Beim Daytrading gibt es vielerlei Probleme. Und das allerkleinste sind die Hochfrequenzcomputer. Deren Trades spielen sich in Mikrosekunden ab und sind deshalb eigentlich für den menschlichen Trader von vornherein unerheblich. Sie sind garnicht "sichtbar".
Die größten Probleme dürften ganz einfach sein, dass sich beim Daytrading heute zum einen die "sichtbaren" Vorgänge in Zeitrahmen abspielen die sich jenseits der Reaktionsfähigkeit menschlicher Trader bewegen, und dass die Computer ganz einfach so viel "noise" produzieren, dass man eigentlich mit der "klassischen" Chartmuster-Erkennung durch einen menschlichen Trader überhaupt nicht mehr zurechtkommt.
Beispiel: Als ich an der Börse angefangen habe, das war lange bevor der ganze Computerhandel solche Ausmaße hatte, war es z.B. gang und gäbe dass meinetwegen eine Aktie den ganzen Tag lang garnichts tat, aber dann wurde auf einmal die Intraday-Seitwärtsbewegung signifikant nach oben durchbrochen, meinetwegen weil es positive Nachrichten gab, was eigentlich ein Signal für einen menschlichen Trader ist, auf den Zug aufzuspringen. Man hatte bei diesem Newstrading sogar fast noch Zeit sich ne neue Tasse Kaffee zu holen bevor man auf "kaufen" geklickt hat, und konnte trotzdem fast sicher sein dass man den Großteil des Anstiegs mitmachen würde und mit einem guten Gewinn verkaufen konnte. Verkauft wurde halt, wenn die Indikatoren im Intraday-Chart langsam "heiß liefen". Relativ einfach, das ganze.
Heute aber ist es so, dass Trading-Computer vollautomatisiert Nachrichten durchforsten in der Millisekunde wo sie über den Ticker laufen, und dementsprechend all ihre Trades blitzschnell innerhalb von zwanzig, dreißig Sekunden mit sehr viel Geld machen. Dann sieht der menschliche Trader halt, oh super, die Aktie steigt gerade wie verrückt, da geh ich mal rein. Aber in dem Moment wo du als menschlicher Trader reingehst, ist die Show mit 90prozentiger Sicherheit schon wieder vorbei und die Aktie stagniert, oder wird sogar schon Minuten später vollautomatisch wieder unter den Ausbruchslevel zurückgeshortet. Selbst wenn sie eigentlich noch garnicht "überhitzt" war. Wie sollst du da noch hinterher kommen?
Außerdem gibt es viele Algorithmen am Markt, die mit viel billigem Geld im Hintergrund nur darauf programmiert sind, Aktienkurse "anzuhübschen" um besonders viele Trader anzulocken. Frühere Generationen von Trading-Algorithmen haben dann noch gesnifft ob auch tatsächlich "dumme" menschliche Trader eingestiegen sind, heute sind sie aber schon so weit dass sie auf mathematischen Modellen beruhen die mit 90prozentiger Sicherheit vorhersagen können wann möglichst viele Trader eingestiegen sind die man dann ruckzuck aus ihren Stopps rausschmeißen kann.
Und an der Charttechnik kann man sich deswegen auch nicht mehr orientieren. Früher war es so, dass meinetwegen ein 5-prozentiger bullisher Ausbruch aus einem Abwärts- oder Seitwärtskanal ein klar prozyklisches Zeichen war. Man konnte da nicht viel falsch machen, wenn man long aufgesprungen ist. Heute aber ziehen die Trading-Algorithmen eine Aktie erst fünf Prozent nach oben so dass alle einsteigen, und dann wird die Aktie wieder zurück in den vorherigen Trendkanal runterverkauft, so dass alle die long eingestiegen sind wieder aus ihren Stops rausfliegen.
Das ist übrigens heute auch der Grund, warum Stopps dir nicht mehr viel bringen. Du sagst damit den Trading-Computern im Grunde nur "Hallo hier, für diesen Preis könnt ihr meine Aktien haben!". Mag sein dass Stopps früher mal ihre Berechtigung hatten um sein eingesetztes Kapital vor Verlust zu schützen. Aber heute, bei dieser Volatilität, ist es eigentlich regelmässig so dass am Markt alle Stopps wie mit dem Staubsauger abgesaugt werden von den Computern (ganz extrem hatten wir das z.B. im Frühjahr/Sommer 2014 beim DAX). Auf den einzelnen Trade gerechnet hast du vielleicht immer noch einen Großteil deines Geldes gerettet durch einen stop loss, aber wenn du 20 mal hintereinander ausgestoppt wirst ist dein Geld auch futsch.
Naja, und DANN, wenn wirklich alle ausgestoppt sind, blasen die Algorithmen auch noch zum Angriff und die Aktie bricht wirklich nachhaltig nach oben aus. Bis sich die menschlichen Anleger wieder "berappelt" haben und wieder long gehen, und an dem Punkt geht das Spiel dann wieder von vorn los.
Du siehst was das Problem ist. Durch die Trading-Algorithmen ist das (Day-)Trading ganz einfach zu einem ewigen Hase und Igel-Spiel zwischen den Computern und menschlichen Tradern geworden, welches menschliche Trader schlicht und einfach nicht gewinnen können. Früher gab es an der Börse zwar auch "Lug und Trug", aber selbst hundert professionelle menschliche Trader mit Millionen an "Spielgeld" konnten die Kurse nicht mit so extremer Regelmässigkeit und Treffsicherheit hin- und herschubsen um andere auszutricksen. Weil Menschen ganz einfach nicht die Informationsverarbeitungs- und Reaktionskapazität haben wie Computer.
Wie kann man also dieses System "schlagen"? Nun, in der Investitionstheorie gibt es immer auch die sog. Null-Alternative. Das ist die Alternative, dass du garnicht erst - zumindest in diesem Zeitfenster - investierst und in den Markt reingehst. Angesichts der Zustände im Daytrading-Geschäft heutzutage ist sogar davon auszugehen, dass die Null-Alternative mittelfristig IMMER die einzige ohne größere Verluste ist.
Und: Je länger der Betrachtungszeitraum, desto unwichtiger werden diese ganzen Trading-Algorithmen. Betrachte ich eine Aktie nicht auf Minuten-, Stunden- oder Tagessicht sondern frage mich was diese Aktie in den letzten Monaten oder sogar Jahren gemacht hat und was sie in der nahen Zukunft machen könnte und nehme mir Fundamentaldaten zu Hilfe, dann sieht die Situation ganz anders aus. Trading-Algorithmen können zwar eine Aktie zwischendurch mal ein paar Tage lang 20 Prozent in die eine oder andere Richtung schubsen. Aber auf der Ebene von Monaten und Jahren sind sie unerheblich. Das ist einfach nicht das Zeitfenster in dem sie aktiv sind. Und der Erfolg gibt denen recht die sich daran halten; es gibt nahezu niemanden der "über Nacht reich" geworden ist an der Börse. Den allermeisten Anlegern die nachhaltig Erfolg an der Börse hatten gelang dies NUR durch einen längerfristigen Anlagehorizont.
In diesem Sinne... freuen wir uns auf bald wieder steigende Kurse bei Osram...
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