Griff nach den SternenErschienen am 09. Oktober 2009 | manager-magazin.de, Tom Grünweg | Opel Astra (Foto: Opel) | | Der Mittelklassewagen Insignia war nur das Vorspiel. Jetzt wird es ernst für Opel: Die Hoffnungen ruhen auf dem neuen Astra. Das Kompaktmodell soll Kunden vom schärfsten Rivalen VW Golf weglocken. Eine Probefahrt. "Jetzt beginnt für uns eine neue, bessere Zukunft"Der neue Insignia ist ein Erfolg, die vorsichtige Abspaltung von General Motors scheint in trockenen Tüchern, und die nächste Generation des Astra steht am Start - mit Opel geht es offenbar wieder aufwärts. "Jetzt beginnt für uns eine neue, bessere Zukunft", sagt wie bestellt Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster. Ende nächsten Monats beginnt die Auslieferung des neuen Kompaktmodells Astra, der mit rund 500.000 Fahrzeugen pro Jahr ein Drittel des europäischen Gesamtabsatzes von Opel ausmacht. Das neue Auto ist für die Marke daher der Hoffnungsträger schlechthin. Einsteigen, losfahren und wohlfühlenSeit Monaten schon rührt Opel die Trommel für den Astra. Auf diversen Workshops wurde mittlerweile fast jedes Detail zu Technik und Design ausgebreitet, auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt vor drei Wochen fand dann die offizielle Enthüllung statt. Jetzt aber stand der härteste Rivale des VW Golf erstmals zur Testfahrt bereit. Und genau wie schon auf dem Messestand machte der neue Opel auch auf der Straße eine gute Figur: Einsteigen, losfahren und wohlfühlen lautet die Devise. Präzise abgestimmtWie schon das Vorgängermodell ist auch der neue Astra ziemlich stramm und präzise abgestimmt. Zwar reicht die Prägnanz nicht an jene von BMW oder Audi heran, doch vor allem mit dem adaptiven Fahrwerk, bei dem sich Federn und Dämpfer auf Knopfdruck verhärten, der Motor spontaner reagiert und die Lenkung mehr Kraft einfordert, lässt sich der Astra locker und flockig durch die Kurven treiben. Im Cockpit wechselt dann die Beleuchtung auf rot, die Füße steppen über die Pedale, die Hand wechselt vom neuen Lenkrad zum gut geformten Schaltknauf und der Astra wedelt die Serpentinen des Feldbergs hinunter wie früher Alberto Tomba durch die Torstangen.
Fast wie in der Mittelklasse Bei allen rasanten Fähigkeiten - erfreulich und neu ist der gehobene Fahrkomfort bei gemächlicher Gangart. Weil Opel den Radstand um sieben Zentimeter auf 2,69 Meter gestreckt und vorne wie hinten die Spur deutlich verbreitert hat, gibt sich der Astra zum Beispiel auf der Autobahn vollkommen gelassen und bügelt im so genannten "Tourmodus" Bodenwellen und Querfugen weitgehend flach. Prompt fühlt man sich hinter dem Steuer nicht mehr wie in der Kompakt- sondern beinahe wie in der Mittelklasse. Teile der Ausstattung vom Insignia übernommenGanz falsch ist der Eindruck allerdings nicht. Denn erstens übernimmt Opel innen wie außen viele Designmerkmale des Mittelklassemodells Insignia, zweitens stammen auch zahlreiche Ausstattungsoptionen wie etwa das adaptive Licht oder die Kamera für die Spurführung und Verkehrszeichen-Erkennung aus dem Flaggschiff, und drittens nahm neben dem Radstand auch die Länge zu. Nur mit der viel gepriesenen Qualitätsoffensive ist es zumindest in den Testwagen noch nicht so weit her: Scharfe Grate und schlechte Gussnähte an manchen Zierteilen wirken missraten. Das sollte bis zur Produktion der ersten Kundenfahrzeuge noch geschliffen werden. Mehr Raum auf allen PlätzenMit nun 4,42 Meter Länge sprengt der Astra eigentlich das Kompaktformat (zum Vergleich: VW Golf 4,20 Meter). Zugleich mit dem Längenwachstum stieg das Gewicht, und mit einem Grundpreis von 15.900 Euro ist der neue Astra auch ein wenig teurer als das Vorgängermodell. Doch gibt es jetzt viel mehr Raum auf allen Plätzen: Vorn sitzt man - auch dank der neuen Ergonomie-Sessel mit dem Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR) - fast so bequem und geräumig wie im Insignia, die Rückbank wird zur Komfortzone und der Kofferraum ist mit 370 Litern größer als beim VW Golf (350 Liter) . Außerdem kann man den Boden in drei Lagen arretieren und so den Laderaum variabel unterteilen. Ebenfalls in die Rubrik mitgedacht gehören rund ein Dutzend Ablagen sowie der Fahrradträger, den man aus der hinteren Stoßstange ziehen kann. Neun Motorvarianten, aber kaum InnovationenZum Start bietet Opel den Astra mit neun Motorvarianten von 87 bis 180 PS an. Auch wenn die Maschinen vorerst noch ohne Direkteinspritzung, Doppelkupplung oder Start-Stopp-Automatik auskommen müssen, haben die Hessen den Verbrauch des Astra im Schnitt um zwölf Prozent gesenkt. Gar um 18 Prozent sparsamer im Vergleich zum Vorgänger ist der neue 1,4-Liter-Turbomotor. Der Vierzylinder folgt dem Trend zum Downsizing, ist also klein und kräftig. Als vermutlich beliebteste Benziner-Variante (ab 19.075 Euro) kommt er auf 140 PS und 200 Nm. Das typische Turbo-Loch ist in diesem Fall lediglich eine Delle. Wer flott schaltet und die Drehzahl hoch hält, ist in 9,7 Sekunden auf Tempo 100 und kann mit bis zu 205 km/h davon fahren. Dann allerdings bleibt der Normverbrauch von 5,9 Litern eine Illusion. Konkurrenz für den VW GolfAuch wenn der neue der mit Abstand beste Astra in zehn Generation und mehr als 70 Jahren Opel-Kompaktklasse ist, werden seine Qualitäten für den Sieg im Segment kaum reichen. Das weiß auch Marketing-Chef Andreas Marx und gibt freimütig zu, "dass der Golf der König der Kompaktklasse ist". Doch am Thron des Wolfsburgers wollen die Rüsselsheimer schon sägen. Immerhin sollen 30 Prozent der Kunden von der Konkurrenz kommen, sagt Marx. "Die meisten davon natürlich von VW."
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