21. November 2006 Es gibt Aktien, die begeistern Anleger. Nicht immer versteht der neutrale Beobachter, warum und wieso der Enthusiasmus bisweilen so überschäumt, wie er das nun von Zeit zu Zeit tut. Eines der jüngsten Objekte der Begeisterung ist die Aktie der im Mormonenstaat Utah ansässigen, amerikanischen Ölgesellschaft Star Energy.
Die Aktie startete ihr Börsenleben zu Jahresbeginn bei etwa 1,50 Euro, verlor an Wert, der Kurs dümpelte vor sich hin und langte Anfang August bei 30 Cent an, erholte sich dann ein wenig - bevor er Anfang Oktober kometengleich nach oben zu schießen begann. Aktuell wird die Aktie in Frankfurt bei 2,48 Euro notiert - so hoch wie nie zuvor.
Übernahme in Rußland
Die Star Energy Corporation ist nach eigenem Bekunden in der Exploration, Entwicklung, Förderung und dem Verkauf von Öl und Gas aus der russischen Samara-Region tätig. Im Oktober 2006 habe man die Kontrolle über Volganeft übernommen, ein „faszinierendes und sehr leistungsfähiges Investment-Vehikel“ in Rußland.
Nach Mitteilung von Star Energy ist Volganeft im selben Geschäftsfeld aktiv. Das Unternehmen besitze ein 30.000 Quadratmeter großes Grundstück in Tschapaefsk, auf dem das Unternehmen eine Raffinerie errichten wolle. Überdies besitze das Unternehmen 69 Lkws für den Transport von Öl und brennbaren Gütern und beschäftige 185 Mitarbeiter.
Das sind im Grunde alle vom Unternehmen unmittelbar veröffentlichten Informationen. Auch im vor wenigen Tagen eingereichten Quartalsbericht sind keine weitergehenden Informationen enthalten.
Vor allem finden sich keine Angaben zum Besitz von Ölfeldern und den verfügbaren Reserven. Indes meldete der „Global Small Cap Report“, daß Volganeft das Rodnikovsky-Ölfeld in der Orenburg-Region erworben habe. Dieses Feld soll förderbare Reserven von insgesamt 95 Millionen Barrel mit einem ungefähren Marktwert von 190 Millionen Dollar besitzen.
Obendrein berichtet der Börsenbrief, daß der testierte Umsatz von Volganeft im Jahr 2005 bei 90 Millionen Dollar gelegen habe und das Unternehmen im „zertifizierten Finanzbericht vom Juni 2006“ Vermögenswerte in einem Gesamtwert von 33,2 Millionen Dollar ausweise, während sich die langfristigen Verbindlichkeiten auf 5,4 Millionen belaufen hätten.
Hoffen auf Umsatzexplosion
Das ist erheblich mehr, als Star Energy vorweisen kann. Das Unternehmen, das bis Oktober Öl und Gas aus fünf Quellen in Webb County in West-Texas förderte und einen 12-Prozent-Anteil am Nettoerlös besaß, setzte im vergangenen Jahr 55.852 Dollar um und verzeichnete dabei operativ einen Verlust von 6.121 Dollar und unter dem Strich von 35.833 Dollar.
In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres betrug der Umsatz 33.431 Dollar, 17 Prozent weniger als in der Vorjahresperiode. Nachdem sich die Verwaltungskosten mehr als verdreifacht hatten, stand unter dem Strich ein Verlust von 56.138 Dollar nach 4.123 Dollar in der Vorjahresperiode.
Schnell drehendes Personalkarussell
Indes hat sich Star Energy umorientiert und die Quellen in Texas an einen früheren Vorstand verkauft. Personalwechsel gehen bei Star Energy bisweilen schnell. Marc Segal, der Vorstandschef, der den Volganeft-Kauf verantwortet und der am 28. Juli Nafi Onat als Firmenchef gefolgt war, trat am vergangenen Donnerstag wieder zurück und wechselte auf den Posten als Finanzchef. Onat konnte nicht lange Firmenchef gewesen sein. Denn am 4. Mai hatte Star Energy noch James K. Watson als CEO installiert. Das ist ein recht rasch sich drehendes Personalkarussell.
Kurz und gut, Star Energy erscheint als Unternehmen im Werden. Noch muß man abwarten, ob die Aktivitäten in Rußland so aufgenommen werden können wie erhofft und geplant.
Der Hype, der keiner wurde
Daß nicht immer alles so gehen muß wie geplant, zeigt auch Star Energys eigene Geschichte. Noch im Mai wurde der Wert aus ganz anderen Gründen von Börsenbriefen empfohlen. Als Starprojekt des Unternehmens galt „das jüngst zugekaufte Mohican River Ölfeld in Ashley County, Ohio“, das man durch Kauf von 100 Prozent der Anteile der Explorationsfirma Terrabyte LLC übernommen habe. Das trieb die Aktie seinerzeit von 97 Cent bis auf 1,56 Euro.
Der Börsenbrief übersah, daß es sich dabei nur um eine Absichserklärung gehandelt hatte. Diese platzte Ende Juni - ungeachtet der Tatsache, daß man den Terrabyte-Mitgründer Watson bereits im Mai zum Firmenchef ernannt hatte.
Insofern hat die Volganeft-Transaktion die besseren Karten. Immerhin heißt es diesmal, man habe das Unternehmen übernommen. Indes sind die Risiken immens und Star Energy wäre nicht das erste Unternehmen, das in Rußland scheitert. Abwarten sollte man auch, was aus der unterzeichneten Absichtserklärung über den Erwerb der Samaratransoil wird, einer weiteren Firma des vormaligen Volganeft-Eigners Markin Wladimir Mikailowitsch.
Reichlich Vorschußlorbeeren
Bewertet ist die Aktie von Star Energy aktuell mit rund 103 Millionen Euro - reichlich Vorschußlorbeeren für ein Unternehmen, das bislang keine nennenswerten Umsätze vorzuweisen hat. Charttechnisch gibt es erste Unterstützungen erst im Bereich zwischen 1,40 und 1,56 Euro - das ist eine Menge Rückschlagspotential.
Das Bewundernswerteste an der Leistung von Star Energy ist bislang, daß es dem Unternehmen gelingen konnte, die Volganeft Ltd., der ein so großes Potential zugeschrieben wird, für lediglich zehn Millionen Aktien - zum Kaufzeitpunkt rund zehn Millionen Dollar - zu erwerben, während Ölfirmen und Scharen von Finanzinvestoren auf der ganzen Welt nach Übernahmeobjekten suchen und dafür stolze Preise zahlen.
Zudem fällt auf, daß der Kurs des amerikanisch-russischen Unternehmens in Deutschland gemacht wird. Die Umsätze dort liegen um das Zehn- bis Hundertfache über dem, was in den Vereinigten Staaten gehandelt wird. Das hat auch das Unternehmen, das laut eigenem Bekunden „die Freisetzung der \\\'inneren\\\' Werte der Bestandteile des Unternehmens, um auf diese Art und Weise das Vermögen unserer Investoren zu erhöhen“ als seine wichtigste Mission ansieht, bewogen, eine deutschsprachige Website einzurichten.
Bleibt nun zu hoffen, daß Star Energy künftig mindestens ebensoviel Energie darauf verwendet, das operative Geschäft richtig zum Laufen zu bringen wie bislang für die Pflege der Beziehungen zu den Aktionären. Dann wäre es sicherlich möglich, daß das Unternehmen in seine Bewertung hineinwächst. Bis dahin ist alles aber Hoffnung: Hoffnung auf „das nächste große Ding“, von dem alle Privatanleger träumen - und die kann durchaus noch zerplatzen. Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @mho Bildmaterial: FAZ.NET
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