DJ INTERVIEW/SGL Carbon-CEO sieht keine Geschäftseintrübung
Von Heide Oberhauser-Aslan Dow Jones Newswires
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Graphitspezialist SGL Carbon sieht keine gestiegenen Risiken für sein Kerngeschäft mit Graphitelektroden und Kathoden, auch wenn der Aktienkurs wegen entsprechender Befürchtungen seit Wochen unter Druck ist. "Dass wir jetzt in Sippenhaft genommen werden ist mir unverständlich und zeigt charakteristisch die derzeitige Irrationalität der Märkte", sagte Vorstandsvorsitzender Robert J. Koehler im Gespräch mit Dow Jones Newswires.
"Wir sind auch 2009 zuversichtlich für unser Geschäft mit Graphitelektroden. Wir sehen derzeit keinen Einbruch bei der Elektrostahlproduktion und damit auch nicht bei dem Verbrauch unserer Graphitelektroden", erklärte der Manager weiter.
Der Kurseinbruch bei Stahlaktien hatte auch das Papier des Wiesbadener MDAX-Wertes in den vergangenen Wochen ins Rutschen gebracht. Seit der Wochenmitte stabilisiert sich die Aktie nun wieder, am Freitagmittag notierte sie bei 34,20 EUR und damit 2,2% im Plus. Ende August waren noch bei über 41 EUR gezahlt worden.
SGL Carbon liefert im größten Geschäftsbereich Performance Products (PP) Graphitelektroden für die Stahlerzeugung in Elektrostahlwerken. Des Weiteren produzieren die Wiesbadener bei PP Kathoden für die Aluminiumindustrie.
"Die Nachfrage nach Graphitelektroden ist auf hohem Niveau stabil quer durch alle Regionen", sagte Koehler. Das gelte sowohl für die USA als auch für Europa und Asien. "Die Abkühlung der Stahlindustrie, von der so viel geredet wird, macht sich in der Produktion der Elektrostahlersteller nicht bemerkbar", erläuterte er. "Die Elektrostahlindustrie läuft nach wie vor auf vollen Touren". Graphitelektroden werden für die Stahlerzeugung in Elektrolichtbogenöfen von Ministahlwerken durch Schrottrecycling eingesetzt.
Auch die Stahlindustrie rechnet nach Koehlers Angaben für 2009 generell mit einem sehr guten Jahr. Das sei auch seine Einschätzung und die Meinung vieler Experten. "Was jetzt zum Teil geschieht sind ganz marginale Lagerbewegungen, bei denen Kunden ihre Lagervorräte bereinigen". Das sei ein ganz normaler Prozess, der in der Regel 2 bis 3 Monate dauere, sagte Koehler.
Die Produktion der Ministahlwerke sei davon nicht betroffen. "Unsere Graphitelektroden werden in der Produktion verbraucht und sind deshalb weitgehend unabhängig von der Lagerentwicklung", sagte Koehler.
Bei Graphitelektroden, die etwa 80% zum Spartenumsatz beisteuern, ist die Produktion von SGL für 2008 bereits ausverkauft. Auch für 2009 sieht es laut Koehler gut aus. "Unser Orderbuch entwickelt sich für 2009 so gut wie im Vorjahr", sagte der Manager.
Zu kämpfen hat SGL Carbon mit Preissteigerungen bei dem wichtigsten Rohstoff Nadelkoks. "Wir sehen Preiserhöhungen bei Rohstoffen, vor allem Nadelkoks, im hohen zweistelligen Prozentbereich, die wir an die Kunden weitergeben werden und müssen", sagte er. Auch diese Preissteigerungen zeigten, dass die Nachfrage derzeit ungebrochen sei.
Zuletzt hatte SGL die Preise für Graphitelektroden im Juli angehoben. Sie gelten für Lieferungen im ersten Halbjahr 2009. "Wir behalten uns jederzeit vor, die Preise für Lieferungen im zweiten Halbjahr erneut anzuheben", sagte Koehler.
Gut läuft das Geschäft auch bei Kathoden, die in der Aluminiumindustrie eingesetzt werden. "Hier ist unser erst kürzlich erweitertes Produktionsvolumen bereits bis 2009 im Wesentlichen ausverkauft", sagte der Manager: "Wir haben Verträge, die teilweise bis ins nächste Jahrzehnt hineinreichen". Selbst die Kathodenproduktion der neuen Anlage in Malaysia, die Anfang 2011 starten soll, sei zum großen Teil schon mit mehrjährigen Verträgen verkauft.
In Malaysia baut SGL Carbon derzeit ein Graphitelektroden- und Kathodenwerk das Anfang 2011 über eine Kapazität von 60.000 Tonnen pro Jahr verfügen wird. Anfang 2009 soll die Graphitelektrodenproduktion mit 30.000 Tonnen anlaufen. Mittelfristig denkt Koehler auch an den Bau einer Anlage in China: "Wenn in China in 5 bis 7 Jahren die Investitionen in die Elektrostahlproduktion als typische Sekundärstahlroute anstehen, dann wollen wir auch in China Elektroden produzieren".
Der Manager bekräftigte die Prognosen für 2008 und 2009. Für das laufende Jahr rechnet er weiter mit einer Zunahme des Konzernumsatzes um 10% bis 15%. Das EBIT soll zugleich um rund 20% gesteigert werden und der Jahresüberschuss überproportional zum EBIT-Wachstum steigen.
Wegen der hohen Nachfrage im Stahl- und Aluminiumbereich und aufgrund der Preiserhöhungen erwartet Koehler auch 2009 zweistelliges Wachstum. Dabei sollen die Margen gehalten und an der ein oder anderen Ecke sogar verbessert werden. 2007 erzielte SGL Carbon einen Umsatz von 1,37 Mrd EUR und ein EBIT von 254,5 Mio EUR. Der Jahresüberschuss betrug 130,9 Mio EUR.
Auch finanziell sieht sich SGL Carbon gut aufgestellt. "Wir haben quasi keine Bankschulden, sind finanziert über unsere Wandelanleihe und den Corporate Bond und verfügen über etwa 140 Mio EUR cash", sagte Koehler. Des Weiteren verfüge das Unternehmen über ungezogene syndizierte Kreditlinien von 200 Mio EUR.
Als wichtiges Zukunftsthema mit extrem strategischer Bedeutung bezeichnete der Manager den Aufbau des Carbonfasergeschäfts. In dem Bereich hat SGL Zukunftstechnologie rund um Carbonfaser und Carbonfaser-Verbundwerkstofffe gebündelt. "Hier investieren wir im Moment viel und tätigen kleinere, arrondierende Akquisitionen".
Eine Wirtschaftsabschwächung würde diesen Bereich seiner Einschätzung nach nicht treffen. Die neuen Werkstoffe aus Kohlefasern, die in unterschiedliche Kundenindustrien wie Windindustrie, Flugzeugbau, Automobilindustrie wandern sollen, seien Materialien mit großem Zukunftspotenzial, denn sie verdrängten dank ihrer günstigeren Eigenschaften herkömmliche Werkstoffe.
Koehler äußerte sich auch zu den jüngsten, überraschenden Veränderungen im Konzernvorstand, die für etwas Unruhe am Markt gesorgt hatten. So hatte Finanzvorstand Sten Daugaard den Konzern aus familiären Gründen Ende Juni verlassen. Anfang September war bekannt geworden, dass Hariolf Kottmann an die Spitze des Clariant-Konzerns wechselt.
"Ich finde es schade, dass wir zwei gute Manager verloren haben. Die Gründe sind jeweils vollkommen verschieden, die Wechsel liegen zeitlich rein zufällig nahe beieinander", sagte er. "Wir haben in jedem Fall eine nahtlose Nachfolge mit langjährig erfahrenen SGL-Managern sichergestellt.
Webseite: http://www.sglcarbon.de/
-Von Heide Oberhauser-Aslan, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 113, heide.oberhauser@dowjones.com DJG/hoa/rio/nas
|