Unternehmensanleihen Der Verschuldungsboom macht nervös
Von Steve Rosenbush 09. März 2007
Der gegenwärtige Boom bei Fusionen und Übernahmen ist in fast jeder Hinsicht außergewöhnlich. Der Wert des Fusions- und Übernahmemarktes stieg 2006 um rund 30 Prozent auf die Rekordhöhe von vier Billionen Dollar, und einige Analysten rechnen für 2007 mit einem weiteren Rekordjahr.
Gute Nachrichten also für viele Marktteilnehmer, insbesondere für Private-Equity-Gesellschaften an der Spitze der Expansionswelle. Finanzexperten sind jedoch schnell mit dem Hinweis bei der Hand, dass auf jeden Boom eine Krise folgt. Und selbst wenn dies nicht immer zutrifft, steckt darin genug Wahrheitsgehalt, um jeden Profiteur des jüngsten Fusions- und Übernahmebooms Anlass zum Innehalten zu geben.
Zeichen des Niedergangs
Und es gibt viele Belege für die Theorie des Boom-Bust-Zyklus. Das Wachstum der Übernahmeaktivitäten und des amerikanischen Sparkassensektors in den Achtzigern sowie der Telekom- und Internetmärkte in den Neunzigern nahmen jeweils ein jähes Ende.
Der gegenwärtige Boom dürfte zwar noch bis ins Jahr 2008 hinein anhalten, was einige Experten indes nicht davon abhält, die Daten bereits nach Frühindikatoren bevorstehender Schwierigkeiten zu durchleuchten. Analysten der Ratingagentur Standard & Poor's warnten davor, dass sich die Zunahme der Fusions- und Übernahmeaktivitäten in vielen Wirtschaftssektoren negativ auf die Kreditqualität auswirke.
Das Risiko besteht darin, dass hochverschuldete Unternehmen ihre Flexibilität verlieren, strategisch wichtige Akquisitionen oder Beteiligungen vorzunehmen. Einige könnten Probleme bei der Schuldenrückzahlung bekommen, sobald der Konjunkturmotor ins Stottern gerät.
Anschlussfinanzierungen sind das größte Problem
Das vielleicht größte Risiko sind die in einigen Jahren fälligen hohen Tilgungsleistungen. Jetzt wird noch davon ausgegangen, dass die Zinsen weiter niedrig bleiben und die Unternehmen ihre Schulden refinanzieren können, oder dass sie weiterverkauft oder an die Börse gebracht werden. Wenn sich diese Annahmen allerdings als falsch erweisen, müssten sich Unternehmen unter Umständen zu höheren Zinssätzen refinanzieren, wodurch ihr Cashflow geschwächt oder sogar ihre Zahlungsfähigkeit bedroht werden könnte.
„Es werden negative Folgen eintreten“, mahnte die Agentur in ihrem Bericht und warnte, dass der eigene Rating-Service „erwartet, dass viele dieser Transaktionen nachteilige Auswirkungen auf die Kreditqualität haben werden“.
Im vergangenen Jahr resultierten sechs der zehn größten Transaktionen in Rating-Herabstufungen oder darin, dass Unternehmen auf die Beobachtungsliste mit negativem Ausblick gesetzt wurden. Dies traf etwa auf die 89,4 Milliarden Dollar schwere Übernahme von BellSouth durch AT&T zu. Das Rating von AT&T wurde auf die Beobachtungsliste gesetzt, genau wie jenes des amerikanischen Krankenhausbetreibers HCA nach dessen Übernahme durch die Blackstone Group mit einem Volumen von 32 Milliarden Dollar.
Preise, Hebel und Verschuldung steigen
Während Großunternehmen wie AT&T durch eine leichte Herabstufung ihrer Investment-Grade-Anleihen wahrscheinlich wenig Schaden nehmen, handelt es sich bei der Mehrheit der Übernahmekandidaten um kleinere Unternehmen, die nicht über die Finanzressourcen eines Giganten wie AT&T verfügen.
Und Private Equity wächst. Nach Angaben des Datenanbieters Thomson Financial machte Private Equity im Jahr 2006 20 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens aus, während der Anteil 2005 noch bei 13 Prozent lag. Der prozentuale Anteil fremdfinanzierter Transaktionen stieg auf 57 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit vielen Jahren. Dies reicht zwar nicht an den 1998 verzeichneten Rekordanteil von 71 Prozent heran, stellt jedoch einen Rekord in absoluten Zahlen dar. „Im Jahr 2006 liehen sich Käufer 273,5 Milliarden Dollar für Fusionen und Übernahmen, mehr als das Doppelte der Vorjahressumme und ein Drittel mehr als die 182,5 Milliarden Dollar im Jahr 1998“, so S&P.
Der Wettbewerb bei Übernahmen nimmt zu, was auch die Preise der Übernahmekandidaten in die Höhe treibt. Private-Equity-Gesellschaften, die bereits Fremdkapital zur Steigerung ihrer Erträge einsetzen, bedienen sich zusehends höherer Fremdkapitalhebel zur Finanzierung kostspieliger Transaktionen. Das Verhältnis von Schulden zu Ebitda bei fremdfinanzierten Übernahmen, etwa bei der 16 Milliarden Dollar schweren Übernahme des amerikanischen Halbleiterherstellers Freescale, beträgt sechs oder mehr. Einige Jahre zuvor lagen diese Verhältniswerte in der Regel noch zwischen drei und vier.
Einige Private-Equity-Investoren räumen die hohe Verschuldung ein und stimmen zu, dass eine niedrigere Bonität zu Problemen führen könnte. „Ich denke, dass S&P Recht hat“, sagt Michael Chu, Mitgründer der amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Catterton Partners, die sich vor allem auf dem Konsumgütermarkt engagiert. Seinen Angaben zufolge hält Chatterton die Schulden für gewöhnlich in einer Höhe, die lediglich dem Zweifachen des Ebitda entspricht.
REITs und Technologie besonders risikoanfällig
Nicht alle stimmen darin überein, dass die Schulden und Bonitätsprobleme erhebliche Risiken darstellen. „Es stimmt, dass das Risiko steigt, wenn sich die Kreditqualität verschlechtert, doch die meisten Kreditausfälle spiegeln ein fundamentales Problem mit der Transaktion selbst wider. Ein schlechter Deal geht nach hinten los, häufig unabhängig vom Schuldenstand“, so Phillip Phan, Professor für Management an der Lally School of Management des Rensselaer Polytechnic Institute.
Einige Branchen sind risikoanfälliger als andere. So könnten etwa die Akteure börsennotierter Immobilienfonds (REITs) mit steigenden Risiken rechnen, wenn REITs als Käufer anderer Fonds auftreten und nicht nur als Übernahmekandidaten fungieren, meint S&P. Transaktionen in den Bereichen Telekom und Technologie könnten riskanter werden, da Überkapazitäten auf die Margen drücken und den für die Schuldenrückzahlung benötigten Cashflow verringern.
Bislang ist das Niveau notleidender Kredite und Kreditausfälle noch gering. Vor dem Hintergrund der in der jüngeren Geschichte erfolgten Boom-Bust-Zyklen bei Telekommunikation, Sparkassen und anderen Branchen achten vorsichtige Skeptiker indes auf erste Anzeichen von Problemen auf dem Höhepunkt des boomenden Fusions- und Übernahmemarktes. http://www.faz.net/s/Rub034D6E2A72C942018B05D0420E6C9831/ Doc~EFDD0B422BE764ED1BDB3647CE24614B1~ATpl~Ecommon~Scontent.html
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