Neuerdings hat auch Australiens Zentralbank negatives Eigenkapital.
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Geldpolitik Die drohenden Verluste der Zentralbanken
Die finanzielle Lage vieler Zentralbanken verschlechtert sich. Nicht überall sind die Puffer groß....
Die Leitzinsen der Zentralbanken steigen weiterhin – [wenn auch] nicht mehr so kräftig wie im bisherigen Jahresverlauf...
So hat die Europäische Zentralbank am Donnerstag zahlreiche Beobachter mit ihrer Betonung weiterhin signifikanter Inflationsgefahren überrascht. Zwar erwartet die EZB einen Rückgang der Inflationsrate in der Eurozone von 8,4 Prozent in diesem Jahr auf 6,3 Prozent im kommenden Jahr. Aber wenn die notwendigerweise sehr unsicheren Prognosen für die darauffolgenden Jahre von 3,4 Prozent für 2024 und 2,3 Prozent für 2025 einträten, dauerte es noch einige Zeit, bis die Inflationsrate ihr mittelfristiges Ziel von 2 Prozent wieder erreichte.
Die Geldpolitik kann noch keine Entwarnung signalisieren; dieser Befund gilt nicht nur für die Eurozone, sondern auch für andere Länder und Währungsräume....
Steigende Leitzinsen wirken über die Finanzbranche auf die gesamte Wirtschaft – aber sie wirken auch auf die Zentralbanken selbst. In den vergangenen Monaten haben mehrere Zentralbanken über Verluste berichtet oder auf bevorstehende Belastungen verwiesen.
So hat die Schweizerische Zentralbank für die ersten neun Monate des laufenden Jahres einen Verlust von 142,4 Milliarden Franken erlitten. Die Zentralbank in Australien kündigte für das laufende Jahr einen Buchverlust von 36,7 Milliarden Australischen Dollar an, der das Eigenkapital mehr als aufzehrt und den Ausweis eines negativen Eigenkapitals von 12,4 Milliarden Australischen Dollar zur Folge hat.
Ein privates Unternehmen wäre mit einem negativen Eigenkapital überschuldet, aber gilt dieser Befund auch für Zentralbanken? Der australische Gouverneur Philip Lowe sagte zwar beruhigend: „Dieses negative Eigenkapital beeinflusst weder die Geschäfte der Bank noch beschränkt es ihre Effizienz oder ihre Fähigkeit, ihre Geldpolitik auszuüben.“
[Es ist] angebracht, diesen Komplex nüchtern zu analysieren... Die erste Frage lautet: Woher stammen eventuell bis zur Aufzehrung von Reserven reichende Verluste von Zentralbanken, deren Geschäftszweck zwar nicht in der Gewinnmaximierung besteht, die aber zumeist Gewinn erzielen?
Von Ausnahmen abgesehen, liegt die Ursache in der Überwindung einer langen Niedrigzinsphase in Verbindung mit einer durch Wertpapierankaufprogramme und eine Kreditausweitung an Geschäftsbanken kräftig gewachsenen Bilanz der Zentralbanken. In diesen Bilanzen stehen den auf der Aktivseite verbuchten Wertpapierkäufen und Kreditvergaben an Geschäftsbanken auf der Passivseite Einlagen der Geschäftsbanken (sowie eine in der Regel kleine Position Eigenkapital) entgegen. Denn wenn eine Zentralbank von Banken Anleihen kauft oder Geschäftsbanken Kredit gibt, schreibt sie die Beträge den Geschäftsbanken auf deren bei der Zentralbank gehaltenen Einlagenkonten gut.
Die von Geschäftsbanken gehaltenen Einlagen werden von vielen Zentralbanken verzinst. Dieser Zinssatz war lange nahe Null und nicht nur in der EZB sogar vorübergehend negativ. Doch seitdem die Zentralbanken die Inflation bekämpfen, ist er wieder positiv geworden. Das heißt: Die Zentralbanken müssen auf die Einlagen der Geschäftsbanken Zinsen zahlen – und diese Einlagen sind in den vergangenen zehn Jahren kräftig gewachsen.
Dieser stark steigende Zinsaufwand wäre leicht zu stemmen, wenn gleichzeitig die Zinserträge der auf der Aktivseite der Bilanz verbuchten Anleihen entsprechend zulegten. Aber das tun sie kaum, weil es sich bei den dort gehaltenen Anleihen überwiegend um in der Negativ- und Nullzinsphase gekaufte Anleihen mit Festzins handelt. Da die Zinserträge nicht so rasch steigen wie der Zinsaufwand, stehen die Zentralbanken vor aus finanzieller Sicht schwierigen Geschäftsjahren.
So hat der Gouverneur der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, in einem Schreiben an seine Regierung vom 20. September 2022 die möglichen Zinsverluste der kommenden Jahre auf 9 Milliarden Euro geschätzt. Sollten die Leitzinsen der EZB stärker steigen als im Herbst erwartet, dürften die Risiken für das Zinsergebnis noch zunehmen.
Muss man sich um die Zentralbanken sorgen?
Vor der Erörterung der Folgen dieser Entwicklung bedarf es noch der Erwähnung weniger Sondereffekte. Entgegen einer gelegentlich zu hörenden Fehlwahrnehmung treffen die mit dem Zinsanstieg verbundenen Kursverluste älterer Anleihen die Bewertung der im Bestand der Zentralbanken gehaltenen Papiere mit einer Ausnahme nicht. Die meisten Zentralbanken orientieren sich bei der Bilanzierung dieser Anleihen nicht nach aktuellen Marktwerten. [A.L.: Das heißt sie ignorieren die Kursverluste der aufgekauften Anleihen]. Die Ausnahme ist die Zentralbank in Australien, deren hoher Verlust im laufenden Jahr sich überwiegend aus solchen Bewertungsverlusten erklärt.
Eine Sonderrolle spielt zudem die Schweizerische Nationalbank, die erhebliche Bestände an auf Euro und auf Dollar lautenden Wertpapieren aufgebaut hat, um eine unerwünschte Aufwertung des Franken zu bremsen. Die Nationalbank beschränkt sich auch nicht auf den Erwerb von Anleihen; ihr Portfolio erinnert eher an einen Staatsfonds, mit dem es häufiger verglichen wird. Daraus resultieren starke auch kurzfristige Bewertungsänderungen: Die Quartalsergebnisse der Nationalbank schwanken zwischen kräftigen Gewinnen und herben Verlusten.
...Verluste von Zentralbanken begründen nicht zwingend ein Drama. Aber sie sollten auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden – vor allem, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Denn solche Verluste können die Reputation einer Zentralbank – und, davon abgeleitet, auch die Reputation einer Währung – beschädigen, wenn die Öffentlichkeit aus der Nachricht einer bilanztechnischen Überschuldung einer Zentralbank auf einen Wertverlust der Währung schließt.
Kommt es, um den Reputationsverlust zu begrenzen, dann zu einer Rekapitalisierung der Zentralbank durch den Staat, mag dies die Unabhängigkeit der Zentralbank gegenüber der Regierung beschädigen. Diese Gefahr ist den Zentralbanken durchaus bewusst....
Bevor eine Zentralbank als Folge von Verlusten ein negatives Eigenkapital ausweist, verfügt sie über vorhandenes Eigenkapital als Puffer. Wie sieht es aktuell in der Eurozone aus? Hier ist zwischen der EZB im Frankfurter Osten und den nationalen Zentralbanken zu unterscheiden.
Für die EZB schreibt das Bankhaus Pictet: „Im Endeffekt verfügt die EZB dank früherer Gewinne über ausreichend große Puffer.“ Auf der Ebene der nationalen Zentralbanken ist die Lage sehr verschieden. Die Bundesbank hat in den Vorjahren Vorsorge über knapp 30 Milliarden Euro gebildet; aber das ist nicht die Regel. Die Analysten von Pictet halten es für möglich, dass die vor ein paar Wochen getroffene Entscheidung der EZB, den Geschäftsbanken Anreize für die vorzeitige Rückzahlung von Krediten anzubieten, auch getroffen wurde, um mit Blick auf künftige Verluste die Bilanz zu reduzieren.
Ob das reicht, ist nach dieser Analyse unklar: „Einige nationale Zentralbanken könnten unter politischem Druck rekapitalisiert werden – mit unsicheren Folgen für die EZB.“ Das Thema dürfte für einige Zeit auf der Tagesordnung bleiben.
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