HANDELSBLATT, Donnerstag, 04. Mai 2006, 08:21 Uhr
Projekt gegen Google
Lycos programmiert für Quaero
Von H.-P. Siebenhaar
Das Internetunternehmen Lycos Europe wird die Software für die europäische Suchmaschine Quaero liefern. „Wir wollen einen Teil der Software entwickeln“, sagte Vorstandschef Christoph Mohn dem Handelsblatt.
DÜSSELDORF. Neben der Technologie plant die Tochter des Medienkonzerns Bertelsmann und des spanischen Telekomriesen Telefonica auch das Produktmanagement zu liefern.
Quaero ist Teil der deutsch-französischen Innovationsoffensive. Die neue multimediale Suchmaschine, die auch Töne und Bilder erkennen wird, soll dem amerikanischen Internetkonzern Google Marktanteile abjagen. Die Kosten für das ehrgeizige Projekt werden auf 250 Mill. Euro veranschlagt. Das von französischen Elektro-Konzern Thomson geleitete Vorhaben wird mit 90 Mill. Euro von der EU gefördert. Wie hoch die finanzielle Beteiligung von Lycos ausfällt, ist bislang noch unklar. Auf deutscher Seite ist das Konsortium für Quaero noch im Aufbau. „Es gibt noch keinen Vertrag zwischen den Projektpartner“, sagte ein Sprecher der Bertelsmann-Tochter Arvato. Auch wo das Koordinierungsbüro seinen Sitz haben wird, ist noch nicht entschieden. Auf deutscher Seite wird das Konsortium, an dem sich auch Siemens , MediaSec Technologies, Grass Valley und die Deutsche Thomson-Brandt beteiligt sind, vom Medienkonzern Bertelsmann geführt. Empolis, eine Tochter der Bertelsmann-Konzernbereichs Arvato, koordiniert das Quaero-Projekt.
Von wissenschaftlicher Seite werden sich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), die Fraunhofer Gesellschaft für angewandte Forschung, die Universität Karlsruhe und die RWTH Aachen beteiligen. Derzeit arbeiten die Mitglieder es Konsortium an der Definition ihrer Beiträge zu Quaero. In den nächsten Wochen soll es nach Einschätzung von Teilnehmern bereits ein Treffen zur Aufgabenverteilung geben. Danach würde die Projektierung vom Bundeswirtschaftsministerium in Berlin geprüft. Anschließend entscheidet die EU-Kommission in Brüssel über die Vergabe der Fördermittel.
Die neue Multimedia-Suchmaschine Quaero hat vor allem für die Franzosen einen hohen Stellenwert. Auf französischer Seite leitet Thomson das Projekt, auch France Télécom ist mit von der Partie. Nach dem Willen des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac soll Quaero dem amerikanischen Suchmaschinen-Konzern Google in Zukunft das Wasser abgraben. Chirac pries in Paris das ambitionierte Vorhaben als großes „deutsch-französisches Projekt“. Die Franzosen machen derzeit mächtig Druck auf die Deutschen. Initiator Jean-Louis Beffa, Chef des französischen Baustoffriesen Saint-Gobain sagte kürzlich: „Wir begrüßen, wenn sich deutsche Partner an dem Projekt beteiligen wollen, werden aber nicht auf sie warten".
Bei Lycos ist die Freude über die Mitarbeit an dem Prestigeprojekt Quaero groß. Das seit Jahren defizitäre Unternehmen braucht Innovationen, um eine dauerhafte Perspektive zu haben. Bereits im Januar startete der ehemalige Liebling des Neuen Marktes seinen Suchdienst IQ. Die „menschliche Suchmaschine“ arbeitet anders als die Konkurrenz von Google, bei denen der Nutzer einen Suchbegriff eingibt und dann entsprechende Internetadressen erhält. Bei IQ gibt es konkrete Antworten auf konkrete Fragen. Registrierte Nutzer helfen sich beim Auffinden von Informationen – eine Wissensgemeinschaft ähnlich dem Onlinelexikon Wikipedia.
Zwar zählt IQ in Deutschland erst 10 000 Nutzer. Aber die Hoffnungen sind groß. In den vergangenen vier Monaten gaben die IQ-Mitglieder mehr als 40 000 Antworten auf rund 14 000 Fragen, die bei IQ gestellt wurden. Rund 9 000 Internetadressen, die bei den Antworten weiter helfen könnten, wurden von den Mitgliedern der Community vermittelt.
Lycos hat den Suchdienst zusätzlich in Frankreich, Großbritannien, Schweden und Dänemark eingeführt. Ende April bekam das Unternehmen dafür den Innovationspreis der Initiative Mittelstand. Allein ist Lycos mit diesem Produkt allerdings nicht. Der Internetkonzern Yahoo hat unabhängig von Lycos ebenfalls eine menschliche Suchmaschine entwickelt und vor Monaten erfolgreich an den Start geschickt.
Hilfe bei der Internetsuche
Automatisch
Suchmaschinen wie Google erfassen mit speziellen Softwareprogrammen sämtliche Seiten im weltweiten Datennetz. Nach Eingabe des Suchbegriffs zeigen sie automatisch alle Seiten, die mit den Begriffen übereinstimmen und listen sie nach deren Relevanz.
Mit Bewertung
Weil die oft langen Listen mit Fundstellen die Nutzer überfordern, setzen Lycos und Yahoo auf den Menschen. Freiwillige Experten bewerten die Internetseiten im Netz und beantworten die Fragen anderer Nutzer.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 04. Mai 2006, 08:21 Uhr
|