lässt, trägt das zur Lösung des Rätsels Müntefering wenig bei. Er sei "im Moment in Deckung", wolle aber "irgendwie" dazu beitragen, dass die Partei die Bundestagswahl 2009 gewinne. Und die Turbulenzen in der SPD? "Politiker müssen auch mal den Mund halten können."
Selbst in der Fraktionssitzung am Dienstag sagt Müntefering nichts. Redet freundlich mit anderen Abgeordneten. Hört sich ruhig an, wie Beck ihm Abbitte leistet, weil er schon im Sommer dazu geraten hat, die Linkspartei nicht komplett auszugrenzen. Sitzt vier Stunden da, betrachtet Beck, von dem er nicht allzu viel hält, malt in sein Notizheft. Seinen Kommentar zur Lage hat er Beck schriftlich geschickt. Viele andere aus der Führung haben per Telefon und im persönlichen Gespräch Rat gesucht. Wenn er Strippen zieht, dann im Verborgenen. Das aber real und nicht als Phantom.
Von Peter Ehrlich (Berlin)
Quelle: Financial Times Deutschland
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