31.05.2007 20:45 Das absurdeste aller Szenarien ist fast eingetroffen!
von Jochen Steffens
Dem Fed-Protokoll war eigentlich nichts wirklich Neues zu entnehmen und somit passierte das, was passieren musste: Die Sorge, dass es zu einer negativen Überraschung kommt, wurde aus dem Markt genommen, sprich die Kurse stiegen deutlich. Der S&P500 steht nun mit 1534 Punkten knapp unter seinem Allzeithoch bei 1553 Punkten. Auch der Dax nähert sich mit einem Hoch bei 7892 Punkten „gefährlich“ seinem Allzeithoch aus dem Jahre 2000.
Sie sehen, auch dieses Mal haben die Allzeithochs die Kurse angezogen. In der Heftigkeit der Anziehung hat es sogar mich, der schließlich seit Jahren von dieser Anziehungskraft redet, überrascht – da bin ich ehrlich. Über 1300 Punkte in so kurzer Zeit, beachtlich!
Bullenträume
Mittlerweile wird aber auch die Stimmung bullisher, nicht nur an den Börsen, sondern auch in der Wirtschaft. An den Börsen wird das Bullenpotenzial zudem sicherlich noch massiv ansteigen, wenn dieses alte Hoch vom März 2000 aus dem Markt genommen wird (also überwunden wird).
Mein Gott, wenn Ihnen irgendjemand im März 2003 erzählt hätte, der Dax steht Mitte 2007, also nur vier Jahre nach einem der größten Einbrüche aller Zeiten wieder an seinem Allzeithoch, Sie hätten ihn für vollkommen verrückt gehalten und sicherlich böse als komplett ahnungslosen Börsentrottel beschimpft – aber genau so funktioniert Börse!
Überlegen Sie sich das aktuell absurdeste Szenario und beziehen Sie dieses Szenario, das sonst niemand auch nur für ansatzweise möglich hält, zumindest in Ihre Überlegungen mit ein!
Wenn ich dann in den Medien höre, dass die Wirtschaft in China, in Europa und auch in den USA doch „unglaublich“ robust sei – frage ich mich, ob man nicht auch sehr bearishe Szenarien zumindest einmal als theoretische Überlegung mit in seine Konzeptionen einbeziehen soll – doch, genau das sollte man tun.
Sie kennen mich, immer wenn alles „Weltuntergang!“ schreit, komme ich und schreibe etwas von Einstiegschancen und immer dann, wenn die Party so richtig gut läuft und alle richtig viel Spaß haben, mime ich den Spielverderber und warne (manchmal vielleicht etwas zu früh, okay – aber so ist das als Antizykliker).
Die Börse findet ihr Hoch immer dann, wenn die Wirtschaft am besten läuft
Doch Sie kennen das: Wenn die Wirtschaft brummt, alles sehr gut aussieht, dann müssen Sie sich als Antizykliker mit der Bärenseite beschäftigen. Das heißt natürlich nicht, dass Sie dann alles verkaufen und direkt auf fallende Märkte setzen, das ist Unsinn! Es geht hier in erster Linie einmal darum, sich bearishe Szenarien zu überlegen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass vielleicht all dieser eitle Sonnenschein sehr bald oder auch später ein Ende finden wird.
Denn die Börse spekuliert auf die Zukunft. Das bedeutet, immer dann, wenn die Wirtschaft davor steht, ihren Hochpunkt zu erreichen, wird die Börse langsam aber sicher in einen Abwärtstrend übergehen. Das ist das eherne Börsen-Gesetz. Wenn die Sonne am höchsten steht, kann es nur noch dunkler werden...
Der typische Fehler der Antizykliker
Aber, der Fehler, der vielen Antizyklikern unterläuft ist, viel zu früh aufgrund solcher Gedankenspiele die Seite zu wechseln! Noch sind wir in einem Trend. Aus diesem Grund warne ich auch immer noch vor einer Shortpositionierung.
Natürlich sind kurzfristig die Kurse stark überhitzt, keine Frage. Aber noch würde ich bei einer Konsolidierung auf wieder steigende Kurse setzen. Erst wenn dann kein neues Hoch ausgebildet wird, muss man seine bullishe Haltung überdenken!
Aber und das ist der aktuell wichtige Unterschied: Ich habe bei weitem nicht mehr so bullishe Gefühle, wie bei den letzten großen Konsolidierungen der Jahre 2004-Mitte 2006. Sie erinnern sich, damals war ich oft nahezu der einzige, der sagte, es geht wieder weiter nach oben, noch ist alles bullish.
Zu viel Optimismus bei einer Konsolidierung?
Und auch das macht mich stutzig. Ich glaube, wenn jetzt eine 1000-2000 Punkte Konsolidierung kommen würde, gäbe es zum ersten Mal seit 2002 ganz viele Analysten, die wieder zum Einstieg blasen, um auf ein weiteres Hoch zu spekulieren. Das absurdeste Szenario!
Denken Sie einmal darüber nach. Denn es glaubt im Moment einfach keiner, wirklich keiner, an das Ende dieser Trends! Das offenbar absurdeste Szenario ist also, dass wir bald einen Dax bei unter 5000 Punkten sehen werden.
Aber Achtung, verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Ich sage nicht, dass das passieren wird! Noch nicht! Es ist auch nicht der Zeitpunkt, jetzt schon darauf zu setzen.
Aber ich fange ganz langsam an, mich zum ersten Mal seit mehreren Jahren intensiver mit solchen Szenarien zu beschäftigen. Mehr ist es aber noch nicht.
Dazu ist mir eine nette Börsenweiseheit eingefallen, denn ich wollte gerade noch hinzufügen: „Denn an den Börsen dauert alles länger als man denkt!“
Aber ich glaube erst so ist diese Weisheit perfekt:
An den Börsen dauert alles länger als man denkt, nur nicht das, womit man nicht rechnet.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens
|