Meiner Meinung nach eine gute Einschätzung liefert VisualPolitik oder Keupp. z.B. https://www.youtube.com/watch?v=daayIz6dLsE
Diese mögen zwar auf dem ersten Blick sehr optimistisch zu sein, doch wenn man sich deren Beiträge anschaut, so erscheint es mir nachvollziehbar und logisch.
Logisch vor allem deshalb, weil VisualPolitik sowie Keupp eine Gemeinsamkeit haben, welche sich von vielen anderen Experten unterscheidet. Beide versuchen sich von Frontlinienverläufen nicht beirren, sondern versuchen die Lage übergeordnet zu betrachten.
Geradezu unlogisch ist es beispielsweise, wenn man aus dem (geringen) Fortschritt der vergangenen Monate auf die Zukunft zu schließen versucht und dabei einen linearen Verlauf unterstellt. Das ist hochgradig unlogisch, weil die Ressourcen und Befestigungen nicht linear verteilt sind, sondern logischerweise nahe der Frontlinie am besten ausgebaut und ausgestattet sind. Wenn man Beispielsweise 70% aller Ressourcen an und unmittelbar um der ersten Hauptverteidigungslinie investiert wurden/werden, dann wäre es logisch, dass man auch 70% der Zeit und Aufwand braucht um bis dahin vorzustoßen.
D.h. wenn die erste Hauptverteidigungslinie nachhaltig fällt, d.h. die ukr. Armee diese soweit ausweiten kann, dass sie mit Mensch und Material einen relativ sicheren Korridor schaffen und damit weitere Angriffe im Süden vollziehen kann, dann wäre es meiner Meinung nach logisch, dass man bereits die Hälfte geschafft hat, obwohl man vielleicht nur 1/8 der Strecke bis zum Süden geschafft hat.
VisualPolitik hat das gut in seinem Beitrag ab 13:00 erklärt.
Ein weiterer Aspekt ist, dass es zahlreiche Belege von Problemen auf russischer Seite gibt. Z.B. wird immer wieder davon gesprochen, dass die ukr. Artillerie mittlerweile eine Überlegenheit erreicht hat, man vor allem in Punkto Reichweite dem nicht mehr auf russischer Seite standhalten kann. Auch das ukr. Gegenfeuer wurde schon öfter als überlegen beschrieben. Z.B. wird immer wieder davon gesprochen, dass Truppen an der Frontlinie nicht mehr rotieren, sondern über Wochen hinwegan der Front verweilen müssen. Z.B. sind es die gehäuften Angriffe auf die Krim und Schwarzmeerflotte, sowie Zielen in Russland, z.B. Moskau. D.h. Russland ist nicht in der Lage, diese Angriffe vollständig stoppen zu können. Die russische Luftabwehr, welche als die weltweit Beste gilt, kann Angriffe auf z.B. das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte nicht verhindern.
Wenn die russische Armee die ukr. Armee aufhalten könnte, dann würden sie es längst tun. Doch sie können es nicht und erleiden immer wieder horrende Verluste, welche laut Oryx meist deutlich höher liegen, obwohl die ukr. Armee in der Rolle des Angreifers theoretisch die höheren Verluste erleiden müsste.
D.h. auch hier gab es immer wieder Experten, welche der Ansicht waren, dass sich mit der Gegenoffensive der ukr. Armee die Verlustverhältnisse zu lasten der ukr. Armee entwickeln würden. D.h. die russische Armee geringere Verluste erleiden würde, während die Verluste auf ukr. Seite deutlich steigen werden.
Doch genau das ist eben nicht der Fall. Obwohl die ukr. Armee zu Beginn der Offensive kurzzeitig größere Verluste erleidete, lernte sie dazu, änderte ihre Taktik, so dass die höheren Verluste wieder auf russischer Seite sind, selbst in der ukr. Offensive.
D.h. obwohl die russische Armee eigentlich in der Defensive ist, erleidet sie ungewöhnlich hohe Verluste, was letztendlich die Überlegenheit der ukr. Armee zeigt. Beleg siehe https://github.com/leedrake5/Russia-Ukraine/blob/...2023_offensive.md
Betrachtet man ausschließlich die Hauptangriffsrichtung Saporishia, so zeigt sich trotz der russischen Verbarrikadierung hinter gut befestigten tief gestaffelten Verteidigungslinien, trotz des Wissens, dass die ukr. Armee eigentlich einen Durchbruch nur dort wirklich erreichen wird können, schafft es die russische Armee nicht, die Verluste geringer zu halten als auf ukr. Seite. D.h. obwohl die russische Armee den Gegner kommen sieht, sich hinter gut ausgebauten Stellungen versteckt, schafft es die russische Armee nicht, die Verluste geringer zu halten, Geschweigedenn den Gegner auf Distanz halten zu können.
Würde sich die ukr. Armee hinter solchen Stellungen verbarrikadieren, wären die Verluste auf russischer Seite horrend.
Ein weiterer Punkt ist, dass man Kriegsunterstützer wie Girkin Mundtot gemacht hat und Generäle wie Popow, welche die Mißstände kritisiert haben, strafversetzt haben. Auch das ist ein Indiz dafür, dass man die harte Realität auf russischer Seite mittlerweile systematisch ausblendet, was u.a. dazu führt, dass andere Verantwortliche zukünftig keine Wahrheiten mehr kund tun, sondern stets ein gutes Bild zeichnen werden, um der langen Hand des Kremls zu entgehen.
Wenn man all diese Puzzle-Teile kennt, fragt man sich, wie um Gottes Namen will Russland die Verhältnisse auf absehbarer Zeit, d.h. in den nächsten Quartalen oder Jahren drehen?
Eine nennenswerte Mobilisierung gab es bislang nicht, so dass eine nennenswerte Aufstockung der Truppen frühestens im nächsten Frühjahr zu erwarten sein wird, dessen Bildungsstand dann noch das Gelbe von Ei sein dürfte.
Die Wahrheit / Realität will man nicht mehr wissen, so dass größere Probleme eigentlich nicht mehr adressiert werden können, was zwangsläufig zu einer Schwächung oder fehlenden Anpassungsfähigkeit führen wird, weil die Notwendigkeiten nicht mehr nach oben gemeldet werden.
Da ist dann nur noch das scheinbar unerschöpfliche Material, Munition, etc. das Russland noch hat. Doch wenn es ein solch großer Vorteil wäre, hätte es den ukr. Vorstoß bereits aufgehalten. Doch der Materialvorteil kann das Ende lediglich verzögern aber nicht aufhalten. Denn angesichts der Zahlen die man über Oryx erfahren kann, kann die ukr. Armee diese Art der Offensive noch mehrere Quartale in diesem Tempo fortsetzen und dann ist man irgendwann doch mal an Tokmak herangerückt, kann die Verkehrswege abschneiden, die der russischen Armee doppelt schwer wiegen, weil ihre Taktik die Masse ist, daher auch deutlich mehr auf gute Transportwege angewiesen ist.
Mein Fazit ist, dass mit jedem weiteren Vorstoß die ukr. Armee die russische Armee weiter zermürben wird. Mögen die Vorstöße aktuell nach wie vor nur mal 100m hier, 100m da sein, werden es mit der Zeit immer öfter und größere Vorstöße sein.
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