Die Lebensbedingungen (eigentlich das Warenangebot) waren in Berlin tatsaechlich wesentlich besser als im Rest der DDR. Und wer etwas werden wollte, so wie ich z.B. im Aussenhandel, der musste eben dort studieren und auch arbeiten, wo es diese Moeglichkeiten gab. (Viel spaeter sagte mir ein geschaeftsfuehrender Gesellschafter von Aldi, der von Norddeutschland nach Berlin gewechselt war, das grosse Geld verdiene man seiner Meinung nach nur in den grossen Staedten. In der DDR war es vielleicht nicht das grosse Geld, das bekamen eher die Handwerker. Fuer mich war es aber die Moeglichkeit einer interessanten Arbeit und von Reisen.) Ich hatte mit 13 Jahren die Schnapsidee, Fernsehklempner zu werden. Die verdienten naemlich in der DDR ziemlich gut. Dann sagten mir aber meine Eltern, studiere erst mal. Fernsehklempner kannst Du immer noch werden. Also habe ich studiert, was ich wollte, naemlich Aussenhandel. Inspiriert hatte mich der Vater eines Freundes, der, bis er '68 gefeuert wurde, Generaldirektor der tschechischen Flugzeugwerke und ein wirklich beeindruckender Mann war. Als Kompromiss fuer das Studium bin ich drei Jahre zur Armee gegangen, musste dann aber feststellen, dass die Haelfte meiner maennlichen Kommilitonen das nicht gemacht hatte. Meine Lehrerin an der Hochschule war uebrigens Christa Luft, die spaetere Wirtschaftsministerin der DDR in der Wendezeit, die heute fuer die PDS im Bundestag sitzt. Und auch da wurde nicht alles so heiss gegessen, wie es gekocht wurde. Als ich waehrend des Kriegsrechts privat nach Polen fahren wollte, um Freunde zu besuchen, war sie sofort bereit, mir ein offizielles Papier der Hochschule zu geben, damit ich, was sonst nicht moeglich war, reisen konnte. Das werde ich ihr nie vergessen. Es war illegal und es haette ihr schaden koennen. So oder aehnlich kamen viele junge Leute nach Berlin, was dazu fuehrte, dass in Marzahn und Hellersdorf unmittelbar nach der Wende ueber 50 % der Bevoelkerung einen Hoch- oder Fachschulabschluss besassen. Natuerlich erforderte die Arbeit in sogenannten "verantwortlichen" oder Fuehrungspositionen neben vielen z.T. sinnlosen Versammlungen, an denen man teilzunehmen hatte, eine bestimmte Angepassheit. Es gab eben Grenzen, die man besser nicht ueberschritt. Man sollte das aber nicht mit Feigheit oder politischer Blindheit verwechseln. Andererseits hatte ich z.B. als junger Kaufmann meinem stellvertretenden Generaldirektor in Gegenwart anderer und voellig folgenlos Konzeptionslosigkeit vorgeworfen. Man versuche das heute einmal. Unter meinen Bekannten gibt es heute niemanden, der die DDR oder die SED zurueckhaben moechte. Trotzdem waehlen viele PDS (uebrigens auch auch ein sehr katholischer Mitarbeiter von mir aus Bayern, der in Berlin wohnt.) Das Parteiprogramm duerften die meisten (wie Parteiprogramme ueberhaupt) nicht gelesen haben. (Die Stelle mit der Besteuerung des Grundeigentums finde ich natuelich persoenlich entsetzlich.) Kein vernuenftiger Mensch identifiziert aber heute noch die PDS mit der SED. Fuer das Wahlergebnis duerfte aber neben der Person Gysis in erster Linie nicht die PDS verantwortlich sein, sondern die Enttaeuschung im Osten ueber die anderen Parteien. Und hier sollten sich die anderen Parteien wirklich fragen, warum aus der ueberwaeltigenden Begeisterung seinerzeit vor allem fuer die konservativen Parteien, die sich ja auch im Wahlsieg von de Maiziere niederschlug, nun eher Verdrossenheit geworden ist. Solange man alles auf die marxismusglaeubigen Menschen im Osten schieben moechte, die mit der Konkurrenzsituation im Kapitalismus nicht klarkommen, wird man das Problem wohl nicht loesen. Und last but not least: Man kann Biedenkopf unterstellen, was man will. Aber dort, wo die Menschen das Gefuehl haben, dass man sich fuer sie einsetzt, sind (waren bis zu seinen Affairen) die Wahlergebnisse fuer die Konservativen eben auch besser.
R.
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