heute: Linke Leute von rechts aussen
'Viel war zuletzt von einer Umkehrung des gesellschaftlichen Mainstreams die Rede: von linksliberal zu rechtsautoritär. Das allein wäre für linke Parteien schon blöd genug. Hinzu kommt allerdings, dass dieser Umschwung nicht bloß als schlichter Rechtsruck daherkommt. Es ist vielmehr ein Ideologie-Fasching. In manchen Punkten sind die Rechten einfach rechts, in anderen klingen sie wie die besseren Linken: Globalisierungskritik, Konsum- und Kapitalismuskritik, Wachstumskritik, Verzichtsethik – vieles von dem, was sich Linke bloß zu flüstern trauten, sprechen die Rechten offen aus. Als in den USA Kritiker des Präsidenten sagten, dass aufgrund seiner Zollpolitik Regale in Geschäften leer bleiben könnten, antwortete der, dass Kinder dann statt 30 Puppen nur zwei haben würden, statt 250 Stiften nur fünf.
Was wäre wohl los gewesen, wenn Robert Habeck das gesagt hätte? Genau, es wäre die Hölle los gewesen. Grund genug, einmal zu fragen, was hier eigentlich im Gange ist. Und was es für die Linke bedeutet, wenn Rechte plötzlich so reden wie man selbst, nur ohne dabei rot zu werden.
Es könnte allerdings sein, dass man sich aus der Lage nicht heraustaktieren kann. Dafür sind die Probleme zu groß, die Fragen zu grundsätzlich. Über Jahrzehnte war die Anordnung klar: Globalisierungskritiker sind links, Freihändler sind rechts. Mehr Staat ist links, weniger Staat ist rechts. Freie Märkte, Standortwettbewerb, Lohnkonkurrenz – so ging rechte Wirtschaftspolitik. Ökologische Linke fragten skeptisch, ob man Bananen rund um den Globus schiffen sollte. Sie kritisierten die Konsumgesellschaft und den Wachstumsfetisch. Sozialdemokraten wiederum wollten, dass die Politik sich nicht nur für den Konsumenten interessiert (also die Preise der Güter), sondern auch für die Produzenten (die Arbeitsbedingungen, die guten Jobs im Inland).
Zu einer Demonstration gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta 2015 in Berlin kamen etwa 150.000 Menschen. Als Donald Trump jüngst von amerikanischer Seite aus den Handel mit Europa hinterfragte und Zölle verhängte, gab es dafür kein Lob von links, kein Aufatmen, dass die Globalisierung nun zurückgedreht werde. Sondern stattdessen Gelächter: Der weiß nicht, was er tut. Der zerstört die Märkte, die Institutionen, die Weltordnung. Aber seit wann sind Linke die Hüter der Weltordnung? War es nicht die Weltordnung, die Reiche reicher gemacht hat und Arme ärmer? War man da nicht – dagegen?
Fragen, die üblicherweise auf dem Kirchentag oder in einem grünen Ortsverein diskutiert werden, werden plötzlich von rechts gestellt: Was ist der wahre Preis für all den billigen Kram? Brauchen wir ihn? Macht er uns glücklich? Plötzlich ist die degrowth-Idee Teil der Regierungspolitik des Herzlands des Kapitalismus und der größten Volkswirtschaft der Welt. Das ist einigermaßen verrückt, aber es führt auch dazu, dass alle verrückten Zusammenhänge des globalen Wirtschaftssystems plötzlich auf dem Tisch liegen: Tatsächlich kann ein Präsident mit ein paar Worten für den Verlust und dann wieder für den Gewinn von Milliarden an der Börse sorgen. Politik hat sehr wohl Einfluss auf Preise, wenn sie sich traut. Märkte sind nicht gottgegeben, sondern menschengemacht.
Das Ziel, das Trump – zumindest rhetorisch – verfolgt, kommt Linken eigentlich bekannt vor: eine "blue collar nation", ein Amerika für die Arbeiter, eine Reindustrialisierung schwebt ihm vor. Weniger Billiggüter aus dem Ausland, dafür gute Jobs daheim, so geht die Rechnung. Und wenn die Waschmaschine aus amerikanischer Produktion doppelt so viel kostet? Dann ist das ein notwendiges Opfer.
Das wirklich Verblüffende an dem Trump-Vance-Projekt sei nicht nur, dass es die neoliberale Lehre zurückweist, schreibt der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze. "Sie tun es mit einer Rhetorik der Opferbereitschaft." Hierin, so Tooze, liege die eigentliche Kränkung für die politische Linke: Die Rechte übernehme nicht nur eine linke Agenda – sie erkläre den Leuten auch noch, dass hierfür leider ein bisschen Verzicht notwendig sei. Trumps Handelspolitik, schreibt Tooze, sei in Wahrheit das, was sich Linke nie getraut hätten: "Ein Angriff auf die Konsumgewohnheiten der Amerikaner im Namen einer besseren Zukunft." Vielleicht ist das das Niederschmetterndste an allem'.
zeitonline, komplett in
https://archive.ph/e5p8I#selection-2109.0-2109.53Wenn man noch die anti-imperialistische Linke hinzulegt, die einen völkischen Blut und Boden Nationalismus propagiert, wenn ja wenn er nur 'indigen' zustandekommt, rundet sich das Bild ab. Denn dann hat man die rechten Leute von linksaussen.
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it's the culture, stupid