Mit über 10 Jahre Businesserfahrung kann ich mich dazu äußern.
Also: Gas ist im Moment knapp. In Afrika befinden sich diverse LNG Projekte in längeren Outtakes, Australien hatte durch Covid viel verschoben und gecancelt. Asien zieht auf Rekordniveau => u.a. durch die Chipkrise, in China war zuletzt bei schwachen Wind das Netz nahe am Kollaps. Kohle auf Rekordniveau. Russland kann kurzfristig auch nicht mehr liefern, selbst wenn Nordstream II sofort ans Netz ginge (was aber auch ohne pol. Restriktionen nicht geht, es sind noch diverse technische und kommerzielle Punkte abzuarbeiten, u.a. Drucktests, Sicherheitstestat etc.) USA exportiert LNG auf Rekordlevel, was alles Asien absaugt, aufgrund des weiterhin stagnierenden Share Nils fehlt als Upside das billige Begleitgas. In der Tat kämpft die USA darum, ihre eigenen Speicher auf Winterlevel zu bekommen, also wenn droht hier sogar ein Eingriff oder ein massives Preissignal.
In Europa, insbesondere Deutschland haben wir kaum Alternativen als die Preise zu zahlen, da wir im Strom kaum noch Redundanzen haben, erst Abbauen dann aufbauen ist halt ein schlechter Plan. Das hat man letzte Woche erlebt, Ausfälle in England (ein Gasterminal plus Atomkraftwerke) hat den Preis innerhalb von zwei Tagen fast 25 Euro , das sind 50%, nach oben geschickt. Die Stündlichen Schwankungen waren zu groß wie letztes Jahr im Sommer der absolute Gaspreis, der sich mittlerweile fast verfünfzehnfacht hat. Abbhilfe ist für die nächsten Monate vermutlich, wenn keine Wunder geschehen, nur durch das Wetter möglich, was aber bedeutet, wenn der Winter auf der Nordhalbkugel kalt starten, dass wir noch ganz andere Dimensionen sehen könnten. Im Moment mag ich nicht voraussagen, was passieren würde, wenn ausgerechnet dieser Winter ein arktischer Kaltwinter in Europa wird. Kurzfristig könnten wir die Niederlande die stillgelegten Groningen Produktionen unter der vorgesehenen Notfallverortung hochfahren, aber sonst...
Jetzt haben zwar Düngemittelhersteller (u.a. Yara angekündigt), sie wollen die Produktion drastisch kürzen, weil sie die Preise nicht durchsetzen können. Das ist aber Mengentechnisch irrelevant und es ist wie oben geschreiben in der sowieso engen Versorgungslage kaum denkbar, dass Strom, Prozesschemie, Stahl etc. das gleiche machen,
Langfristig gibt es Experten, die denken, dass die Outtakes der Afrikaner plus das Widerhochfahren diverse Investitionen im LNG die Bilanz schließen und sogar wieder einen Angebotsüberschuss herstellt (den es i.d.R. aber auch braucht, damit der Markt stabil läuft). Aber der Rest ist der Winter. Ein warmer Winter mit einem Regimewechsel dürfte einen massiven Preissturz begünstigen, wobei selbst wenn der Preis um 70% fiele würden wir an Level stoßen, die bislang eigentlich historisch zu den hohen Preisen gehörte. Die Gasindustrie ist eigentlich auf Preise um die 20 Euro/MWh geeicht, das sind wir ja nun massiv von entfernt.
Es zeigt auch im Gas (Öl gleiches) was passiert, wenn die Investitionen fallen. Das Angebot wird sehr viel schneller zusammensinken als die Nachfrage, deren Veränderung Jahre, wenn nicht Jahrzehnte braucht. Die Lösungen in vielen Bereichen (grüne Chemie, Schiffsmethanol/Ammoniak, grüner Wasserstoff) sind noch weit davon entfernt, Wucht zu entwickeln. Das grüne Wasserstoffziel 2030 in Deutschland reicht zum Beispiel in Energie nicht mal aus, den Energiebedarf der oben genannten Yara zu decken. Eines einzigen, zugegeben großen, energieintensiven Unternehmens. Dafür müssen wir Energie in der Größenordnung mindestens 3 Megaofffshore Windparks aufbringen.
Fakt ist sogar, dass der Bedarf der Erdgasproduktion steigen kann, wenn man den Wasserstoff hochzieht und wegen des Kakapzitätsthemas auf decarbonisierten erdgasbasierten Wasserstoff (türkis) setzt, da man dort einen Wirkungsgradverlust hat. Dabei wird ohne schrittweise Erhöhung der Investitionen die Gasproduktion /Öl dito) sinken, da die neuen Ressourcen (z.B. arktische Nordsee) immer teurer in der Exploration/Produktion werden.
Wenn kann man da nehmen: In Europa sind sicher die big 4 (Equinor, Shell, Total und auch noch, obwohl sie ja angeblich nicht mehr investieren wollen, BP) interessant, sicher auch ein paar der zweiten Reihe (OMW, wintershalldea, wenn die denn je an die Börse kommen). Aker BP ist hinter Equinor 2021 nach meinem Wissen der zweitgrößte Investor in Norwegen. Natürlich kann man Gazprom nehmen, da hat man aber einen ADR und das ganze pol. Risiko an Bord. Equinor habe ich leider verschlafen, aber bei den anderen drei großen bin ich schwer mit dabei. Und aufgrund der guten Dividenden kann man dort auch wirklich in Ruhe warten, bis die Bewertungen wieder die Realität Wiederspiegel und allen klar wird, dass gasbasierte Unternehmen die goldenen Jahre imho noch vor sich haben. Selbst die reinen Ölwerte würde ich noch nicht so schnell abschreiben, aber Öl könnte es in der Tat schwerer treffen, da Öl in der Energiewende kein Korrektiv wie Gas hat wo mit Türkisen, blauen Wasserstoff und CCS Lösungen vielleicht nicht populäre und perfekte , aber dann doch realistisch umsetzbare Lösungsstrecken für das Emissionsproblem existieren. Gerade die türkise Lösung (i.e. Zerlegung von Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff) ist eine unterschätze Lösung, da der feste Kohlenstoff im schlimmsten Fall problemlos einlagebar ist (anders als CCS) aber auch in diversen Industrieprozessen nutzbar ist und dort sekundäre Co2 Einsparungen ermöglicht.
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