Wer die vom Grundsatz her selbstredend mögliche Umschuldung von Anleihen auf Bankdarlehen vorschlägt, sollte sich zuvor die Frage beantworten, warum alle börsennotierten Immobiliengesellschaften nahezu vollumfänglich mit relativ kurz laufenden Anleihen statt mit langfristigen Bankdarlehen fremdfinanziert sind, obwohl Immobiliendarlehen auch in den letzten Jahren stets günstigere Konditionen als Anleihen aufwiesen.
Kein seriöser privater Immobilienkäufer würde ein auf Jahrzehnte abzielendes Immobilieninvestment mit einem lediglich 5 Jahre laufenden Darlehen finanzieren. Die meisten Immobiliendarlehen in Deutschland laufen 15 bis 30 Jahre mit mindestens 10-jähriger Zinsbindung.
Man darf davon ausgehen, dass Banken aus Risikoerwägungen kein Geschäftsmodell unterstützen, dass auf fremdfinanzierter Immobilienspekulation beruht. Man darf ferner davon ausgehen, dass Banken neben Zinszahlungen stets eine feste Tilgungsrate fordern.
Die Geschäftsmodelle der börsennotierten Immobilienfirmen sahen bisher nie eine Kredittilgung aus laufenden Mieteinnahmen vor, da man den operativen Zahlungsmittelüberschuss aus Vermietung (= Nettomiete abzgl. Betriebskosten + Instandhaltung abzgl. FK-Zins) für Dividenden reserviert hat. Eine von Banken üblicherweise geforderte Anfangstilgungsrate von 3% hätte den FFO1 der meisten Immo-Firmen komplett aufgezehrt. Daher hat man sich vorzugsweise mit Anleihen finanziert, selbstredend ohne festen Tilgungsplan. Vielmehr ist man im Niedrigzinsumfeld davon ausgegangen, die Anleihen bei Fälligkeit stets durch Ausgabe neuer Anleihen refinanzieren zu können, so dass man dauerhaft quasi nie tilgen muss.
Im Gegenteil hat man dank IFRS-Fair-Value Bilanzierung auch bei nicht zur Veräußerung gedachten Immobilien des Anlagevermögens aufgedeckte Wertzuwächse dazu genutzt, zusätzliche Schulden aufzunehmen, um damit noch mehr Immobilien kaufen zu können.
Die Logik dieses an ein Scheeballsystem erinnernden Geschäftsmodells fußte auf der Annahme, dass Immobilienpreise immer steigen und Kredite jederzeit in nahezu unbegrenzter Höhe und dank Minizins beinahe kostenlos zur Verfügung stehen. In dieser Logik verspricht selbst eine im historischen Vergleich unfassbar mickrig anmutende Mietrendite von 3% bei Bewirtschaftungskosten von 1,5 bis 2% noch einen Zahlungsmittelüberschuss, wenn man sich das FK zu 0,5% besorgen kann und zudem davon ausgeht, dass die Immobilienpreise unentwegt steigen, so dass man die Fremdfinanzierung jederzeit durch Verkauf ablösen könnte.
Dieses seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 / 2009 von allen börsennotierten Immobiliengesellschaften praktizierte (Spekulations-) Geschäftsmodell hat dazu geführt, dass binnen eines Jahrzehnts mit Vonovia und Dt. Wohnen gleich zwei Immofirmen in den DAX aufgestiegen sind, während deutsche Dax-Traditionskonzerne wie ThyssenKrupp, Commerzbank o.ä. zum Sterben in den Börsen-Keller geschickt wurden. Mit Aroundtown, einem vermeintlich vor Finanzkraft kaum laufen könnenden Bundesliga-Sponsor stand Anfang 2020 ein weiterer Immokonzern kurz vor dem DAX-Aufstieg, bei damals noch 30 statt 40 DAX-Mitgliedern.
Statt glorreicher DAX-Geschichte steht drei Jahre später, im Juni 2023, nun der Abstieg in den SDAX bevor. Und das nicht etwa, weil Aroundtown dramatisch an Mieteinnahmen verloren hätte, sondern weil die überfällige Zinswende der FED und EZB der niedrigzinsinduzierten Gewissheit ständig steigender Immobilienpreise ein jähes Ende bereitet hat und urplötzlich jeder Analyst wahrnimmt, dass AT1 mit 1,6 MRD Umsatz bestenfalls 330 MIO € Cash (FFO 1) erwirtschaftet und die Gewinne der letzten 10 Jahre nicht aus der vergleichsweise langweiligen und krisenresistenten Immobilienvermietung sondern fast ausnahmslos aus zinsgetriebener Immobilienspekulation (-> unrealisierte Neubewertungsgewinne von Anlageimmobilien) stammten, die sich infolge der Zinswende nun schlagartig in Luft aufzulösen drohen.
Aroundtown bilanziert zum 31.12.2022 ca. 29 MRD Immovermögen, die mit 20 MRD Fremdkapital (davon 15,5 MRD Darlehen + Anleihen + 4,7 MRD perpetual notes) finanziert sind.
Die durchschnittliche Restlaufzeit der Fremdfinanzierung beträgt ca. 5 Jahre. Der durchschnittliche Zinsaufwand liegt Stand 31.12.2022 unter 2%. Die durchschnittliche Mietrendite bezogen auf einen Buchwert vermieteter Immobilien von 27,9 MRD EUR liegt lt. Geschäftsbericht 2022 bei 4,5%.
https://www.aroundtown.de/fileadmin/user_upload/...022/AT_FY_2022.pdf
Für 2023 prognostiziert Aroundtown bei einer Mietrendite von 4,5% und einem durchschnittlichen FK-Zins von ca. 2% einen FFO1 von ca. 330 Mio €.
Bezogen auf 20 MRD € Fremdfinanzierung bedingt eine Änderung des durchschnittlichen FK-Zinses von 2% auf 4% eine Erhöhung des Zinsaufwands um 400 Mio €, womit der FFO1 ohne eine (bezogen auf den aktuellen Buchwert) signifikante Erhöhung der Mietrendite bereits deutlich negativ wäre.
Würde die bisherige Leitzinserhöhung der EZB um ca. 4% im Zuge der Anleiherefinanzierung "nur" 1:1 an AT1 weitergereicht (-> i.a.W. der Markt preist für AT1 weder eine Bonitätsminderung noch fallende Immobilienpreise ein), steuert Aroundtown bis 2026 auf durchschnittliche FK-Zinsen von mindestens 6% zu, was noch deutlich unter dem 30-jährigen Hypothekenzins (6,8%) liegt, den wir bereits heute in den USA sehen und der für eigengenutzte Wohnimmobilien und nicht etwa für vermietete Gewerbeimmobilien steht.
Bei 6% Durchschnittszins auf 20 MRD FK erhöht sich der jährliche Zinsaufwand gegenüber dem aktuellen Stand 2023 um mindestens 800 Mio €.
Zum Vergleich: Die Anleiherenditen notieren bei AT1 je nach Restlaufzeit aktuell zwischen 8 und 12%! 6% Durchschnitts-FK-Zins wäre vor diesem Hintergrund ein Best-Case-Szenario!
Um 800 Mio € Zinserhöhung aus einem Anstieg des Durchschnittszinssatzes von 2% auf 6% vollständig durch Mieterhöhungen auffangen zu können müsste die Mietrendite bezogen auf 28 MRD Buchwert von aktuell 4,5% (=> jährliche Netto-Mieteinnahme: 28 MRD € x 4,5% = 1,26 MRD €) um 2,86 Prozentpunkte auf 7,36% steigen (=> jährliche Netto-Mieteinnahme: 28 MRD € x 7,36% = 2,06 MRD €). Dies impliziert - bezogen auf das zum 31.12.2022 mit Buchwert 27,9 MRD € bilanzierte Portfolio einen Anstieg der Mieteinnahmen um 63,5%! Und das innerhalb von 4 Jahren, da bei nur noch 5 Jahren durchschnittlicher Restlaufzeit der Fremdfinanzierung die EZB-Leitzinserhöhungen spätestens 2026 voll auf den Durchschnittszinssatz durchschlagen dürften.
Ich sehe aktuell kein Szenario, in dem Aroundtown bis 2026 und darüber hinaus eine Fremdfinanzierung auf aktuellem Niveau (20 MRD €) auch nur näherungsweise mit einem positiven operativen Cashflow durchhalten kann.
Die aus Sicht der EK-Geber (Aktionäre) einzig betriebswirtschaftlich vernünftige Antwort auf einen m.E. hochwahrscheinlichen Anstieg der durchschnittlichen FK-Kosten auf ein Niveau von mindestens 6% (bis 2026) ist ein drastischer Schuldenabbau, finanziert durch den Verkauf von bis zu 2/3 des aktuellen Immobilienbestands.
Aus meiner Sicht hat Aroundtown unter den geänderten Finanzierungsbedingungen nur dann eine Aussicht auf eine prosperierende Zukunft, wenn das auf stetig steigenden Immobilienwerten (-> Neubewertungsgewinne!) basierende, mit mehr als 50% FK finanzierte Geschäftsmodell der Nullzinsphase durch ein krisenresistentes, vom FK-Zins weitgehend unabhängiges, auf 90% bis 100% Eigenfinanzierung basierendes Geschäftsmodell abgelöst wird.
Die Zeit der fremdfinanzierten (-> Leverage) Spekulation mit vermieteten Immobilien scheint auf absehbare Zeit vorbei, da eine Niedrig- oder gar Nullzinsphase m.E. zumindest kurz- und mittelfristig nicht mehr wiederkehrt. Die Hoffnungen auf schnelle und drastische Zinssenkungen in USA und Europa Richtung 2% oder darunter halte ich persönlich für vollkommen surreal.
Die Kursentwicklung von Immobilienaktien weltweit scheint darauf hinzudeuten, dass der breite Markt das auf eine dauerhafte Niedrigzinsphase ausgelegte Geschäftsmodell "höchstmöglich fremdfinanzierte Immobilienspekulation" für tot erklärt hat und zumindest aktuell kaum Vertrauen in die Fähigkeiten des Managements setzt, die Geschäftsmodelle den dramatisch veränderten Rahmenbedingungen innerhalb kurzer Zeit anpassen zu können.
Ich habe leider den Eindruck, dass die meisten Vorstände die Dramatik der Änderungen einfach nicht wahrhaben wollen und aus diesem Grund weder in zeitlicher Hinsicht, noch der Höhe nach auch nur annähernd adäquate Entscheidungen und Entschuldungsmaßnahmen treffen.
|