...Zweifel an Syrien-Recherchen Das ist die eine Seite der Karriere von Seymour Hersh. Doch es gibt auch eine andere: Denn die vergangenen Jahre waren immer häufiger geprägt von großen Zweifeln an den Recherchen des bekannten Journalisten. In einem Artikel von 2017 berichtete Hersh etwa über einen Luftangriff von US-Streitkräften in Syrien. Der Angriff war eine Reaktion auf einen Giftgasanschlag auf die Zivilbevölkerung des Ortes Chan Scheichun. Laut Hershs Recherchen, die in der Zeitung "Welt" erschienen, soll es jedoch nie zu einem solchen Giftgasangriff gekommen sein. Stattdessen habe das syrische Regime mit der Unterstützung Russlands ein Treffen von Dschihadisten in dem Ort bombardiert. Durch den Abwurf einer Bombe soll angeblich eine Giftwolke entstanden sein, weil Düngemittel, Desinfektionsmittel und andere Stoffe im Keller des anvisierten Hauses gelagert worden seien. "Winzige Anzahl anonymer Quellen"Hershs Recherchen wurden später von mehreren Seiten entkräftet: Eine Untersuchung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und des Joint Investigative Mechanism (JIM) kam etwa zu dem Ergebnis, dass an dem Ort eine Giftgasbombe mit dem Kampfstoff Sarin durch Streitkräfte des syrischen Machthabers Baschar al-Assad abgeworfen worden war.
"Hersh stützte sich auf eine winzige Anzahl anonymer Quellen, legte keine anderen Beweise vor, um seinen Fall zu untermauern, und ignorierte oder verwarf Beweise, die der alternativen Erzählung, die er aufzubauen versuchte, entgegenstanden", kritisierte etwa der bekannte Journalist Eliot Higgins auf der Rechercheplattform Bellingcat die Veröffentlichungen von Hersh im Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg. Eine Quelle für Nord-Stream-Recherche?Es ist ein Vorwurf, der auch jetzt wieder bei seiner Arbeit zu den Nord-Stream-Pipelines laut wird: Aus seinem Text geht hervor, dass Hersh sich offenbar nur auf eine anonyme Quelle bezogen hat. Selbst Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach am Donnerstag die eher dünne Quellenlage an. Grundsätzlich sind anonyme Quellen bei besonders heiklen Themen zwar nicht ungewöhnlich. Für seine preisgekrönten Vietnam-Recherchen hatte Hersh vor mehr als 50 Jahren auch schon Tippgeber genutzt, deren Namen nur er kannte: Allerdings sprach er damals nach eigenen Angaben mit mehreren Personen – und einer der verantwortlichen Kommandanten ließ sich mit vollem Namen zitieren.
https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/...zweifelhaftem-ruf.html
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