Von Benjamin Prüfer
Seit einer Woche ist Videotelefonie für alle deutschen Mobilfunkkunden verfügbar - wenn Sie das passende Handy haben. Was ist übrig geblieben vom Star-Trek-Traum?
Beim ersten Bildtelefonat fühlt man sich an die alten Star-Trek-Folgen mit Captain Jean Luc Picard erinnert - und zwar an die regelmäßig wiederkehrenden Szenen, in denen er auf seinem Schirm den letzten Hilferuf eines Sternenflotten-Raumschiffs empfängt. Ein bleiches Gesicht, die Züge vom Weitwinkelobjektiv verzerrt, Pixel zerteilen das Bild. Dann: nur noch Flimmern, das das Ende der Konversation infolge des Ablebens des Gesprächspartners signalisiert. Zurück bleibt ein betroffener Jean Luc, der sich mit Wir-müssen-was-tun-Blick zu seiner Mannschaft umdreht.
Captain Picard verdanken wir die Faszination der Bildtelefonie. Kam in den letzten Jahren die Frage auf, wozu UMTS eigentlich gut sein soll, verwiesen die Mobilfunkprovider auf diese "Killerapplikation", die noch immer eine Aura von Zukunft, Science-Fiction und vor allem Star Trek umgibt. Im diesjährigen Vorweihnachtsgeschäft soll sie den Durchbruch für den Buntfunk bringen. Schon seit Mai bietet Vodafone Videofonie im UMTS-Netz an. E-Plus folgte Mitte August, O2 im September. Letzte Woche gab auch T-Mobile den neuen Service frei - nun ist er für alle deutschen Mobilfunkkunden verfügbar. Den Startschuss für die Weihnachts-Offensive gab Vodafone, das im November sieben UMTS-Handys ankündigte. Vodafones Flaggschiff ist das V800 von SonyEricsson, T-Mobile setzt vor allem auf das das Samsung Z107.
Der Rufaufbau gelingt bei allen Geräten so einfach wie auf der Enterprise: Sobald man zum Beispiel beim Samsung eine Telefonnummer eingibt oder das Adressbuch durchsucht, und wenn man UMTS-Empfang hat, erscheint ein Softkey "V-Anruf". Drückt man diesen, sieht der Gesprächspartner die Taste "Mich zeigen". Niemand muss sich also sorgen, von einem Videoanruf in einer unpassenden Situation erwischt zu werden. Die Handys sind mit einer drehbaren Kamera ausgerüstet, die in das Klappgelenk eingearbeitet ist. Sie kann auf die Umgebung oder auf sich selbst gerichtet werden. Eine spezielle SIM-Karte ist nicht notwendig.
Beim V800 und beim Z107 stellt man einen großen Qualitätssprung gegenüber den Vorgängern Z1010 und Z105 fest. Bei denen musste der Nutzer noch eine Sprachverzögerung von bis zu zwei Sekunden hinnehmen. Die fällt nun nicht weiter auf - allerdings schaffen es die Mobilfunkgeräte noch nicht, Ton und Bild synchron darzustellen. Die Funkerei via UMTS ermöglicht Empfang mit einer Geschwindigkeit von 384 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) - allerdings können Daten nur mit 64 kbit/s gesendet werden. So können Videotelefonate höchstens mit einer Datenrate geführt werden, die der eines ISDN-Anschlusses entspricht.
Die Videotelefonie ist somit eine unterhaltsame Zusatzfunktion, die bestimmt häufig an Heiligabend oder Silvester genutzt werden wird. Im Alltag wird man sich eher selten die Mühe machen, in die Kamera zu gestikulieren.
Außerdem ist es deutlich teurer als ein normales Gespräch: Eine Video-Übertragung ins eigene Netz wird nach Ablauf der Einführungsphasen bei Vodafone, T-Mobile und E-Plus 0,80 Euro pro Minute kosten, bei Verbindungen in andere Netze können bis zu 1,20 Euro anfallen.
Dass die Videofonie im Anfangsstadium ist, dürfte auch der Grund sein, warum sich Nokia und Siemens noch zurückhalten. Die Finnen bringen zwar im Dezember mit dem 6633 ihr erstes Video-Handy auf den Markt. Das ist aber nicht mit einer drehbaren Kamera ausgestattet, also für Bildtelefonie ungeeignet. Siemens hat im Oktober 2003 ein Videotelefon vorgestellt. Ein neues Modell soll erst Mitte des nächsten Jahres auf den Markt kommen.
Auch die schon verfügbaren Geräte empfinden die Videoübertragung offenbar als sehr anstrengend. Sie alle plagt ein Energieproblem. Ein Videofon muss vier Empfangsmodule (für 3 GSM-Standards und UMTS) unterhalten, beherbergt bis zu zwei Farbdisplays, WLAN, Bluetooth und eine Megapixel-Kamera. Dabei kann sich ein Akku leicht überfordert fühlen.
Sowohl das V800 von Sony-Ericsson als auch das Samsung werden bei der Videotelefonie oder der Wiedergabe von Filmen warm wie ein Taschenofen. Alle Geräte schwächeln nach ein bis zwei Stunden Bildübertragung. Dem Z107 liegt immerhin ein Ersatzakku und eine zweite Ladestation bei.
Dafür fehlt ihm eine Freisprecheinrichtung. Eine solche wäre allerdings wünschenswert. Denn wenn man dasteht wie Hamlet, der mit dem Totenkopf redet, das Video-Handy am ausgestreckten Arm, mit der anderen Hand wild in die Kamera gestikulierend, zieht man schon genügend zweifelnde Blicke von Passanten auf sich. Man möchte nicht auch noch brüllen müssen.
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Buntfunker
Samsung Z107 Das 115 Gramm leichte UMTS-Handy verfügt über eine Megapixel-Kamera und ein 262.144-Farben-Display, kein Bluetooth; 170 Euro mit Vertrag von T-Mobile.
SonyEricsson V800 Brillantes Display, Megapixel-Kamera, Bluetooth: Dieses 128 Gramm leichte Handy steckt voller Funktionen; 250 Euro mit UMTS-Vertrag von Vodafone.
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