https://www.siq-online.de/...hulz-vorstandsvorsitzender-bilfinger-se/ ..." Angesichts steigender Energiepreise muss doch eigentlich der Druck auf die Industrie steigen, ihre Anlagen zu optimieren, oder? Dr. Thomas Schulz: In der Tat können wir uns derzeit über zahlreiche Aufträge freuen. Alle Geschäftsfelder, in denen wir unterwegs sind, von Chemie & Petrochemie, ein Bereich, der allein für rund 30 Prozent unseres Umsatzes steht, über Energie & Versorgung, Öl & Gas, Pharma & Biopharma bis zu Metallurgie und Zement sind im Wandel und investieren in ihre Anlagen. Sogar die Öl- & Gas-Industrie, die lange Jahre bei diesem Thema extrem zurückhaltend war, kommt zurück.
Hier gibt es ja vor dem Hintergrund der aktuellen Situation ein ganz besonderes Problem … Schulz: Wenn Gas nicht mehr aus Russland, sondern aus anderen Regionen der Welt kommt, müssen die Anlagen angepasst, das heißt neu justiert werden. Da ist ein ganz spezielles Fachwissen gefragt, über das wir verfügen.
Wie können Sie denn der Industrie insgesamt helfen? Schulz: Seit der Finanzkrise 2008 ist das makroökonomische Umfeld sehr viel volatiler geworden, was zu höheren Herausforderungen für das Management führt. Deshalb macht es Sinn, Aufgaben, die nicht zum Kernbereich eines Unternehmens gehören, auszugliedern – an Dienstleister wie uns, die wir uns mit der Optimierung von Prozessanlagen jeden Tag befassen. Unser Portfolio deckt die Wertschöpfungskette von Consulting, Engineering, Fertigung, Montage und Instandhaltung über die Erweiterung und Generalrevision von Anlagen bis hin zu Umwelttechnologien und digitalen Anwendungen ab.
Und welche Rolle spielen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit? Schulz: Eigentlich sind wir mit all unseren Angeboten bei diesen Themen unterwegs. Denn die Verbesserung der Energieeffizienz steht bei uns immer ganz oben auf der Agenda – und das führt auch zu einer Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. Doch wir wollen auch bei den ganz offiziell als nachhaltig definierten Themen der Energiewende kräftig zulegen und peilen hier bis 2024 eine Erhöhung des Umsatzes von derzeit 500 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro an.
Können Sie uns für solche Projekte ein Beispiel geben? Schulz: Derzeit unterstützen wir die Stadtwerke München beim größten Fernkälteprojekt Europas. Ab Ende 2023 soll Kälte vom Energiestandort Süd in München-Sendling durch die Isarvorstadt und Ludwigsvorstadt in die Innenstadt strömen. Die dort vorhandene Wärme aus Geothermie und Kraft-Wärme-Kopplung wird dann auch zur Fernkälteerzeugung mitgenutzt. Wir planen und installieren die zahlreichen Pumpen, Armaturen und Wärmetauscher und montieren und verschweißen die Rohrleitungen. Nach Abschluss dieser Arbeiten werden Hotels, Bürogebäude und Einzelhandelsimmobilien nachhaltig klimatisiert – mit bis zu 70 Prozent weniger Strom als bei konventionellen Klimaanlagen.
Was ist denn Ihr Ansatz bei der klassischen Wartung von Anlagen? Schulz: Uns geht es immer darum, Teile der Anlagen wie Pumpen zu optimieren und aufzuarbeiten – anstatt zum Beispiel neue Maschinen einzubauen. Das ist nachhaltig, denn man spart die Rohstoffe und die Energie für die Produktion von neuen Pumpen, und der Umbau geht auch zügiger voran. Wir freuen uns vor diesem Hintergrund auch sehr darüber, dass wir mit immer mehr Firmen Mehrjahresverträge abschließen konnten, denn je länger wir eine Anlage kennen, umso effizienter und nachhaltiger können wir die Prozesse dort gestalten.
Für die Weiterentwicklung Ihrer Strategie haben Sie eine interne Arbeitsgruppe, das Team 12, eingesetzt … Schulz: Selbst wenn wir über ein erfolgreiches Geschäftsmodell verfügen, darf man nicht stehenbleiben, muss weiter vorankommen und sich besser am Markt platzieren. Bei uns geht es auch darum, die Ertragssituation zu verbessern und eine Gewinnmarge (EBITA) von mindestens fünf Prozent zu erreichen, um vor allem in unseren wichtigsten Mehrwert, die Expertise unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu investieren.
Wie möchten Sie Bilfinger denn in den nächsten Jahren aufstellen? Schulz: Wir bauen in erster Linie auf ein organisches, nachhaltiges Wachstum, bei dem wir in den Bereichen, in denen wir aktiv sind, durchaus noch weiter in die Tiefe gehen können – bevor wir die Branchen, in denen wir unterwegs sind, weiter ausdehnen. Breiter aufstellen wollen wir uns jedoch auf alle Fälle geografisch, nachdem derzeit unser Umsatz zu rund 80 Prozent aus Europa kommt. Interessant sind hier vor allem der Mittlere Osten und die USA, boomende Märkte, in denen wir bereits jetzt Flagge zeigen, wo aber durchaus noch mehr Umsatz- und Gewinnpotenzial zu heben ist.
Und wie sehen Sie die Rolle von Bilfinger vielleicht auch im politischen und volkswirtschaftlichen Kontext? Schulz: Ich bedauere eigentlich, dass wir in Deutschland zu sehr über die Probleme und nicht die Lösungen diskutieren. Dabei sind wir Deutschen doch gerade hier immer sehr stark gewesen. Firmen wie Bilfinger können wie viele andere Unternehmen ihr technologisches Know-how bei den großen Themen unserer Zeit wie Nachhaltigkeit einbringen und dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen. ..."
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