The Cat, vielen Dank für Dein gutes Posting gestern. Sieht man selten, dass Investierte so objektiv an die Sache herangehen und ergebnisoffen diskutieren wollen. Unterstreiche sämtliche Aussagen von Dir in Bezug auf rosarote Brille, Forum Verhalten, etc. Ich will aber auch inhaltlich auf Deine Fragen eingehen, zB fragtest Du, warum man „warum Anleger speziell in Tui einsteigen sollten“.
Kern PRO Argumente: - Die These, dass Menschen weiterhin in den Urlaub wollen, hat sich (nach Corona) mehr als nur bestätigt; die Menschen haben die zum Teil deutlich erhöhten Urlaubspreise nicht abgeschreckt und sparen eher bei anderen Konsumgütern als bei Reisen. Während man in der Geschäftswelt auf Flüge eher verzichten kann, ist ein Urlaub nicht durch Zoom Konferenzen ersetzbar. Wachstumsraten im Tourismus sollten auch zukünftig über dem GDP Wachstum liegen. Zusammengefasst: das Produkt von TUI wird auch in den nächsten Jahren vermutlich stark nachgefragt. - TUI hat (s)eine mehrjährige Bilanzreparatur hinter sich, der Verschuldungsgrad ist besser als vor Corona, ab 2025/26 könnte man ggfs wieder mit Dividenden rechnen. - Vor Corona notierte TUI im Schnitt mit einem KGV von 9-13x, aktuell eher bei 6x; daraus könnte man ggfs ein erhebliches Wertaufholungspotenzial ableiten. - TUI hat verstanden, dass die Strategie geändert werden muss und hat seine „Asset Right“ Strategie gestartet
Kern CON Argumente: - TUI ist weiterhin auf die KfW Linie angewiesen und darf aktuell keine Dividende zahlen bzw. ein ARP starten - Die EK Position ist nur halb so hoch wie vor Corona, die Ratings (mE) noch schlechter als vor Corona - Hauptaktionär mit 13% ist weiterhin ein auf der Sanktionsliste stehender russischer Oligarch - Schwierig, weiteres Wachstum im profitablen Kreuzfahrtgeschäft zu erzielen, da schon an der Kapazitätsgrenze - Weiterhin (noch) ein Asset Heavy Geschäftsmodell, mit eigenen Flugzeugen, Hotels und Schiffen - Die Aktie bekommt bei politischen Krisen (und steigenden Ölpreisen) oftmals einen Deckel - Das Unternehmen ist in überhöhten Maßen von idiosynkratischen Risiken bedroht: Pandemien/Seuchen, Waldbrände, Flugzeugabstürze, verspätete Flugzeuglieferungen, politische Unruhen, Öl-/Kerosinpreise - Die Zinsbelastung ist noch signifikant über dem Vorkrisen-Niveau - Ggf Investitionsstau nachdem in den Corona-Jahren unterinvestiert wurde - Auch wenn TUI vieles in diese Richtung macht: noch ist das Unternehmen so eine Art Anti-ESG-Investment durch Flugreisen, mit Schweröl fahrende Kreuzfahrtschiffe und Umweltschäden durch Tourismus (Hotels, Skifahren in den Alpen, etc.) - Politische/regulatorische Entwicklungen, die nicht TUI freundlich sind (CO2 Bepreisung, Anzahlungen, Erstattungen, etc). - Auch der „closest competitor“, die Jet2 plc, notiert gerade einmal mit einem KGV von rund 7,x (Lufthansa mit 5,x); die Branche scheint an sich nicht besonders für Investoren attraktiv zu sein
Wenn ich da draußen institutioneller Investor bin, der aus tausenden von Aktien aussuchen kann, stellt sich halt die Frage, warum ich mir dann gerade eine Aktie mit den o.a. CON Punkten aussuchen sollte. Selbst wenn die Aktie historisch gesehen günstig bewertet ist auf KGV Basis. Vllt ist die Denke dann eher „dann zahle ich lieber ein höheres KGV, aber kaufe mir dafür Qualität bzw. weniger spezifische Risiken ein“. Aber das ist reine Spekulation.
Wo ich anderer Meinung bin als Du: ich sehe keine hohen Schuldenstand (Leverage unter 1,0x erwartet per Sep 2024) und TUI macht auch keine Verluste (ein Blick auf Quartalsbasis bei einem Touristikunternehmen ist nicht zielführend). Wo ich wiederum Deiner Meinung bin, ist, dass TUI für die großen Investoren uninteressant scheint – siehe o.a. Absatz.
Schönes WE!
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