Erotikkonzern Beate Uhse im Abwind
Bei kaum einer anderen Aktie ist das Missverhältnis zwischen Bewertungsniveau und Fundamentaldaten so ausgeprägt wie bei dem Erotikkonzern Beate Uhse. Nach Auffassung von Brancheninsidern hat dieses Missverhältnis inzwischen irrationale Züge angenommen.
„Beate Uhse widersteht der Konsumflaute“: So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen, als der Flensburger Erotikspezialist Ende August diesen Jahres seine Halbjahreszahlen vorlegte. Wer nun glaubt, dass bei Beate Uhse alles im grünen Bereich ist, sieht sich allerdings getäuscht. Die Fundamentaldaten des Konzerns sind alles andere als „sexy“, konnten aber bisher vom Vorstand mehr oder weniger erfolgreich kaschiert werden. Schon ein Blick auf den Erotikmarkt, der durch eine ständig steigende Wettbewerbsintensität gekennzeichnet ist, zeigt indes, was die Stunde wirklich geschlagen hat. „Von den Wachstumsraten der Vergangenheit angelockt“, so Christian Klein, Vorstandsmitglied der Düsseldorfer Actium Beteiligungs AG.
Nach Klein, der den Erotikmarkt schon länger beobachtet, „treten immer noch zahlreiche Nachzügler in den Markt ein und heizen damit den Preiskampf weiter an.“ Beispiele seien traditionelle Versandhäuser, die zunehmend Erotikartikel in ihr Sortiment aufnähmen und neue Magazinformate zu etablieren suchten, die mit den etablierten Erotikmagazinen um Marktanteile kämpften. „Die Tatsache“, so schlussfolgert Klein, „dass trotz der bereits weit vorangeschrittenen Sättigung des Marktes immer noch neue Wettbewerber in den Markt eintreten, ist äußerst kritisch zu bewerten. Dies wird zu einer Eskalation des Preiswettbewerbes und sinkender Ertragskraft in der Branche führen.“ Es ist unwahrscheinlich, dass diese Entwicklung an Beate Uhse vorbeigeht.
Dies räumen die Konzernoberen auch ein, die inzwischen mit Blick auf den Kampf um die Marktanteile von „cut-throat-competition“ („halsbrecherischem Wettbewerb“) sprechen. Viele Anteilseigner von Beate Uhse versprechen sich von der Erotik-Aktie dessen ungeachtet immer noch eine sichere Dividende. Bereits beim Start war das Wertpapier aus Flensburg 64fach überzeichnet. Zeitgleich ging der Konzern auf Expansionskurs. 1998 übernahm Beate Uhse den Versandhandels-Mitbewerber Becker und ein Jahr später den niederländischen Konkurrenten Pabo B.V. Dieser Zuwachs erklärt auch die Umsatzentwicklung des Konzerns. Um über 100 Millionen Euro stieg der Umsatz binnen dreier Jahre an und belief sich 2001 auf 222,8 Millionen Euro. Im selben Zeitraum wuchs die Anzahl der Mitarbeiter von 722 auf 1.173. Heute umfasst die Beate Uhse AG elf verschiedene Einzelfirmen, die mit Telefonservice, Film- und Videoproduktionen, Groß-, Einzel- und Versandhandel den gesamten Sektor des Erotikgeschäfts abzudecken versuchen.
Aktuell versucht der Konzern eine Umstrukturierung vom reinen Handelsunternehmen hin zu einem Erotik&Entertainment-Unternehmen. Ein eigener Fernsehsender geht zwischen 20.00 und 6.00 Uhr unter dem Dach von Premiere als Beate-Uhse-TV auf Sendung. Der Bereich Entertainment ist bisher allerdings stark defizitär. Wann und ob sich diese Entwicklung ändert, ist derzeit völlig offen.
Als problematisch müssen weiter die Eigentumsverhältnisse der Beate Uhse AG bezeichnet werden. Nach dem Tod der Unternehmensgründerin Beate Uhse-Rotermund im Juli 2001 trennte sich deren Familie nach und nach von den Unternehmensanteilen. Im Oktober 2001 musste Ulrich Rotermund, Sohn von Beate Uhse, seine Anteile aus „wirtschaftlichen Gründen“ verkaufen. Rotermund wurde dennoch in den Aufsichtsrat des Erotikkonzerns berufen. Im Dezember 2001 zeigten dann auch Jutta-Hinrichsen-Rotermund, Philipp Rotermund und Reuben Rotermund die Aufgabe ihres Aktienbesitzes an. Alle diese Anteile wurden von der Schweizer Orthmann Holding übernommen. Diese hält inzwischen 45,2 Prozent der Anteile der Beate Uhse AG. Ein weiterer maßgeblicher Anteilseigner der Beate Uhse AG ist die niederländische Consipio Holding B.V., die 21,1 Prozent am Unternehmen hält und dem unterdessen zu Beate Uhse gestoßenen Vorstandsmitglied Gerard Cok gehört. Die Rolle des Vorstandsvorsitzenden hat derzeit Otto Christian Lindemann aus Büsum inne. Lindemann war zwei Jahre lang bei dem Kieler Telefonhersteller Hagenuk für den Bereich Finanzen verantwortlich, bis dieser Insolvenz anmelden musste.
Die eher rudimentäre Branchenerfahrung von Teilen des Vorstandes, wie sie z.B. bei Lindemann offensichtlich werden, führt immer wieder zu Managementfehlern. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang unvorteilhafte Vertragsgestaltungen im defizitären Internetgeschäft oder personelle Fehlentscheidungen.
Am schwersten wiegt wohl aber das Fehlen eines schlüssigen strategischen Konzeptes. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den von zahlreichen Pannen begleiteten Einstieg ins Internet-Geschäft. Die enge Verflechtung zwischen Vorstand, Mehrheitseignern und Aufsichtsrat auf Kosten der Interessen freier Aktionäre hat im übrigen dazu geführt, dass die Beate Uhse Aktie von Börsenanalysten mehr und mehr ignoriert wird. Dieses Desinteresse spiegelt sich auch in den minimalen Umsätzen der Aktie. „Pro Tag“, so erläutert Christian Klein, „werden nur 11.000 Aktien gehandelt. Wie gering diese Summe ist, erschließt sich vor dem Hintergrund der Zahl der ausgegebenen Aktien, die sich auf 47,3 Millionen belaufen.“
Wie stark bei der Beate Uhse AG Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigt eine Analyse der Bilanzen. Fast 90 Prozent der Umsatzerlöse werden immer noch über den Einzel- bzw. Versandhandel generiert. „Diese Abhängigkeit“, so betont Ottmar Schneck, Finanzwissenschaftler an der European School of Business (ESB) in Reutlingen und Anteilseigner der Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, „muss vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Branchensituation als kritisch bewertet werden.“ Erschwerend komme nach Schneck in diesem Zusammenhang der hohe Auslandsanteil der Umsatzerlöse hinzu, der derzeit bei fast 50 Prozent liege.
Die riskante Expansionsstrategie des Vorstandes spiegelt sich deutlich in der Finanzierung des Unternehmens wider. Die Eigenkapitalquote habe sich, so Schneck, in den letzten Jahren trotz des Börsenganges des Unternehmens deutlich verringert, während die Verschuldung gleichzeitig deutlich angestiegen sei. 1998 finanzierte sich das Unternehmen noch zu 63,6 Prozent über Eigenkapital. Zum Bilanzstichtag 2002 betrug die Eigenkapitalquote noch 35,6 Prozent. Die Bilanzsumme besteht zu 56,6 Prozent aus Verbindlichkeiten. 1998 lag dieser Wert noch bei 28,5 Prozent.
Ein weiterer Indikator für die finanzielle Instabilität des Konzerns zeigt sich bei dem Vergleich von Forderungen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten. „Normalerweise“, so erläutert Paul Morgenthaler, Geschäftsführer der Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, „sollten sich beide Werte decken, um die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu sichern. Bei der Beate Uhse AG betragen die eigentlich sehr großen Forderungen dennoch nur 44 Prozent der Verbindlichkeiten.“ Das Problem, so Morgenthaler, sei das hohe Ausmaß der kurzfristigen Verschuldung, die zu einer sukzessiven finanziellen Destabilisierung des Unternehmens beitrage.
Wenig erfolgversprechend erscheinen derzeit auch die operativen Pläne des Konzerns. Dies gilt insbesondere für den geplanten Markteintritt in den USA. Beate Uhse will dort in den Katalogmarkt einsteigen, obwohl sich beispielsweise der internationale Hauptwettbewerber Playboy Enterprises gerade aus diesem Geschäft aufgrund zu hoher Verluste zurückgezogen hat. Problematisch erscheint auch die geplante Forcierung des Internet-Geschäfts. „Was für andere Erotikbereiche gilt, nämlich Margenverfall aufgrund zunehmender Wettbewerbsintensität, gilt erst recht für das Internet“, unterstreicht Christian Klein und verweist in diesem Zusammenhang auf den Marktführer Playboy Enterprises, der allein im letzten Quartal 2001 im Online-Geschäft einen Verlust von ca. 4,5 Millionen US-$ eingefahren habe. Die hier zu erwartenden Verluste von Beate Uhse werden die Ertragskraft des Unternehmens mit ziemlicher Sicherheit weiter schwächen. Inwieweit neue Geschäftsideen hier Abhilfe schaffen können, muss abgewartet werden.
Vor dem Hintergrund dieser Risikopositionen erscheint die Beate-Uhse-Aktie derzeit deutlich überbewertet. Diesem Befund gegenüber steht ein geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für das Jahr 2002 in der Größenordnung von 53. Damit ist Beate Uhse das am höchsten bewertete Unternehmen von allen DAX- und MDAX-Werten mit Gewinnausweis. Noch krasser fällt das Missverhältnis zwischen Fundamentaldaten und Bewertungsniveau bei Betrachtung des Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) aus. Hier erreicht Beate Uhse einen Wert, der, um hier nur einen Vergleich zu bringen, viermal so hoch liegt wie der von Karstadt-Quelle. „Dieses Bewertungsniveau kann nicht anders als irrational genannt werden, weil es sich von allen Fundamentaldaten abgekoppelt hat“, resümiert denn auch Christian Klein.
Anlegern kann deshalb nur empfohlen werden, die Aktie abzustoßen. Schon in Bälde muß nämlich damit gerechnet werden, dass das Bewertungsniveau der Beate Uhse Aktie aufgrund der oben dargestellten Risikopositionen deutlich nach unten korrigiert wird.
Von Michael Wiesberg
Viele Grüße
aus dem Ruhrpott
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