Ich glaube auch, dass EUR/USD noch einmal deutlich unter 1,30 abtaucht, vermutlich bis in den Bereich von 1,25 bis 1,28. Grund sind die extrem vielen Longs in EUR/USD-Futures (10-Jahres-Hoch). Solange die noch im Markt sind, kann EUR/USD nicht weiter steigen, sonst würden ja alle Geld damit verdienen (Märkte sind bekanntlich gigantische Abstrafungsmaschinen für investierte Mehrheiten). Eine Ausnahme wäre nur ein "Big Bad Event" wie z. B. ein US-Derivate-Crash.
Geschieht nichts Ungewöhnliches, dürfte EUR/USD also in den nächsten Wochen und Monaten erst mal wieder fallen. Das entspricht auch der "Saisonalität" von EUR/USD, die meist um die Jahreswenden herum für Euro-Stärke sorgt (Manche vermuten, dass dies auf Hedging-Aktivitäten der Commercials um die Jahreswende zurückgeht).
Die weitere Entwicklung ab Sommer vorherzusagen finde ich sehr schwierig, weil der Devisenmarkt von Charttechnik, Vorurteilen, Fehlanalysen, Trivialitäten und Psychologie getrieben ist. Im Prinzip ist ALLES möglich.
Auch fundamental gibt es viele offene und zurzeit kaum klärbare Fragen. Würde der Zinsvorteil des Dollar sinken, weil die Dollar-Zinsen sinken, die Euro-Zinsen steigen (ist wahrscheinlicher) oder beides gleichzeitig, so schwächt dies den Dollar vermutlich. Man weiß aber nicht, inwieweit dies nicht schon (evtl. sogar übertrieben) eingepreist ist. Womöglich fällt der Euro trotz der erwarteten EU-Zinserhöhungen, weil der Zinsvorteil des Dollars am Ende größer bleibt als von den Euro-Longs erhofft (sell-the-news-reaction).
Langfristig glaube ich an eine sehr langsame Abwertung des Dollar zum Euro, die insgesamt 5 % über die nächsten 10 Jahre betragen könnte. Diese fünf Prozent beziehen sich aber nicht auf den aktuellen Kurs, sondern auf den mittleren Kurs der letzten Jahre. Das ist in etwa die Kaufkraftparität von 1,10. EUR/USD könnte also in 10 Jahren - nach riesigen Schwankungen zwischen 1,60 und 0,82, je nach Laune, Charttechnik und Psychologie - am Ende bei 1,16 stehen. So gesehen hätten wir bereits jetzt, bei 1,32, Schnäppchenkurse für einen längerfristigen Dollar-Einstieg.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Euro - nach einem Fall in den nächsten Wochen/Monaten - bis zum Jahresende 2007 wieder steigt, wobei das alte Hoch von 1,3650 getestet und evtl. überschritten werden könnte. Das ist aber keine Einbahnstraße, die zwangsläufig immer höher führt und bei 1,60 endet. In 10 Jahren könnte der Kurs wie gesagt wieder bei 1,16 stehen - vielleicht sogar bei 1,00, weil Italien inzwischen die Lire wieder eingeführt hat, weil Portugal und Griechenland aus der EU rausgeflogen sind, weil sie chronisch die Defizitkriterien verletzt haben, weil die EU-Verfassung auch im zweiten Anlauf in Frankreich und Holland nicht akzeptiert wird usw. usf.
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