US-Ökonomen blicken trotz Rezession optimistisch ins neue Jahr Von Christiane Oelrich, dpa =
Washington (dpa) - Bei manchem amerikanischen Online-Läden sind die populärsten Weihnachtsgeschenke bereits ausverkauft, Börsenhändler frohlocken angesichts anziehender Aktienkurse und Analysten sagen den bevorstehenden Aufschwung voraus. Mitten in der Rezession verblüfft der Optimismus der Experten viele Beobachter.
Doch die Talfahrt der US-Wirtschaft in diesem Jahr verlief ohnehin nicht nach gängigen Mustern. Während Unternehmen Investitionen drastisch kürzten und monatelang aus Lagerbeständen lebten, ließen sich die Verbraucher von der miesen Stimmung nicht beeindrucken. Obwohl inzwischen 8,2 Millionen Amerikaner ohne Arbeit sind - ein Anstieg der Quote auf 5,7 Prozent, steigen die Einzelhandelsumsätze weiter. Im Oktober um satte 7,1 Prozent gegenüber dem Vormonat, und 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Wenn die Amerikaner, die mit ihren Ausgaben zwei Drittel der gesamten Wirtschaft tragen, trotz Terroranschlägen derart bei der Stange blieben, kann es nur besser werden, meinen Analysten: «Wir sehen Hinweise, dass das Schlimmste vorbei ist», sagte der Investmentberater des Analysebüros State Street Global Advisors in Boston, Ned Riley, der «New York Times». «Es gibt erste Anzeichen, dass die Talsohle erreicht ist», schreibt auch die Deutsche Bank.
Vor allem die Verbraucher haben von den elf Zinssenkungen der US- Notenbank (Fed) profitiert: mit Umschuldungen ihrer Hypotheken und verlockenden Nullzins-Krediten etwa beim Autokauf. Fed-Chef Alan Greenspan hat den Satz für Tagesgeld in diesem Jahr so aggressiv wie nie zuvor um insgesamt 475 Basispunkte auf jetzt 1,75 Prozent gesenkt. Auch die Steuersenkung, die fast jedem Steuerzahler in diesem Sommer einen Scheck über 300 Dollar bescherte, dürfte die Negativeffekte des konjunkturellen Abschwungs gedämpft haben.
Die Unternehmen hat das billige Geld bislang weniger gelockt. Doch weil die Lagerbestände inzwischen weitgehend abgebaut sind, sagen Volkswirtschaftler das baldige Anziehen der Industrieproduktion voraus. «Sobald die Unternehmen ihre Lagerbestände wieder aufbauen, stellen sie Leute ein, das erhöht die Verbraucherausgaben, und schon gehts vorwärts», meint John Lipsky, Chefökonom von J.P.Morgan Chase.
Die US-Wirtschaft ist im 3. Quartal mit einer hochgerechneten Jahresrate von 1,1 Prozent geschrumpft, nach einem Wachstum von 1,3 Prozent im 1. Quartal und 0,3 Prozent im 2. Quartal. Im 4. Quartal dürften die Folgen der Terroranschläge, die etwa den gesamten Flugbetrieb in den USA für Tage lahm legten, sich richtig niederschlagen. Bis zu minus drei Prozent lauten die Prognosen. Für das Gesamtjahr dürfte dennoch ein schwaches Wachstum herauskommen. Für das nächste Jahr hat etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) die USA mit plus 0,7 Prozent in den Vorhersagen.
Eine milde Rezession, gefolgt von einer ebenso seichten Erholung spätestens ab Mitte nächsten Jahres sehen die Ökonomen voraus. Wenn das nationale Büro für Wirtschaftsforschung (NBER) mit seiner Analyse Recht hat und die US-Wirtschaft seit März in der Rezession ist, dann dürfte nach historischen Daten das Schlimmste überstanden sein. Die vorherigen neun Rezessionen seit dem 2. Weltkrieg dauerten im Schnitt elf Monate. Im Kongress liegt noch das nach den Terroranschlägen vom 11. September groß angekündigte Paket zur Konjunkturankurbelung. Doch Republikaner und Demokraten sind heillos zerstritten, mit welchen Mitteln der Motor der US-Wirtschaft am besten gezündet werden kann.
Die Republikaner wollen 100 Milliarden Dollar vor allem an Steuererleichterungen für Unternehmen und die oberen Einkommensschichten bereitstellen. Das schaffe Arbeitsplätze, sagen sie. Die Demokraten setzen dagegen auf Steuererleichterungen für untere Schichten und mehr Sozialausgaben für Arbeitslose. Je länger sich die Parteiquerelen hinziehen, desto bedeutungsloser wird das Hilfspaket. Die Wirtschaft sei ohnehin schon auf Erholungskurs, meinte etwa Finanzminister Paul O'Neill.
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