Sind sie Nazis?
Eine Kolumne von Susanne Beyer Wer die Alternative für Deutschland richtig einschätzen möchte, sollte sich mit der NS-Geschichte beschäftigen. Denn wir stehen wieder an einem Scheideweg. 09.02.2025, 09.46 Uhr
»Warum verdrehen Sie die Augen?«, fragte Caren Miosga ihren Gast Alice Weidel in ihrer Sendung.
»Mach ich nicht«, antwortete die AfD-Chefin.
Doch, hat sie gemacht. Es ging in der Sendung um den »Tabubruch«, darum also, dass der CDU-Chef Friedrich Merz einen Antrag für eine verschärfte Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durch den Bundestag gebracht hat. Im konkreten Moment aber, als Weidels Augäpfel um einige Millimeter nach oben rollten, ging es um die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, die kurz vor dem Merz-Manöver im Bundestag stattgefunden hatte. Weidel ahnte wohl schon, dass es wieder um ihre Partei und den Nationalsozialismus gehen würde. Sie wehrte sich: »Diese ganze Holocaust-Anheftung an die AfD ist nicht nur falsch, sie ist auch noch absolut geschichtsvergessen und nervtötend.«
Nun trägt die Partei einiges zu dieser »Anheftung« bei, aber hier soll die Frage gestellt werden, ob es in Ordnung ist, die AfD mit den Nazis gleichzusetzen.
Erst einmal hat Alice Weidel recht. Es wäre geschichtsvergessen, das zu tun, denn es würde die Nazis verharmlosen und damit vor allem das Leid ihrer Millionen Opfer. Und dass sich Geschichte nie genauso wiederholt, wie sie sich schon einmal ereignet hat, ist eine Binsenweisheit.
Trotzdem spricht viel dafür, sich anzusehen, wie Geschichte verlaufen kann, und daraus Schlüsse zu ziehen.
Dass Adolf Hitler an die Macht kam, war keineswegs eine zwangsläufige Entwicklung.
Dass Adolf Hitler 1933 die Macht übernahm, war keineswegs eine zwangsläufige Entwicklung, die irgendwann in der Kaiserzeit begann und sich in der Weimarer Republik weiter vollzog. Die Historikerin Hedwig Richter beschreibt in ihrem Buch »Aufbruch in die Moderne« die Kaiserzeit zwar als autoritäre Epoche, weist aber auch auf reformerische Kräfte hin. Der Historiker Volker Ullrich beschreibt in seinem Buch »Schicksalsstunden der Demokratie« wiederum das Scheitern der Weimarer Republik als »aufhaltsam«. Wären Weichen anders gestellt worden, hätte das Schlimmste vielleicht verhindert werden können.
Unterschiedliche Faktoren führten dazu, dass die Nazis eben doch durchkamen: Hier ein uralter Reichspräsident, der erst zögerte und Hitler dann doch als Reichskanzler einsetzte, dort Industrielle, die sich von den Nazis Vorteile erhofften, da ein Zufall, dort eine falsche Entscheidung.
Wer Geschichte so betrachtet, muss in AfD-Anhängern keine Wiedergänger der Nazis sehen, um die Partei für gefährlich zu halten – ihre in Teilen extrem rechte Ausrichtung ist ein Faktor unter vielen, die sich gegenseitig negativ verstärken könnten.
Man muss nur mal nüchtern betrachten, was da zurzeit für Kräfte ineinanderwirken: Hier führt ein russischer Präsident Krieg und betreibt Desinformation. Dort unterstützt ein Techmilliardär einen irrlichternden US-Präsidenten und die AfD. Und in vielen Ländern der Welt feiern Rechtsaußenparteien Erfolge. Die Lage könnte explosiv werden. Wenn auch auf andere Weise als vor rund neunzig Jahren. Und ein schwankender CDU-Chef muss nicht, aber kann viel Schaden anrichten."
https://archive.is/Dmul6 https://www.spiegel.de/politik/...828d463-a688-4a29-b4b6-0519d95dc4a8
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