Militär im PolizeieinsatzAufklären und terrorisieren: Bundeswehr leistet zum G-8-Gipfel weit mehr als »Amtshilfe«. Linksfraktion droht mit parlamentarischem NachspielVon Frank Brendle Wo bleiben die Demonstranten? Die Bundeswehr spioniert rund um Rostock-Laage für die PolizeiFoto: dpa |
Die Bundeswehr probt zum G-8-Gipfel mit massiver Präsenz den Inlandseinsatz. Unter dem Tarnbegriff der »technischen Amtshilfe« arbeitet sie nicht nur der Polizei zu, sondern übernimmt selbst klassische Polizeiaufgaben wie die Erstellung von Lagebildern.
Wer in diesen Tagen auf der Autobahn in Richtung Rostock unterwegs ist, kann die zahlreichen Panzerwagen am Straßenrand und auf den Brücken gar nicht übersehen. In Bad Doberan ist das Krankenhaus von Feldjägern umzingelt, und die Teilnehmer der Blockadeaktionen berichten von Militärhubschraubern, die über ihren Köpfen fliegen. Auch die Camps der Gipfelgegner wurden nach jW-Informationen von Tieffliegern der Bundeswehr terrorisiert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, warf Innenminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) am Donnerstag vor, »ihre Vorstellungen für einen Bundeswehreinsatz im Inneren am Bundestag vorbei in die Tat umzusetzen«.
Die Marine richtete gestern erneut einen See-Shuttle für Journalisten ein, nachdem die Bäderbahn wieder blockiert worden war, die für den Transport von Medienvertretern zum Tagungsort vorgesehen ist. Außerdem wurden Gipfelteilnehmer vom Flughafen Rostock-Laage nach Heiligendamm geflogen. Der Einsatz beschränke sich auf drei Hubschrauber des Typs CH 53, so ein Sprecher der Wehrbereichsverwaltung Kiel. Außerdem habe am Mittwoch ein Hubschrauber sowohl verletzte Polizisten als auch Demonstranten ins Krankenhaus geflogen. Teilnehmer der Proteste, die am Mittwoch und Donnerstag zeitweise bis unmittelbar an den Sperrzaun vorgedrungen waren, berichteten allerdings, ihnen seien weit mehr als drei Hubschrauber aufgefallen, die mit den Worten »Heer« sowie »Luftwaffe« markiert gewesen seien. Diese hätten offenkundig die Blockaden beobachtet, um die Bilder an die Polizei weiterzugeben.
Zahlreiche Demonstranten und Medienvertreter berichteten außerdem, sie hätten gepanzerte Transportfahrzeuge der Bundeswehr beobachtet. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Auf die Frage, ob die Bundeswehr auch Polizisten befördere, reagierte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums ausweichend: »Natürlich können wir im Wege der Amtshilfe Einsatzkräfte von A nach B bringen.« Er könne aber nicht sagen, ob oder in welchem Umfang das geschehen sei. Die Feldjäger in Bad Doberan dienten nur dem Schutz der dort eingesetzten Sanitätskompanie. Wie hoch deren Schutzbedürfnis sei und wie viele Feldjäger an welchen Orten überhaupt im Einsatz seien, dazu gab es keine Auskunft.
Der Militärsprecher bestätigte aber, daß entlang der Autobahn Panzerspähwagen des Typs »Fennek« im Einsatz seien. Diese erstellten im Auftrag der Polizei Lagebilder. Die Anzahl dieser Panzerwagen wurde nicht verraten, Augenzeugen zufolge handelt es sich mindestens um ein Dutzend. Mit ihrer Technik können »Bummelstaus« genauso identifiziert werden wie Reisebusse mit potentiellen Demonstranten. Das wäre eigentlich Aufgabe der Polizei, auf deren Einsatzgestaltung die Bundeswehr nun selbst direkten Einfluß nimmt. Mit »logistischer Unterstützung« und »Amtshilfe«, die das Militär laut Artikel 35 des Grundgesetzes in Friedenszeiten leisten darf, hat das nicht mehr viel zu tun. Die Linksfraktion wirft der Regierung vor, den Bundestag über den wirklichen Umfang des Militäreinsatzes rund um Heiligendamm belogen zu haben und kündigte ein parlamentarisches Nachspiel... ZITAT ENDE http://www.jungewelt.de/2007/06-08/001.php
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