Gestern erschien in der Welt noch ein sehr interessanter Artikel zu den Chancen und Risiken des chin. Marktes.
Nur wenn China konsumiert, kann es die Welt retten Von Martin Greive 6. April 2010, 04:00 Uhr Chinas Wirtschaft boomt - Die Industrienationen erhoffen sich dadurch Rückenwind - Doch der könnte ausbleiben Frankfurt/Main - Die dicken Smogwolken hängen schwer über Tianjin, die graue Suppe vernebelt die Sicht. Die Schadstoffe der Chemie- und Stahlkonzerne sorgen dafür, dass die Zehn-Millionen-Metropole im Nordosten Chinas auf der Liste der schmutzigsten Städte der Welt immer weit oben zu finden ist. Und so wirkt die Stadt - trotz ihrer sehenswürdigen Theater, Museen und Tempel - wenig einladend.
Deutlich verlockender ist die Metropole hingegen für Unternehmen, besonders für deutsche Firmen. Über 150 haben sich inzwischen in Tianjin und der umliegenden Region niedergelassen. Im vergangenen September eröffnete etwa die Commerzbank in Tianjin ihre dritte chinesische Filiale. Seitdem Airbus vor zwei Jahren sein A320-Endmontagewerk in der Stadt eröffnet hat, sind dem Flugzeugbauer viele deutsche Zulieferer hinterher gezogen. Die Commerzbank will vor Ort in China ihr Geschäft mit deutschen Mittelständlern ausbauen.
Auch in den vergangenen Wochen konnte Chinas Wirtschaft viele solcher Erfolge vermelden, die auch in den USA und Europa erleichtert aufgenommen wurden. Denn vom Boom in Fernost profitieren auch hiesige Exportunternehmen und US-Verbraucher. China scheint sich immer mehr zum Retter der Weltwirtschaft aufzuschwingen, während die Industriestaaten nur mühsam aus der Wirtschaftskrise herausdümpeln. "Schon heute ist China längst der Motor der Weltwirtschaft. Die Dominanz des Westens ist vorbei", sagte Jim O'Neill, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, kürzlich der "Welt am Sonntag". Doch einige Kritiker fragen sich, ob der Motor der Weltwirtschaft nicht überhitzt ist und ins Stocken geraten könnte.
China-Euphorie ist zwar nichts Neues, aber die Wirtschaftsmeldungen der vergangenen Tage haben eindrucksvoll gezeigt, wie schnell und unaufhaltsam der Vormarsch inzwischen zu sein scheint. In den ersten drei Monaten dieses Jahres könnte die chinesische Wirtschaft um zwölf Prozent gewachsen sein, meldete ein staatliches Forschungsinstitut am vergangenen Sonntag. Einen Tag später wurde die traditionsreiche schwedische Automarke Volvo endgültig vom chinesischen Autobauer Geely geschluckt. Auch die deutsche Wirtschaft profitiert vom Boom in Fernost: Die hiesigen Exporte brachen 2009 um 18 Prozent ein. Nur in ein einziges Land stiegen sie: Nach China, um satte sieben Prozent, meldete das Statistische Bundesamt.
In diesem Jahr werden die deutschen Unternehmen laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in keinem anderen Land so viel investieren wie in China. Das Riesenreich kann fast so viele Gelder aus Deutschland anziehen wie alle alten EU-Staaten zusammen. "China ist und bleibt ein Wachstumsmarkt für die deutsche Wirtschaft, dessen Bedeutung in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen wird", sagt DIHK-Asienexpertin Sabine Hepperle. BASF will zwischen 2009 und 2013 allein in Asien zwei Mrd. Euro investieren. "China wird dabei eine ganz zentrale Rolle spielen", sagte eine Sprecherin.
Trotz der glänzenden Aussichten warten allerdings auch etliche Probleme auf die Regierung, die sie lösen muss - und die auch deutschen Unternehmen Schwierigkeiten bereiten könnten. Da ist zum einen die Befürchtung, dass die chinesische Wirtschaft übertourt. Im Februar sind die Verbraucherpreise um 2,7 Prozent gestiegen. Besondere Sorgen machen sich Experten um eine Kreditblase. Die Kreditvergabe ist 2009 um rund 30 Prozent angeschwollen. Manche Ökonomen rechnen auch mit einer Immobilienblase. Die Preise in den Großstädten haben zuletzt bereits sehr deutlich angezogen.
Auch Premier Wen Jiabao macht sich Sorgen, allerdings über zu geringe Wachstumsraten. Anfang März hielt er auf dem Volkkongress eine bemerkenswert pessimistische Rede: Er sprach vom schwierigsten Jahr für die chinesische Wirtschaft. Die Geschäfte der Unternehmen hätten sich noch nicht fundamental gebessert. Viele seien noch von Konjunkturprogrammen abhängig, um sich über Wasser zu halten. Es sei auch schwierig, die Preise in Griff zu halten.
Diese Probleme könnten auch die deutschen Unternehmen vor Ort treffen. Bei BASF ist man dementsprechend zurückhaltend: "Es bleibt fraglich, ob Chinas Wachstum und Grundlagen stabil genug sind, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten", sagt eine Sprecherin. Besonders im zweiten Halbjahr werde es im Zuge auslaufender Konjunkturprogramme große wirtschaftliche Herausforderungen geben.
Die deutschen Unternehmen vor Ort kämpfen zudem nach wie vor mit den Tücken der chinesischen Wirtschaft, die trotz neuer Gesetze nicht behoben sind. "Ich will gar nicht verschweigen, dass im China-Geschäft nicht nur eitel Sonnenschein herrscht", sagt Mario Ohoven, Präsident des Mittelstandsverbandes BVMW. Besonders der Schutz geistigen Eigentums sei nach wie vor ein großes Problem, trotz der Gesetze, die internationalen Standards angepasst wurden. "Es gibt immer noch Probleme bei der Umsetzung dieser Vorschriften. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich die Lage weiter verbessern wird", sagt Anton Börner vom Außenhandelsverband BGA.
Die große Frage aber wird sein, ob dem Land auch Reformen gelingen, die die schwache Binnennachfrage stärken - und ob China damit dauerhaft die Lücke füllen kann, die die US-Verbraucher, die aufgrund ihrer Verschuldung zum Sparen verdonnert sind, hinterlassen haben. Bislang setzt China vor allem auf den Export.
Die chinesischen Importe stiegen zuletzt zwar - bereinigt um statistische Effekte - im Jahresvergleich um deutliche 20 Prozent an. Dank der anhaltenden eindrucksvollen Wachstumsraten ist die chinesische Wirtschaft inzwischen halb so groß wie die der USA. Ein starker Anstieg der Einfuhren wirkt sich deshalb immer spürbarer auf die Weltwirtschaft aus. Doch unter dem Strich stiegen die Exporte zuletzt wieder einmal deutlich stärker als die Importe.
Das muss sich auf Dauer jedoch ändern. Denn von einer starken chinesischen Exportbilanz hat die Weltwirtschaft langfristig nichts. Nur wenn die Chinesen in Zukunft endlich ordentlich konsumieren, können auch die Ökonomien der restlichen Welt auf ein konstantes Wirtschaftswachstum hoffen.
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