Unwillkürliche Reaktionen, etwa auf den Anblick einer Spinne, geben Hinweise auf die politische Einstellung, berichten US-Forscher. Von Christopher Schrader
Plötzlich war da diese Spinne zwischen den anderen Bildern. Die Versuchspersonen, die in Lincoln, Nebraska, in ein Labor der örtlichen Universität gekommen waren, erschraken; manche mehr, manche weniger. Messfühler an ihrer Haut zeichneten auf, wie sich der elektrische Widerstand der Haut änderte, wenn sie die bedrohlichen Bilder sahen.
Schon an dieser unwillkürlichen Reaktion des Körpers, so fanden die Forscher später heraus, ließ sich die politische Einstellung der Probanden ablesen.
Wer von den 46 politisch Interessierten heftiger auf die Bilder ansprach, neigte dazu, die Todesstrafe, den Irakkrieg und hohe Militärausgaben zu befürworten. Eine entspanntere Reaktion ging mit dem Eintreten für schärfere Waffengesetze einher, für liberale Einwanderungsbestimmungen und großzügigere Hilfe für ärmere Staaten.
Ein ähnliches Muster zeigte sich bei einem Hörtest. Wer sich stärker erschreckte, als plötzlich lautes Rauschen aus einem Kopfhörer drang, neigte eher zu politischen Einstellungen, die vor äußeren Bedrohungen und Normabweichlern im Inneren schützen sollten (Science, Bd.321, S.1667, 2008). Wer sich stärker erschreckte und gruselte, war gegen Abtreibung, die Heirat Homosexueller und für Hausdurchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss.
"Das ist ein sehr interessantes Ergebnis", sagt Fritz Strack, Sozialpsychologe von der Universität Würzburg. Es habe schon früher Untersuchungen gegeben, die Persönlichkeitsmerkmale mit der politischen Einstellung verknüpften.
Die amerikanischen Forscher gingen nun einen Schritt weiter und verknüpften politische Meinungen mit neuronalen, unwillkürlichen Prozessen. "Das erscheint plausibel; wer auf Bedrohungen ängstlicher reagiert, sucht auch mehr Schutz."
Allerdings sei Erschrecken kein Zeichen einer generell konservativen Haltung, betonen die amerikanischen Forscher. Aus den beiden physiologischen Reaktionen könne überhaupt nicht darauf geschlossen werden, welche Finanzpolitik die Testpersonen bevorzugten.
Immerhin erkläre die Verbindung mit den unwillkürlichen und meist unveränderlichen Reaktionen, wieso kaum jemand von seiner Meinung abrücke. "Warum aber jemand glaubt, eine bestimmte Politik verspreche größere Sicherheit, lässt sich so nicht erklären", sagt Strack. "Das ist dann doch wieder eine Frage der Psychologie."
(SZ vom 19.09.2008/mcs)
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