SONYS ABSCHIED VON PALMSOURCE
Stirbt der PDA aus?
Mit dem Ausstieg von Sony aus dem Handheld-Markt verliert der PDA-Vorreiter PalmSource einen der wichtigsten Partner. Die Trennung verläuft gütlich, weil der Schritt ein Zeichen der Zeit ist: Moderne PDAs sind nicht nur handlich, sondern Handys.
Gute Kritiken, sinkender Erfolg: Sony zieht sich Stück für Stück aus dem PDA-Markt zurück Es ist ein Rückzug auf Raten: Sony teilte gestern in einer Pressemitteilung mit, dass das Unternehmen seine Clie-Produktreihe von Personal Digital Assistens (PDAs) in den USA nicht mehr anbieten werde. In Japan soll der Verkauf noch weitergehen, doch der Schritt dürfte einen grundsätzlichen strategischen Wechsel signalisieren: Zwar ist Sony neuesten Zahlen zufolge noch der achtgrößte Hersteller von PDAs weltweit, doch die Verkaufszahlen fallen weiter scharf.
"Sony", hieß es in der Pressemitteilung, "überdenkt seine Strategie im konventionellen Handheld-Markt". Was das heißt, pfeiffen seit Monaten die Spatzen von den Dächern: Nach zwei Jahren stetig fallender Verkaufszahlen beginnt der PDA-Markt ernstlich zu bröckeln. Mehrere Hersteller ziehen Branchengerüchten zufolge derzeit den Schritt in Betracht, sich aus dem PDA-Geschäft zurückzuziehen.
Kein Wunder, denn die flachen Organizer werden rechts und links von neuen Smart Devices überholt. Was boomt, ist der Verkauf von Smartphones - Handys, die vieles von dem können, was PDAs zu bieten haben und mehr. Die grundsätzlichen Fähigkeiten des PDA als Termin-Organizer und Adressdatenbank sind auch im Handymarkt längst Standard. Dass etwa Windows Pocket PCs nebenbei noch "Mini-PC" sein wollen, ist ein Gimmick, der zunehmend als nett, aber weniger als notwendig wahrgenommen wird.
Da verwundert es kaum, dass PalmSource, Softwarepartner von Sony, zum Abschied mit den Zähnen knirscht, aber immerhin lächelt. Was bleibt auch sonst? Mit Sony verabschiedet sich der letzte große Partner, der bei PalmSource immerhin für zwölf Prozent des Gesamtumsatzes gut ist. Jetzt hofft PalmSource darauf, eben in Zukunft wieder Geschäfte mit Sony machen zu können - wenn es denn sein muss, auf einer neuen "smarten" Technikplattform, mit neuen Produkten.
PDAs verlieren ihren Sexappeal
Sonys Schritt mag überraschen, zu verstehen ist er. Die Verkaufszahlen des ersten Quartals 2004 weisen einen Rückgang von 45 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres auf - das ist heftig. In Japan hingegen hält Sony nach wie vor mehr als 50 Prozent des Marktes. Die Entscheidung, dort mit dem Clie weiter zu machen, zeigt einen weiteren Trend auf: Zunehmend beherrschen "lokale Champions" regionale Märkte.
Zur Hochzeit des Dotcom-Booms waren PDAs prestigeträchtige Verkaufsschlager. Heute sehen sie sich von Smartphones nicht zuletzt deshalb überholt, weil den PDA-Entwicklern schlicht nichts mehr einfallen wollte, ihr Produkt weiter aufzuwerten. Die Geräte wurden kleiner, schicker, leistungsfähiger in dem, was sie konnten. Einen echten Zuwachs an Funktionen erlebten sie in den letzten Jahren nicht.
Anders das Handy. Das mobile Telefon bietet heute nicht nur Kalenderfunktionen, Terminplaner und Adressdatenbanken, sondern auch Kameras, Internet- und E-Mail-Möglichkeiten und - mit den langsam in Fahrt kommenden 3G-Geräten - auch Gadgets wie Musikdownload, Nachrichten- und Filmdienste. In der Pipeline sind Geräte, die ganz pragmatisch nebenbei Radio- oder digitale DVBT-Fernsehsignale verarbeiten können.
Per Geldspritze an die Spitze
Der Gut-Könner PDA muss sich also am Alleskönner Handy reiben, und dabei verliert er. Bereits im letzten Jahr überholten die Verkaufszahlen von Smartphones (13 Millionen) weltweit erstmals die von PDAs (11 Millionen) - und der Boom hatte noch gar nicht richtig begonnen. Für dieses Jahr erwartet das Marktforschungsunternehmen IDC eine Verdoppelung der Verkaufszahlen, was kaum übertrieben sein dürfte: Immerhin hat der Gesamtmarkt der Handys angeblich ein Volumen von rund 500 Millionen verkauften Geräten im Jahr.
Zu zusätzlichen Wettbewerbsvorteilen verhelfen den Smartphones die Vermarktungsstrategien der Mobilfunkbetreiber. Die haben vor Jahren exorbitante Summen für ihre 3G-Lizenzen (in Europa heißen die UMTS) hingelegt und bluten und leiden weiter daran: Der Aufbau der Infrastruktur verschlingt Milliarden.
Da muss man nachhelfen, um die nötige kritische Masse zu erreichen. Also kostet das normalerweise rund tausend Euro teure UMTS-Handy Samsung Z105 bei Vodafone "gesponsored" 299 Euro, darum macht T-Mobile das rund 600 Euro kostende Nokia-Fun-Ei 7600 mit 199 Euro bezahlbar. Bei Mobilcom kostet das Ding derzeit so viel wie ein Schokoriegel: 1 Euro.
Warum, denkt sich der Verbraucher da, sollte man Hunderte von Euros für einen PDA ausgeben, wenn die Telekommunikationsfirmen mit subventionierten Smartphones um sich werfen? Telefonieren kann man mit den bunten Quäk-Kisten nebenbei ja auch noch.
Was dem klassischen PDA fehlt, ist ein Spaßfaktor, und genau daran bastelt Sony nun. Mit Partner Ericsson warf Sony vor kurzem das Z1010 auf den Markt - ein erstes UMTS-Smartphone, das neben diversen Spaß- natürlich auch Internet- und Organizer-Funktionen bietet. "Wir wurden nicht überrascht durch Sonys Ankündigung, sich zurückzuziehen", kommentierte da David A. Limp von PalmSource, "man sieht ja die Trends".
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