Märkte gespannt auf Greenspan-Aussagen vor US-Senat= New York, 12. Feb - Das derzeit schwache Wachstum der US-Wirtschaft verleiht der am Dienstag anstehenden Anhörung von US-Notenbankchef Alan Greenspan vor dem Bankenausschuss des Senats besonderes Gewicht. Nach Einschätzung von Analysten wird Greenspan bekräftigen, dass die größte Volkswirtschaft der Welt derzeit fast stillsteht. Durch die Prognose einer zügigen Erholung im zweiten Halbjahr könnte Greenspan den Märkten jedoch die Furcht vor einer Rezession nehmen. Investoren versprechen sich auch Hinweise auf mögliche weitere Leitzinssenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft und Greenspans Einschätzung zu den geplanten Steuersenkungen in den USA. Im Juli hatte Greenspans Halbjahresbericht noch unter entgegengesetzten Vorzeichen gestanden: als größte Sorge galt damals eine durch konjunkturelle Überhitzung ausgelöste Inflation. "Ich glaube, er wird eine große Betonung auf eine längerfristige Wende legen", sagt David Resler, Chefvolkswirt von Nomura Securities International in New York. Die grundsätzliche Ansicht der Federal Reserve (Fed) sei immer noch, dass sich die US-Konjunktur nur vorübergehend abkühlt. Greenspan dürfte es in seinem - ehemals nach "Humphrey Hawkins" benannten - Halbjahresbericht nach Ansicht der Analysten vermeiden, von "Rezession" zu sprechen - also zwei Quartale mit schrumpfendem Wirtschaftswachstum in Folge. Greenspan hatte bei seiner rede vor dem Haushaltsausschuss des Senats am 25. Januar von einer "sehr dramatischen" Abkühlung der US-Konjunktur und von einem möglichen Null-Wachstum gesprochen. Im vierten Quartal 2000 wuchs die US-Wirtschaft mit einer Jahresrate von 1,4 Prozent. Eine Reihe von Finanzhäusern an der Wall-Street prognostiziert eine Stagnation oder sogar ein negatives Wachstum für die ersten drei Monate dieses Jahres. Sollte die Konjunktur im ersten Quartal jedoch leicht zulegen, so wäre die US-Wirtschaft erstmals zehn Jahre ohne Unterbrechung gewachsen. Die Investoren warten bei der gegen 16.00 Uhr MEZ am Dienstag beginnenden Anhörung auch auf Hinweise zu möglicherweise weiteren Zinssenkungen in der Greenspan-Rede. Eine große Mehrheit der Volkswirte erwartet einer Reuters-Umfrage zufolge eine weitere Zinssenkung beim oder sogar vor dem nächsten Treffen des für Zinspolitik zuständigen geldpolitischen Ausschusses am 20. März. "Wahrscheinlich wird er viele Themen seiner Rede am 25. Januar wiederholen - dass wir uns in einer vor allem durch Lagerbestände bestimmten Korrekturphase befinden, obwohl es Risiken einer Verschlimmerung gibt", sagte John Youngdahl von Goldman Sachs in New York. Das verarbeitende Gewerbe in den USA befindet sich bereits in einer Rezession, weil viele Firmen mit Produktionskürzungen ihre Lagerbestände herunterfahren, die durch eine gesunkene Nachfrage gestiegen sind, sagte der Analyst. Die politisch brisantesten Äußerungen Greenspans werden voraussichtlich die von US-Präsident George Bush geplanten Steuersenkungen betreffen. Erst im Januar hatte der Fed-Chef gesagt, Steuersenkungen könnten der Konjunktur gut tun. Diese Aussage löste vor allem bei den Demokraten heftigen Protest aus, weil sie dem Schuldenabbau größere Prioritäten einräumen. Erst am Sonntag schrieb der ehemalige US-Finanzminister Robert Rubin in der "New York Times", durch Steuersenkungen drohten Haushaltsdefizite und höhere Zinsen, die das Geschäfts- und Verbrauchervertrauen gefährden könnten. Die Rede Greenspans wird Analysten zufolge erneut unterstreichen, wie dramatisch sich die Lage der US-Wirtschaft gewendet hat. Erst im Dezember hatten die Währungshüter eine zu starke Verlangsamung als größere Bedrohung für die US-Wirtschaft erklärt, als die Inflationsentwicklung. Daraufhin senkte die Fed im Januar in zwei Schritten den als Leitzins geltenden Zielsatz für Tagesgeld um insgesamt einen Prozentpunkt auf 5,5 Prozent. Bei seiner letzten Rede vor dem Bankenausschuss im Juli hatte Greenspan dagegen noch vor einem schnellen Anstieg der Preise durch eine Überhitzung der Wirtschaft gewarnt. Um einen Anstieg der Inflation zu verhindern, hatte die Fed die Konjunktur mit Zinserhöhungen gebremst. Viele Analysten sagen heute, dass sie die Zinsschraube dabei zu fest angezogen hat und dies nun mit schnellen und kräftigen Senkungen korrigieren muss.
|