habe ich gerade gefunden und sofort "verkauft", ohne Worte wenn dies stimmt!!!
Wirecard: Richtigstellung von Markus Straub im Interview mit der Zeitschrift "Der Aktionär"
Der Aktionär: Herr Straub, Sie sind in der Öffentlichkeit ins Gerede gekommen, weil von Wirecard Informationen der CMC Bank veröffentlicht wurden, dass Sie durch Leerverkäufe am Kursverfall der Wirecard profitiert haben sollen.
Das ist richtig, ich habe eine Shortposition in der Wirecard-Aktie, wozu ich stehe. Ich verstehe jedoch durchaus, dass einige Aktionäre der Wirecard AG verärgert sind. Keiner verliert gerne Geld. Man sucht dann gerne die Schuld bei anderen und macht es sich einfach, den Überbringer der schlechten Nachricht zu köpfen. Jedoch entstehen die Verluste bei Gesellschaften wie Thielert oder jetzt eben Wirecard durch zu hohe Bewertungen, die durch falsche oder zumindest irreführende Jahresabschlüsse der Vorstände zu verantworten sind. Letztlich waren diese Anleger somit schon beim Kauf der Aktie geschädigt. Hierfür sollten sie die Verantwortlichen auch zur Rechenschaft ziehen.
Der Aktionär: Die SdK sollte Anleger aber doch vor Kursverlusten schützen?
Wir sind nicht die Schutzgemeinschaft der Luftschlossbesitzer. Luftschlösser haben an der Börse nichts zu suchen. Unsere Mitglieder wollen, dass wir uns für einen sauberen und fairen Kapitalmarkt einsetzen. Da gehört es dazu, Überbewertungen, Schwindel oder Betrug aufzudecken und solche Überbewertungen zu stoppen. Letztlich haben wir auch bei Wirecard Anleger vor Verlusten geschützt, nämlich solche, die sich ein Engagement in die Aktie überlegt haben.
Der Aktionär: Trotzdem gibt es Stimmen, die fordern, man sollte Shortselling und derartige Produkte verbieten.
Das wäre ganz falsch. Zu Zeiten des Neuen Markts gab es viele dieser Produkte leider noch nicht. Da konnte man als Investor nur kopfschüttelnd zuschauen, wie die Dummen den noch Dümmeren ihre Aktien zu immer absurderen Bewertungen weiterreichten. Hätte es damals die Möglichkeiten von heute gegeben, wäre es wohl nie zu den maßlosen Übertreibungen und dann immensen Verlusten gekommen. Dem Kapitalmarkt wäre nicht ein gewaltiger Vertrauensverlust zugefügt worden, der allen schadet.
Der Aktionär: Seien Sie nicht zynisch. Shortseller und Hedgefonds sollen Heilsbringer sein?
Zumindest tragen sie dazu bei, dass der Kapitalmarkt effizienter wird. Nur wenige Börsenskandale wurden durch die Behörden aufgeklärt. Viele hingegen von Markteilnehmern, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Bei Thielert ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Oktober 2006, ohne über die Ergebnisse berichtet zu haben. Trotz des Verfahrens hat es Thielert im Juli 2007 geschafft, eine Kapitalerhöhung auf Basis von falschen Jahresabschlüssen durchzuführen. 28 Millionen Euro wurden eingesammelt. Dieses Geld ist in eine Gesellschaft geflossen, die operativ nicht funktioniert und nur durch falsche Bilanzierung so lange überleben konnte. Kapital ist ein knappes Gut und wurde hier verbrannt, ohne dass es einen sinnvollen Beitrag zu unserem Gemeinwohl geleistet hat. Mir ist kein Fall bekannt, in dem es tatsächlich einen Kurssturz gab, der bei einer guten Gesellschaft durch Shortseller ausgelöst wurde und der sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat. Eine gesunde Gesellschaft zu shorten wäre ja auch verrückt. Während bei einer Longposition der Verlust auf den Einsatz beschränkt ist, ist das Verlustrisiko beim Leerverkauf theoretisch unbegrenzt.
Der Aktionär: Sie halten sich für einen cleveren Investor? Ja. Ich analysiere Gesellschaften und Situationen, ziehe daraus Schlüsse und versuche, Über- oder Unterbewertungen zu finden. Bei Unterbewertung kaufe ich, bei Überbewertungen verkaufe ich. Das ist nichts ungewöhnliches. Überbewertungen sehe ich derzeit in zahlreichen Werten und ich bin in diesen deshalb short. Das sind neben Wirecard beispielsweise Arques, Thielert, aber auch große Werte und sogar der US-Dollar. Meiner Meinung nach ist die Geldpolitik der US-Regierung ähnlich problematisch, wie es die Bilanzen der Thielert AG sind. Das habe ich analysiert und dann gehandelt. Denn aus jedem Luftschloss entweicht irgendwann die Luft.
Der Aktionär: Fast alle Analysten halten die Wirecard-Aktien aber für gut und eine Kaufchance.
Sagen Sie, wie es wirklich ist: Die Analysten schreiben etwas, wenden sich damit durch die Veröffentlichung an wildfremde Leute, mit denen sie gar nichts zu tun haben und raten denen, dass sie irgendwelche Aktie kaufen sollen. Glauben Sie, Goldmann Sachs wollte Gretchen Müller tatsächlich einen Gefallen tun, als man – obwohl klar war, dass die Staatsanwaltschaft wegen Bilanzbetrug ermittelte – im Februar 2007 eine aggressive Kaufstudie mit dem Kursziel 28,40 Euro veröffentlichte? Bei mir haben Analysten angerufen, die gesagt haben: Ja, wir sehen bei Wirecard auch problematische bilanzielle und operationelle Aspekte. Aber dafür haben die Analysten in ihren Excel-Spreadsheets kein Feld. Und nach Eingabe der von Wirecard veröffentlichten Zahlen ins Bewertungsmodell spuckt dieses eine Kaufempfehlung aus. Was Analysten wirklich von den Aktien halten, die sie „empfehlen“, was sie im Kopf haben, tatsächlich machen und erreichen wollen, wissen wir nicht. Viele Leute übersehen, dass sich hinter den für alle veröffentlichten Analysen meist ganz andere Interessen verbergen. Ich lese das Zeug nicht. Ich schaue mir die Fakten selbst an und bilde mir ein eigenes Urteil, und dann handle ich.
Der Aktionär: Und sahnen dabei offensichtlich wie bei Wirecard kräftig ab ... Auch wenn ich meine Position noch nicht geschlossen habe, gehe ich fest davon aus. Und das halte ich auch für richtig. Denn ich investiere in meine Arbeit sehr viel Zeit und verfüge über umfangreiche Kenntnisse. Zum Glück ist es ein Grundprinzip unseres Systems, dass Arbeit sich auszahlen darf.
Der Aktionär: Aber wie trennen Sie dabei, was sie als Shortseller-Straub und SdK-Straub machen?
Das kann man nicht immer trennen. Wenn ich morgens beispielsweise meine fünf Zeitungen lese, dann mache ich das für beide. Wenn ich Aktien analysiere, dann teile ich meine Erkenntnisse mit der SdK. Ich achte dabei sehr genau darauf, dass es zu keinem Interessenskonflikt kommt und lege meine Interessen offen. Ich kenne die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetz genau und halte mich strikt dran.
Der Aktionär: Bei Thielert ist der SdK eine anonyme Strafanzeige mit Insiderinformationen zugegangen? Richtig, der Wert war uns schon aufgrund seiner abstrusen Bilanzrelationen aufgefallen. Mit der Strafanzeige hatten wir dann auch Insiderinformationen. Wir haben den Inhalt der Anzeige genau geprüft und dies am 5. Oktober 2006 veröffentlicht und alle Anleger vor einem möglichen Totalverlust gewarnt. Leider wollten das nicht alle glauben, so konnte ich nach sieben Wochen am 1. Dezember 2006 bei Kursen um 20 Euro die Shortposition eröffnen - die ist übrigens noch heute bei Kursen um 0,5 Euro offen.
Der Aktionär: Hatten Sie bei Wirecard Insiderinformationen?
Nein die hatte ich nicht. Auf Wirecard bin ich durch einen guten Threadbeitrag bei wallstreet-online aufmerksam geworden und habe dann die Recherche gestartet. Ich hatte nur öffentlich zugängliche Informationen. Das sind Informationen aus internationalen Registern ebenso wie Wertgutachten bei Sachkapitalerhöhungen oder die Geschäftsabschlüsse aller Tochtergesellschaften im In- und Ausland. Ich habe mir einfach alles besorgt, was man öffentlich bekommen kann. Hunderte von Seiten. Die musste man nur zusammentragen und lesen können. Jetzt liegt die Gesellschaft da wie ein offenes Buch. Meine Shortposition habe ich während meiner Recherchen vom 14. Mai 2008 bis zum 6. Juni 2008 aufgebaut. Das Bild wurde immer grässlicher. Am 16. Juni 2008 haben wir das erste mal in unserer SdK-Vorstandsitzung über den Fall gesprochen. Am 24. Juni 2008 fand die HV statt. Am 26. Juni kam es zum Kurseinbruch, offensichtlich weil Fondsmanager und Analysten hörten, was unser Vorsitzender Herr Schneide r auf der Hauptversammlung fragte, und dabei kalte Füße bekamen. Am 17. Juli wurde am Abend ein Vorstandsbeschluss per Mail an alle Vorstandmitglieder verschickt. In diesem Beschluss steht wörtlich „Herr Straub teilt mit, dass er in Bezug auf Wirecard eigene Interessen hat und sich wie bisher bei allen Entscheidungen in Bezug auf Wirecard seiner Stimme enthält.“ Die Rückmeldungen aller Vorstandsmitglieder haben wir am 18. Juli um etwa 10 Uhr erhalten. Um 12.30 Uhr haben wir in einer Pressemitteilung alle über unsere juristischen Schritte bei Wirecard informiert.
Der Aktionär: Wirecard behauptet aber, die SdK hätte Gespräche abgelehnt.
Das ist richtig, bedarf aber einer Hintergrundinformation.
In dem von uns veröffentlichten Schreiben der Wirecard bzw. deren Vertreter, in dem uns nahegelegt wird, alle Vorwürfe zurückzunehmen und im Gegenzug angeboten wurde, dass Wirecard über meine Short-Geschäfte schweigt, wird auch ein Herr Bosler genannt, der ebenfalls Short-Geschäfte getätigt haben soll. Dieser Herr Bosler informierte mich am Abend des 10. Juli über einen Vorfall, der sich bei ihm ereignete: Am 10. Juli tauchte um etwa 17.30 der Wirecard-Anwalt Jens Röhrborn in Begleitung von zwei in schwarzen Anzügen gekleideten Herren in seinem Büro auf. Zu dritt schrieen sie auf Herrn Bosler ein und wollten herausfinden, was er über Wirecard weiß. Einer der Begleiter sagte sinngemäß den Satz: „In der Türkei sterben Leute wegen 1.000 Euro, Mann, verstehst du.“ Herr Bosler hat schließlich die Polizei gerufen, die dann auch kam.
Der Aktionär: Unglaublich ...
Uns liegt hierzu von Herrn Bosler eine eidesstattliche Versicherung vor. Zudem hat Herr Bosler die ausgedrückten Zigarettenkippen und somit die DNA der beiden Begleiter sicher gestellt. Im Nachgang stellte sich heraus, dass beide aus dem Hamburger Boxmilieu stammen.
Der Aktionär: Wer ist dieser Herr Bosler?
Ich kenne Herrn Bosler gut. Er war bis 2002 Mitglied der SdK. Jetzt verwaltet er Gelder für seine private Vermögensverwaltung. Ich schätze seine Analysen.
Der Aktionär: Und Herr Röhrborn?
Für mich eine zweifelhafte Person. Er ist Rechtsanwalt und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Wirecard-Bank und interessanterweise auch Aufsichtsratschef eines Hamburger Boxstalls.
Der Aktionär: Wie ging es weiter?
Unser Vorsitzender Herr Schneider sagte das für Montag den 14. Juli vereinbarte Gespräch mit dem Wirecard-Vorstand Braun ab und lehnte auch jedes weitere Gespräch strikt ab. Röhrborn schickte mir in der Nacht vom 15. Juli um 23.57 Uhr eine SMS mit dem Inhalt „Wenn Sie noch wach sind sollten wir telefonieren“. Ich antwortete nicht. Am nächsten Morgen rief er mich um 8.20 Uhr an und sagte, dass wir die nun bekannte erpresserische Vergleichsvereinbarung bis vor Börsenbeginn um 9 Uhr unterschrieben haben müssen, da er, wie er meinte, sonst seine Leute nicht mehr unter Kontrolle habe. Ich machte ihm in deutlichen Worten klar, dass weder ich noch die SdK sich erpressen lassen und jegliches Gespräch von uns abgelehnt wird. Das war unser letzter Kontakt zu dieser Gesellschaft und ihren Vertretern. Wir haben dann am 17. Juli den Vorstandbeschluss bezüglich der Klagen gefasst. Der Rest ist bekannt.
Der Aktionär: Was ist aber mit diesem Fragenkatalog, den sie in ihrer Pressemitteilung vom 8. Juli 2008 angekündigt haben?
Der liegt vor. Wir wollten ihn auch ursprünglich mit der Gesellschaft diskutieren. Das aus unserer Sicht „nötigende“ Verhalten der Wirecard bzw. deren Vertreter hat uns jedoch schnell klargemacht, dass die Gesellschaft kein wirkliches Interesse an einer Diskussion hatte. Daher sind wir zum Ergebnis gekommen, dass die Justiz den Sachverhalt klären soll.
Der Aktionär: Der Fragenkatalog wird nicht veröffentlicht? Nein, wir wollen den Sachverhalt durch die relevanten Institutionen klären lassen, denen wir unsere Fragen zukommen lassen.
Der Aktionär: Was droht Anlegern im schlimmsten Fall?
Ich sage dazu nur soviel, ich halte meine Shortposition offen. Obwohl im Geschäftsbericht dazu keine Silbe steht, gibt Wirecard inzwischen zu, dass sie zwischen 20 und 25% ihres Umsatzes im Bereich der Zahlungsabwicklung von Glücksspielen machen. Wie weit diese Glückspiel in Deutschland illegal sind, können wir nicht genau sagen, halten den Bereich aber für sehr problematisch. Wir vermuten zudem, dass der überwiegende Teil des Gewinns der Wirecard aus diesem Bereich stammt. Wir gehen davon aus, dass dies auch der Bankenaufsicht nicht voll bewusst ist. Deshalb ist uns ja auch die Aufklärung so wichtig.
Gespannt bin ich auch, was die Bankenaufsicht dazu sagt, dass ein Aufsichtsrat einer deutschen Bank mit einem „Rollkommando“ über die Lande zieht und eine Gesellschaft, die eine Bank besitzt, mit offensichtlich illegal erworbenen Bankinformationen (denn wie soll die Gesellschaft sonst an meine bzw. Herrn Boslers Kontendaten gekommen sein) versucht, aus meiner Sicht „erpresserische“ Vereinbarungen zu erreichen. Wer in Deutschland eine Bank besitzt, muss aber zuverlässig sein, das schreiben die Auflagen der BaFin vor. Die BaFin wird jetzt hoffentlich schnell prüfen, ob das bei Wirecard der Fall ist.
Das Interview führte Michael Lang von „Der Aktionär“.
21. Juli 2008
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