aus dem Handelsblatt:
Die internationale Presse macht US- und Europa-Politiker als Ursache für die Panik an den Börsen Ende vergangener Woche und die Herabstufung der USA aus. Es brauche nun mutige Entscheidungen, um eine neuerliche Rezession zu verhindern - es brenne bereits lichterloh. Die Presseschau.
Washington. „Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA ist in erster Linie eine Herabstufung der Politik der letzten Wochen und Monate“, meint der britische Economist. Die Investoren dürfte der Schritt von Standard & Poor‘s kaum überrascht haben, er sei vorhersehbar gewesen. Doch was die Ratingagentur deutlich gemacht habe, sei ihre Unzufriedenheit mit dem Schulden-Deal des US-Kongresses und des „waghalsigen Polittheaters“ im Vorfeld. „Es geht nicht darum, ob die USA in der Lage ist zu zahlen, denn das ist sie. Es geht darum, ob die Regierung zahlen will.“ Die Wirtschaft funktioniere dank eines stabilen, ausgefeilten Kreditmarktes und dank des Vertrauens. „Wenn Vertrauen verloren geht, bricht der Markt zusammen.“ Dieses Vertrauen hätten Amerikas Politiker verspielt, seine politischen Institutionen funktionierten zunehmend nicht mehr. „Es bleibt zu hoffen, dass der US-Kongress das realisiert. Investoren lernen nichts Neues aus der Herabstufung. Doch die Politiker sollten daraus lernen.“
Die Financial Times Deutschland beleuchtet die Rolle der Ratingagenturen. Amerika tue so, „als sei es eines Morgens aufgewacht und von mehr als 14.000 Milliarden Dollar Schulden überrascht worden.“ Da verwundere es nicht, dass der „amerikanische Kassenwart“ Timothy Geithner sauer auf Standard & Poor‘s sei und versuche, den Blick von der Politik auf die Ratingagentur zu lenken. Immerhin komme der Herabstufung eine „historische Dimension“ zu. Das Land, das sich bis heute anmaße, Vorbild und Maßstab für die Welt zu sein, sei von einer US-Ratingagentur „bloßgestellt und vorgeführt“ worden. „Sie hat den amerikanischen Politikern in brutaler Offenheit klar gemacht, was sie ihnen zutraut: wenig bis gar nichts.“ Doch auch Europa habe nun jedes Recht verwirkt, Washington an den Pranger zu stellen. „Europäische Spitzenpolitiker werden nicht länger die Mär von den bösen Ratingagenturen erzählen können, die Amerika verschonten und die Eurozone auf dem Kieker hätten.“
Einer Detailfrage zur Herabstufung der US-Staatsanleihen widmet sich Forbes: Es gebe zahlreiche Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder Banken, die nur AAA-bewertete Anleihen besitzen dürften. „Diese könnten gezwungen sein, ihre US-Staatsanleihen nun zu verkaufen. Droht also doch ein Erdbeben?“ Zwei Aspekte könnten zur Beruhigung beitragen. Zum einen habe nur Standard & Poor‘s die USA herabgestuft, Fitch and Moody‘s hielten ihr AAA. „S&P allein kann nichts ändern.“ Zum anderen habe die Federal Reserve erklärt, dass US-Staatsanleihen sicher seien, egal was S&P sage. „Ist also alles nur ein Sturm im Wasserglas?“ Nein - denn Anleihenhalter im Ausland müssten den Anforderungen ihrer Länder genügen, denen sei es egal, was die Fed erkläre. „Ihre Behörden bestimmen, ob die USA weiterhin ein AAA verdienen oder nicht.“
Mögliche Konsequenzen aus der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA lotet die französische L‘Expansion aus. „Theoretisch könnten die Zinsen für jene Staaten steigen, die sich bei den USA Geld leihen. Doch in der Praxis zeigt zum Beispiel Japan, dass das nicht so sein muss.“ Dennoch könnten die Zinsen um 0,5 Prozent steigen, das würde vor allem die Darlehenskosten für US-Verbraucher erhöhen. „Dies ist angesichts der schwachen Wirtschaft fatal.“ Die Weltwirtschaft könne in Mitleidenschaft gezogen werden, weil die USA der wichtigste Motor sind und der Dollar das Herzstück des globalen Finanzsystems. „Der Verlust des AAA zeigt, dass die amerikanischen Schulden nicht ohne Risiko sind. Außerdem leidet der Dollar als Leitwährung, auch wenn derzeit keine andere Währung seine Rolle übernehmen könnte.“ Und schließlich sei eine Folge, dass die USA das „AAA“ für lange Zeit nicht zurückerhalten werden. Das zeigten andere Länder und die Anstrengungen, die sie jahrlang unternehmen mussten, um diese Note wieder zugesprochen zu bekommen.
Eine neue globale Rezession droht Starökonom Nouriel Roubini appelliert in der Financial Times an die Politiker in den USA und Europa, alles gegen einen Rückfall in die Rezession zu tun, auch wenn dies nahezu eine „mission impossible“ sei. „Bis zum letzten Jahr haben sie immer wieder ein Kaninchen aus dem Hut zaubern können, Zinssätze bei Null, Quantitative Easing, Stimuluspakete, Rettungsaktionen für Banken. Alles wurde probiert, doch nun sind die Kaninchen alle.“ Die Fehlentscheidung von Standard & Poor‘s, die USA zu einer Zeit herabzustufen, in der die Märkte sich in Aufruhr befinden und die Wirtschaft schwächelt, erhöhe die Chancen, dass die Weltwirtschaft von einer zweiten Rezession erfasst werde. Was könne nun getan werden: „Die Länder, die noch Zugang zu den Märkten haben, darunter die USA und Deutschland, müssen kurzfristig stimulierend wirken und mittelfristig sparen.“ Die EZB müsse die Zinssätze auf Null bringen und Staatsanleihen der schwachen Euro-Staaten kaufen. „Und es muss endlich eine ordentliche Umschuldung geben.“
„48 Stunden Bedenkzeit“ verdanken Politiker und Investoren der Tatsache, dass die Panik an den Börsen und die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA am Freitag stattfanden - Bedenkzeit, die, so hofft der australische Business Spectator, gut genutzt wurde. Letztlich hätte es an jenem Freitag schlimmer kommen können. Immerhin seien die US-Arbeitslosenzahlen marginal positiv ausgefallen, Italien habe ein BIP-Wachstum verkündet und Spanien eine leicht positive Wirtschaftsentwicklung. „Dennoch haben die Märkte den schlimmsten Absturz seit der Stabilisierung nach der Finanzkrise erlebt. Politikern und Investoren ist klar, dass sich die Voraussetzung bis zum Beginn der Woche nicht verändert haben: die Lage ist weiterhin schwierig.“ Die Herabstufung der USA könnte zwar geringe bis keine Folgen haben, weil die Investoren das Land offenbar immer noch als sicherste Geldanlage erachten. „Doch Amerika wie Europa müssen endlich etwas tun, um das Vertrauen in ihre Fähigkeit, die Krise zu handeln, zurück zu gewinnen.“
Auch in Europa brennt es lichterloh Das österreichische Wirtschaftsblatt hofft, dass „in der europäischen Politik ein Rest von Kompetenz, ein Rest von Vernunft“ herrscht und sich diese in dem „winzigen Zeitfenster“ manifestieren, das Europa bleibe - „bevor der Europäische Rettungsfonds unter der finalen Jagd - nicht Attacke - der Märkte auf Italien implodiert.“ Denn nachdem die USA ihre AAA-Note verloren haben, werde der Druck der Märkte auf alles, was riskant erscheine, unerträglich werden, Renditen auf spanische und italienische Anleihen würden die Refinanzierungskosten nach oben katapultieren. „Bis dahin muss man sich endlich entscheiden, was man will: Einen europäischen Staat mit gemeinsamer Wirtschafts- und Finanzpolitik, für den als erster Schritt massiv Euro-Anleihen auf den Markt geworfen werden. Oder ein Weg, der die Peripherie aus der Eurozone herausschneidet und die jeweiligen abgewerteten Währungen in einen Warteraum zurückschickt.“ Welcher Weg der richtige ist, sei fraglich. Doch klar sei: „Der Punkt, auf dem wir gerade alle stehen, brennt lichterloh.“
„Wenn die Eurozone nun aus allen Rohren feuert, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, wird sie das teuer bezahlen müssen“, warnt das Wall Street Journal. Ursache sei ein „Designfehler“ bei der Konstruktion der Eurozone: „Die EZB darf Regierungen kein Geld leihen und war bisher auch zurückhaltend beim Erwerb von Staatsanleihen im Sekundärmarkt.“ Diesen Fehler hätten die Verantwortlichen zu kaschieren versucht, durch den EU-Rettungsfonds (EFSF). „Doch der ist nicht so ausgestattet, dass auch Spanien oder Italien gerettet werden könnten.“ Nach Meinung von Experten müsse er auf eine Billion oder besser 2,5 Billionen Euro aufgestockt werden. „Wenn dies nicht gelingt, ist die EZB am Zug. Sie müsste als Käufer in letzter Not auftreten und Spanien- und Italienanleihen kaufen.“ Sie werde nicht umhin kommen, Staatsbankrotte hinnehmen zu müssen, ein harter Schritt für die Institution.
Einen „Weckruf für Europa“ sieht die Business Times aus Singapur in der aktuellen Krisensituation. „2,5 Billionen US-Dollar an Werten wurden in der vergangenen Woche an den Aktienmärkten vernichtet. Die treibende Kraft war dabei weniger die USA, sondern vor allem die europäische Schuldenkrise“, urteilt das Blatt. Denn es habe sich gezeigt, dass auch Staaten wie Spanien oder Italien Bankrott gehen könnten. Die nun angekündigten Sparprogramme könnten aber kaum das Vertrauen der Marktteilnehmer zurückgewinnen. Es bedürfe eines neuen Engagements der EZB: „Sie hat sich bislang nur als Inflations-Aufsicht gesehen, doch die EZB wird nun die Rolle des Käufers in letzter Not von Staatsanleihen übernehmen und die europäischen Banken zwingen müssen, mehr Kapital aufzubauen.“ Die europäische Schuldenkrise könne unter Kontrolle gebracht werden, wenn die Verantwortlichen ihr wahres Ausmaß endlich anerkennen. „Und die EZB muss endlich aufwachen und ihr Mandat deutlich ausweiten. Wenn nicht, wird die Krise andauern.“
|