Haben hohe Lagerbestände einen Einfluss auf den Ölpreis? Ja, möchte man meinen: Es gibt ein Überangebot und das drückt den Preis, weil es mit frisch geförderten Mengen steht.
Öl wurde auch einmal "schwarzes Gold" genannt. Auch beim Gold gibt es hohe, steigende Lagerbestände, weil kaum etwas verbraucht wird. Trotzdem steigt der Goldpreis. Natürlich gilt dieser Vergleich nur beschränkt, weiil Gold einen hohen ideellen Wert hat und leichter zu lagern ist.
Aber eines haben beide Rohstoffe gemeinsam mehr oder weniger stark mit anderen. Gekauft wird, wenn eine Nachfrage besteht - oder wenn man damit Gewinn machen kann. Das macht doch jeder Verbraucher so. Heizöl kaufe ich dann, wenn der Tank ganz leer ist und ich heizen muss ODER wenn ich glaube, dass ich es jetzt zu einem günstigeren Preis kaufen kann als später.
Da die Nachfrage derzeit niedrig ist, sprechen die steigenden Lagerbestände anscheinend für die zweite Alternative: Öl ist zur Zeit günstiger als es in Zukunft sein wird. Oder: Der Markt erwartet in Zukunft höhere Preise (was nicht unbedingt eintreffen muss).
Natürlich könnte man einwenden, dass das Öl, das über den aktuellen Bedarf hinaus gefördert wird, ja irgendwo bleiben muss. Richtig! Aber wer würde dann zur Zeit $70 dafür zahlen, wenn man nicht die Erwartung hegen würde, in einigen Monaten mehr dafür zu erlösen? Dann würde man eben nur $40 dafür bieten!
Und hier kommt der Dollarkurs wieder ins Spiel. Für europäische Anleger kann es sich sehr wohl lohnen, aktuell für $70 Öl zu kaufen und dann, wenn der Dollar auf 1,20 oder 1,25 gestiegen ist für $65 zu verkaufen. Da kann - auch nach Abzug der Lagerkosten - ein Gewinn übrig bleiben. Schlussfolgerung: Der Ölpreis enthält nicht nur eine Aussage darüber wie die Erwartungen an den zukünftigen Ölpreis sind, sondern auch wie sich der Dollarkurs entwickeln wird.
Neben den Faktoren Wirtschaftsentwicklung oder Klima gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass noch eine Reihe anderer Faktoren zu berücksichtigen sind. Wieviel Öl bzw Destillate sind gehedgt und wirken nicht preisbildend auf die aktuelle Produktion. Welche Produzenten stehen so stark unter Abgabedruck, dass eine Drosselung der Produktion für sie nicht in Frage kommt, weil sie mit den Erlösen entweder ihren Staatshaushalt finanzieren oder Bankkredite bedienen müssen. Und schlielich kommt noch als wesentlicher Faktor das Papieröl hinzu. Das heißt Spekulationsgeschäfte auf den Ölpreis.
Gerne halte ich mich da an Empfehlungen von Analysten, Finanzmarktspezielisten oder Ölkoryphäen, wenn ich denn den Eindruck haben könnte, dass diese alle Parameter berücksichtigen uund richtig gewichten. Aber da schon ein Hurricane oder Krieg das alles umstoßen kann, lautet mein Schluss: Die Entwicklung des Ölpreises ist NICHT vorhersehbar. Als Investor setze ich daher mittel- und langfristig auf Ölproduzenten. Und zwar diejenigen, die nach meiner Meinung und meinem Risikoprofil am besten aufgestellt sind. Denn Ölproduzenten gibt es so lange wie Öl gebraucht und vorhanden ist!
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