Strom ohne Ende: Sonnenenergie aus der Wüste
Glaubt man Experten, wäre die Lösung für die Energieprobleme der Welt so einfach. Sie bestünde aus Feldern von Parabolspiegeln, die in den unbewohnten Wüsten Afrikas Wasser zu Dampf erhitzen sollen. Von dem Dampf würden dann Turbinen angetrieben, welche wiederum Strom erzeugen. Eine Fläche von der Größe Österreichs würde reichen, um den gesamten Strombedarf der Erde abzudecken.
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Wüstenstrom aus heiterem Himmel
München - Es gibt ein Mittel gegen die Energiekrise - in rauen Mengen: Wüstensonne. Riesige Spiegelparks rund ums Mittelmeer könnten Strom auch für Europa liefern. Die Sonnenenergie könnte so das Erdöl des 21. Jahrhunderts werden. Dabei ist sie sauber, billig - und unerschöpflich. Gerhard Knies weiß, wie man die Energieprobleme der Welt lösen könnte. Sagt er. Und das Beste: Seine Lösung ist ziemlich simpel. Sie passt in ein kleines rotes Quadrat in der algerischen Sahara. Und weil Physiker Knies, 71, die Macht der Bilder kennt, zeigt er bei seinen Vorträgen immer, wie winzig dieses Quadrat auf einer Landkarte des Mittelmeerraums wirkt.
Das Viereck umfasst auf der Karte ein Gebiet so groß wie Österreich - nur dass dort die Sonne an 360 Tagen im Jahr scheint. Bisher, sagt Knies, versickere die Sonnenenergie nutzlos im Wüstensand. Dann dreht er auf: „Mit solarthermischen Kraftwerken”, sagt er, „könnte man auf dieser Fläche den gesamten Weltenergiebedarf an Strom erzeugen.” Nach dem Satz wird es meist still im Publikum. Oder laut.
Sonnenstrom aus der Wüste soll es richten - dafür trommelt Knies als eine Art Sonderbotschafter des „Club of Rome”. Riesige Solarfarmen in Nordafrika und im Nahen Osten, so der Plan, zapfen die Sonnenenergie an, wandeln sie in Strom um und jagen ihn über Hochspannungsleitungen quer durch den Mittelmeerraum. Dass das kein Kokolores ist, sondern eine realistische Vision, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in mehreren Studien gezeigt. „Wir können uns das für die Zukunft durchaus vorstellen”, sagt Institutsdirektor Hans Müller-Steinhagen.
Damit ist klar: Die Sonne hat das Zeug zum neuen Superstar unter den Energieträgern. Während die fossilen Rohstoffe Öl, Gas und Kohle knapp werden und Kernkraftwerke in Deutschland rarer, steht Sonnenenergie ewig zur Verfügung. Solarstrom ist sauber, kann fast emissionsfrei produziert werden - im gesamten Sonnengürtel rund um den Globus. Das Potenzial ist gigantisch: Alle Wüsten der Erde zusammen empfangen laut Knies eine Energie, die den Bedarf der Welt 200 Mal decken würde. Auf einen Quadratkilometer Wüste fällt pro Jahr Sonnenenergie, die 1,5 Millionen Barrel Öl entspricht - eine Viertelmilliarde Liter. Das Öl des 21. Jahrhunderts, so scheint es, kommt nicht aus der Erde - sondern aus heiterem Himmel.
Die Technik, um Sonnenenergie im großen Stil zu ernten, gibt es längst. Sie hat freilich wenig zu tun mit den Silizium-Solarzellen und Photovoltaik-Anlagen, die sich die Deutschen wie die Weltmeister auf die Dächer schrauben, um Strom und Warmwasser für den Hausgebrauch zu erzeugen. Wer mit Sonnenstrom klotzen will, braucht solarthermische Kraftwerke. Und die bauen derzeit deutsche Techniker am besten.
„Andasol I”, das größte solarthermische Kraftwerk der Welt, soll im Spätsommer nahe Granada loslegen. Geplant hat es das Erlanger Unternehmen „Solar Millennium”, das weltweit Branchenführer ist. Das Know-how der Alemanes lockt schon jetzt Besucher aus aller Welt - in Scharen. „Wir könnten unser Geld damit verdienen, unsere Anlage zu zeigen”, witzelt Oliver Vorbrugg, 44. Seit drei Jahren leitet er die „Andasol I”-Baustelle, mehr als 800 Arbeiter werkeln dort gerade.
Seine Gäste fährt Vorbrugg mit dem Jeep auf eine spektakuläre Hochebene vor der Sierra Nevada, wo einst Szenen des Westerns „Spiel mir das Lied vom Tod” gedreht wurden. Heute stehen dort auf zwei Quadratkilometern Parabolspiegel - in langen Reihen und mit einer Kollektorfläche von 510 000 Quadratmetern - das entspricht 70 Fußballfeldern. Von weitem betrachtet flimmern die Spiegel wie ein See. Aus der Nähe sehen sie aus wie Riesen-Dachrinnen: Die Spiegeltröge sind gut fünf Meter breit und ein paar hundert Meter lang.
Sie bündeln Sonnenlicht wie eine Lupe, erläutert Vorbrugg - aber nicht auf einen Brennpunkt, sondern auf eine ganze Brennlinie in der Mitte der Spiegelrinne. Genau dort verläuft ein Glasrohr von der Stärke eines Laternenpfahls: der „Receiver”. Noch sind die Receiver leer, Ende Juli werden sie Thermo-Öl einfüllen, sagt Vorbrugg. Gebündelte Sonnenstrahlen heizen die Flüssigkeit dann auf 400 Grad auf. Über einen Wärmetauscher wird Wasserdampf erzeugt. Der wiederum treibt, wie in konventionellen Kraftwerken, eine Turbine an - die Strom herstellt.
Riesige Wärmetanks mit Flüssigsalz sorgen dafür, dass die Anlage auch nachts in Betrieb bleibt, wenn keine Sonne scheint. Das ist das Besondere an „Andasol I”, das mit einer Leistung von 50 Megawatt 200 000 Menschen mit Strom versorgen soll. Der Rest sei „gut bewährte Technik”, sagt Solarpionier Knies. Schon 1984 ging das erste kommerzielle Kraftwerk dieser Art in der kalifornischen Mojave-Wüste ans Netz. Acht weitere US-Anlagen folgten, dann passierte jahrelang nichts. „Weil Öl und Gas so gnadenlos billig waren”, sagt Müller-Steinhagen. Erst 2007 wurde „Solar One” in Nevada eröffnet, neuerdings schießen Solarparks in Südspanien aus dem Boden. Denn schon in 10 bis 15 Jahren, so die Prognosen, könnte Wüstenstrom billiger sein als Strom aus anderen Quellen.
„Weltweit sind mehr als 100 Projekte im Bau oder in Planung”, sagt Martin Heming, Geschäftsführer von Schott Solar. Erst im Mai hat er eine Produktionsstätte für Solarreceiver im spanischen Aznalcóllar eröffnet. In Mitterteich/Oberpfalz hat Schott die Receiver für Andasol hergestellt - und davor die für die US-Werke. Die Solarspiegel entstanden auch alle in der Oberpfalz - bei der Firma Flabeg in Furth im Wald.
Deutsche Solarausrüster sind weltweit führend - in der Bundesrepublik ist es aber zu schattig, um solarthermische Kraftwerke aufzustellen. Der europäische Anlagenbau floriert daher in Südspanien - über 80 Projekte zählt das spanische Energieinstitut IDAE auf. Gleich neben „Andasol I” entsteht schon „Andasol II”, das 2009 ans Netz gehen soll. Und „Andasol III” soll ein Jahr später stehen.
Ausgelöst hat den Solar-Boom - neben der Explosion des Ölpreises und Schreckensnachrichten vom Klimawandel - eine neue gesetzliche Regelung, die die Spanier bei den Deutschen abgekupfert haben. Madrid hat 2003 beschlossen, Betreibern von Kraftwerken über einen bestimmten Zeitraum eine feste Vergütung für Strom zu zahlen, der ins öffentliche Netz eingespeist wird - analog zum deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2000. Seither boomt das Geschäft mit der Sonne.
Global gesehen, heißt es in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium, stehe „die breite Markteinführung erst in den nächsten Jahren bevor”. Gerade in Nordafrika und im Nahen Osten ist das Interesse riesig. In Algerien, Ägypten und am Persischen Golf entstehen bereits Kraftwerke, andere sind in Planung. Eben war bei Hans Müller-Steinhagen im Stuttgarter DLR eine Delegation aus Saudi-Arabien zu Besuch, die sich von solarthermischen Kraftwerken vor allem drei Vorteile verspricht.
Zum einen liefern die Solarparks den Sonnenstaaten nachhaltig und kostengünstig Strom für den heimischen Markt, zum anderen ein neues Exportgut: Wüstenstrom für sonnenarme Länder wie Deutschland. Drittens bieten solarthermische Kraftwerke eine Lösung für die Trinkwasser-Nöte von Trockenregionen. Denn die Abwärme, die bei der Produktion von Solarstrom entsteht, kann in großem Stil zur Meerwasserentsalzung genutzt werden. Die Sonne könnte Wüstenländern also Wohlstand bringen und sozialen Frieden - und damit Flüchtlingsströme nach Europa eindämmen.
Neuerdings zeigen auch die EU-Länder Interesse für den Strom aus der Wüste. In die „Union für das Mittelmeer”, die der französische Präsident Nicolas Sarkozy gerade vorantreibt, sollen auch Pläne für einen mediterranen Solarstromverbund eingehen. „So langsam wachen sie auf”, sagt Gerhard Knies, „sie haben lange total geschlafen.” Auch Hans Müller-Steinhagen freut sich, dass endlich Bewegung in die Sache kommt. „Die letzten 20 Jahre”, sagt er, „konnte man sich schon vorkommen wie ein einsamer Rufer in der Wüste.”
von Robert Arsenschek
Quelle: http://www.merkur-online.de/vermischtes/blickpkt/art9400,934250
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