Das Privileg der Lebensversicherung ist mal wieder in Gefahr Die Ausdauer des Götz Joachim Kuhlmann, pensionierter Oberstaatsanwalt aus dem Westfälischen, könnte zu einem Ärgernis für die Versicherungsbranche werden. Kuhlmann empfand es als ungerecht, auf seine Pension deutlich mehr Steuern zahlen zu müssen als ein Rentner auf seine Rente. Er bemühte mehrere Instanzen und trug seine Klage bis vors Bundesverfassungsgericht, das im März ein Urteil fällte: Die Richter sahen die gegenwärtige Regel als verfassungswidrig an und trugen dem Gesetzgeber auf, innerhalb von drei Jahren ein gerechteres System zu schaffen. Das Urteil löste ein großes öffentliches Echo aus, kein Wunder, gibt es doch mehr als 20 Millionen Rentner in Deutschland. Sofort gründete die Bundesregierung eine Kommission, die sich inzwischen mehrfach unter dem Vorsitz des Wirtschaftsweisen Bert Rürup getroffen hat. Etwas verspätet wird klar, dass diese Kommission – in der auch die Versicherungsbranche vertreten ist – sich keinesfalls nur darum kümmert, wie Renten und Pensionen zu besteuern sind. Die Experten sollen vielmehr ein Gesamtkonzept erstellen und auch die Kapitallebensversicherung einbeziehen, der Deutschen liebstes Vorsorgeprodukt, das der Staat traditionell nicht besteuert. Ein Privileg, das Vertreter am Sofatisch gerne erwähnen und das die Policen zu einer der wichtigsten Einnahmequellen der Branche macht.
„Wir sind dabei, uns sachkundiger zu machen, beschlossen wurde bislang noch nichts“, sagt Kommissionschef Rürup. Ändern würde sich, wenn überhaupt, nur etwas bei neuen Verträgen. Für bestehende Policen gelte „Vertrauensschutz“. Rürup soll im Januar 2003 der Regierung einen Bericht vorlegen, ab 2005 sollen neue Gesetze gelten.
Die Debatte dreht sich um die nachgelagerte Besteuerung: Wahrscheinlich wird die Kommission demnach schrittweise die Rentenbeiträge von der Steuer freistellen. Dafür werden die Bezüge im Alter steuerpflichtig – so wie bisher schon die Pensionen der Beamten.Diese Form der nachgelagerten Besteuerung soll, wenn es nach Rürup geht, für alle Formen der Altersvorsorge gelten. Was bedeutet das für die Lebensversicherung? Momentan können Kunden im Prinzip ihre Beiträge von der Steuer absetzen. Zumindest bei besser verdienenden Angestellten geschieht dies aber normalerweise nicht: Deren Beiträge zur gesetzlichen Rente liegen schon höher als der für Steuerfreibetrag, den das Finanzamt insgesamt für die Altersvorsorge einräumt.
Das entscheidende Privileg der Kapitallebensversicherung liegt aber darin, dass die Zinsen während der Laufzeit und später die Versicherungssumme meist steuerfrei sind. „Das macht Sinn, wenn der Staat will, dass die Menschen privat vorsorgen“, sagt Karl Panzer vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
An dieser Stelle aber wird die Debatte unscharf. Nach Rürups Ansicht dienen nur solche Produkte der Altersvorsorge, die das „biometrische Risiko der Langlebigkeit“ absichern. Kapitallebensversicherungen aber seien an eine Laufzeit, nicht ans Alter gebunden und deshalb „keine Antwort auf dieses Risiko“. Vor allem, wenn das Geld auf einen Schlag vor dem 60.Lebensjahr ausgezahlt wird, seien sie kaum als „genuines Altersvorsorgeprodukt“, sondern als Instrument der allgemeinen Vermögensbildung zu sehen. Folge: Die Policen fallen aus dem Steuerkonzept und würden Sparplänen gleichgestellt, deren Beiträge und Zinsen steuerpflichtig sind.
Das Finanzministerium warnt vor Unruhe: Die Kommission müsse erst Ergebnisse vorlegen, und diese müssten durch den politischen Entscheidungsprozess. In jedem Fall aber ist die Assekuranz dazu bereit, die Privilegien mit aller Macht zu verteidigen – wie vor drei Jahren, als der Finanzminister zuletzt daran rüttelte. SZ
|