Wochenlang hat sie sich geweigert, den Ernst der Lage anzuerkennen, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman richtig festgestellt hat. Jetzt nimmt die Große Koalition die Wucht dieser Wirtschaftskrise zumindest langsam zur Kenntnis. Ein Beleg für diesen zarten Sinneswandel ist allerdings weniger der Krisengipfel gestern im Kanzleramt. Zwar trägt auch der Austausch mit Bankern, Wirtschaftsvertretern und Ökonomen dazu bei, dass die politischen Entscheidungsträger Informationen darüber bekommen, wie düster es um die Wirtschaftslage bestellt ist. Entscheidend ist aber, dass die Regierung das wahre Ausmaß der Krise auch einräumt, selbst wenn das ihre bisherige Strategie des Stillhaltens durchkreuzt. Die bedeutendere Nachricht vom Wochenende ist deshalb, dass die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr an die Rezessionsrealität anpassen will - auch wenn noch niemand offiziell bestätigen mag, dass die neue Prognose tatsächlich bei minus zwei Prozent liegen wird, wie bereits zu hören ist. Während Bankenvolkswirte und Forschungsinstitute inzwischen nur noch in der Frage auseinanderliegen, wie stark die deutsche Wirtschaft 2009 schrumpfen wird, geht die Regierung bislang von abenteuerlichen 0,2 Prozent Wachstum aus. Eine realistischere Analyse der Wirtschaftslage allein bringt jedoch wenig, wenn daraus nicht auch die richtigen Schlüsse zur Bekämpfung der Krise abgeleitet werden. Genau das ist allerdings nicht erkennbar. Im Gegenteil: Obwohl sich nun auch in der Bundesregierung die Sichtweise durchzusetzen beginnt, dass das Land vor einem bislang nicht gekannten Wachstumseinbruch steht, will sie zunächst tatenlos zusehen, wie sich die Krise weiter aufbaut. Ein zweites Konjunkturpaket soll es nach Aussage von SPD-Fraktionschef Peter Struck frühestens Ende Februar geben. Sicher lassen sich politische Gründe finden, warum noch ein paar Monate verstreichen sollen, bis die Politik dem Abschwung endlich wirkungsvoller entgegentritt. Zum einen ist in der Regierung noch nicht geklärt, welche Mittel dafür die geeignetsten sind. Zum anderen ist es für sie durchaus von Interesse, was genau der neue US-Präsident Barack Obama gegen die Krise unternehmen wird. Ökonomisch lassen sich beide Argumente jedoch nicht halten. Die Vor- und Nachteile aller Anti-Krisen-Instrumente von höheren Investitionen bis zu Konsumschecks liegen auf dem Tisch. Welche davon die Regierung wählt, ist eine politische Entscheidung, die in mehreren Wochen nicht leichter sein wird als heute. Zudem ist schon jetzt klar, dass Obama schnell und mit einem gigantischen Konjunkturpaket gegen die Rezession ansteuern wird. Wenn die Bundesregierung der Ansicht ist, dass es ein zweites Paket braucht, dann muss sie es umgehend auf den Weg bringen, solange sich die Spirale nach unten noch stoppen lässt. (END) Dow Jones Newswires
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