Um Deine Frage inhaltlich vollständig und sauber zu beantworten, würde es hier mit rd. 10 komprimierten DinA4-Seiten den Faden überspannen. Ich hoffe daher, eine Zusammenfassung reicht. Vor Einführung des Starug gab es a) die Insolvenz, die damit verbundenen Gefahren der Insolvenzverschleppung, welche im Detail nur schwer zu belegen sind und b) außergerichtliche Einigungsverfahren zur selbstgeführten Sanierung b) hatte keine fixen Regeln, der Ablauf ergab sich aber aus Zwängen und der Kausalität dass a) immer noch darauf folgen kann und der Grad zwischen simplen Verkacken und den Indizien für eine Insolvenzverschleppung schmal ist.
Die (EU-US-Asia)-Richtlinien, die bei uns zum Starug geführt haben, sind nichts anderes als Gesetzesentwürfe, damit für b) ein justiziabler Fahrplan entsteht und gleichsam dem Gestaltungsmissbrauch entgegengewirkt wird. Weil Unternehmen zunehmend international agieren, verstärkt das zusätzlich den Anspruch hier homologisierte Verfahren haben zu wollen.
Was ist die Intention der Kreditgeber, Gläubiger, denn die sind es ja, die neben regelmäßig zu geringen Umsätzen und Erträgen den Sektor des akuten Problems vertreten? Bei einer Insolvenz gibt es eine Reihenfolge der Gläubigerbefriedigung, darunter auch Löhne, Sozialversicherungen etc. Wurde ein Insolvenzverfahren erst einmal eröffnet, verringern sich hier die Manövriermöglichkeiten drastisch.
Femdkapitalgeber sitzen auf einem Schuldensaldo, der nicht mehr bedient wird, und können auf der andere Seite abgetretene oder konfiszierte Sicherheiten liquidieren.
Bei Maschinen, Anlagen, Immobilien wird der Verkehrs-, Zeit-, Restwert festgestellt. Fuhrparks und Immobilien sind einigermaßen merkantibel, in der Versteigerung gilt meistens in ersten Sitzung ein Mindestgebot von 7/10 dieser Werte. Ersteigert dafür keiner, gilt in der 2. Sitzung ein Mindestgebot von 5/10. Schlägt wieder keiner zu, entfällt dieses für weitere Versteigerungs- oder Verlaufsaktivitäten.
So, jetzt muss sich vorstellen, dass so ein Anlagenpark wie der von Varta so individuell konfiguriert ist, dass nur mit entsprechendem Personal so etwas (weiter-)genutzt werden kann. Gäbe es dabei auch noch Personalwechsel, addierten sich weitere Anlaufkosten aus der Prozessarbeit hinzu.
Das hieße für eine Bank: Sie muss einen Großteil des Wertes der Zession berichtigen und abschreiben, den Kredit ebenfalls zu großen Teilen. Aus bilanztechnischen Gründen erfolgt sowas meist in Etappen oder wird als non performed loans verkauft. Unabhängig davon fallen eine Menge Begleitkosten für eine Insolvenz an.
Also, aus Bankensicht addiert sich zu dem bisherigen Mist noch einiges an Begleitmist dazu. Das Kardinalsinteresse ist das eigene Rating, und im Falle einer erfolgreichen Starug-Sanierung wäre der Packen, den es abzuschreiben gilt, am geringsten. Ein Unternehmen, das in insolvent wurde ist dazu (schufatechnisch) nicht mehr kreditwürdig / - fähig .
Beim Starug müssen nicht nur die Gläubiger etwas in den Topf schmeißen sondern auch das Eigenkapital wird (ganz oder partiell) zur Ader gelassen. Wären die Retailer in der Mehrzahl, müsste es ausverhandelt werden; gibt es Majoritäten, läuft es so wie hier. - Nochmal was zu Immerauswärts´ polemischen Einwürfen: In Österreich gibt es ein kongruentes Gesetz und an den Standorten der Börsen mit den größten Volumina (US/ GB) auch. In China ist es anders – noch. Dort muss das Unternehmen gar nicht selbst die Insolvenz anmelden. Das können eigentlich nur die Gläubiger. Das ist für den Anleger auf der anderen Seite des Meeres viel brutaler. In den letzten 30 Jahren gab es regelmäßig irgendwelche nicht nachvollziehbaren, außergerichtlichen Regelungen, von spin offs, von Vertragsbrüchen oder gar going of public in China, bei denen man sich als Anleger seine Investition in die Haare schmieren konnte. Ich bin den 1990er und 2000er regelmäßig zu Sitzungen an Unis und Investorenmeetings gerannt, um mich mit Chinanahen Verbänden zu treffen, im Ergebnis hat das bei Schieflagen oder Abzocke nur begrenzt bis wenig geholfen. Man ist jetzt in China mit Homologationen schon ein bisschen weiter, aber was den Austausch anbelangt, wird das gerade durch den neuen „kalten“ Krieg gestört.
Die Einführung des Starugs hat für den Kleinanleger nicht viel geändert. Hier wird gerade ein Mythos geschaffen, der Quatsch ist. Es gab immer schon Haircuts ohne Insolvenz. Die Starugs dieser Welt werden sicherlich regelmäßig geupdatet werden müssen, so wie die Basel-II´s oder die Stabilitätsanforderungen an (US-)Banken. Aber das macht sie per se nicht widersinnig.
Ich hoffe, das hat einigermaßen zum Verständnis beigetragen.
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