RWE regelrecht sturmreif gepflegt.
In den gut dreieinhalb Jahren als Vorstandsvorsitzender hat Harry Roels eine neue RWE geschaffen. Er hat das bei Antritt vorgefundene Konglomerat zu einem Strom- und Gasversorger zurechtgeschnitten. Die anfangs mehr als 20 Milliarden Euro Nettofinanzschulden werden nach dem soeben beschlossenen Verkauf des britischen Wasserunternehmens Thames Water komplett abgetragen sein.
Im Rückblick kann man Roels einen konsequenten und zügigen Konzernumbau bescheinigen. Der Energieversorger mit starken Positionen in Deutschland, Großbritannien und Zentralosteuropa erwirtschaftet höhere Gewinne als je zuvor. Die Börse hat das mit einer Vervierfachung des RWE-Kurses honoriert. Aber Roels' Bilanz hat zwei Gesichter. Denn durch die Ertragssteigerung und die erhebliche Verbesserung der Finanzposition hat der Niederländer das Unternehmen regelrecht sturmreif gepflegt. In Europa gibt es gegenwärtig keinen anderen Versorgungskonzern, der sich so ideal wie RWE für eine Übernahme anbietet.
Auslöser dieses Dilemmas ist der Düsseldorfer Energiekonzern Eon. Der hat im Februar mit seinem zwischenzeitlich kräftig auf 35 Milliarden Euro aufgestockten Übernahmeangebot für den spanischen Strommarktführer Endesa die Branche aufgerüttelt. Bedeutende Wettbewerber bemühen sich seither hektisch um die Stärkung ihrer Marktposition in Europa, auch mit dem Ziel, sich für etwaige Aufkäufer unverdaulicher zu machen. Der RWE-Konzern ist mit seiner Börsenbewertung nahe 45 Milliarden Euro zwar kein Sonderangebot, aber ein Schnäppchen für jeden potenten Wettbewerber, der sich in der europäischen Champions League einen dauerhaften Platz sichern will.
Obwohl RWE im Vergleich zu Endesa wesentlich mehr Energie verkauft und sich im Herzen Europas in einer strategischen Schlüsselposition befindet, muß das Essener Unternehmen einen Käufer nicht teuer kommen. Denn selbst wenn der Aktienpreis im Zuge einer Übernahme um mehr als 100 Euro!!! anziehen würde, läge der Transaktionswert nahe dem der stark verschuldeten Endesa. Interessenten, die solche Transaktionswerte von mehr als 60 Milliarden Euro stemmen können, sind freilich an einer Hand abzuzählen. Es sind dies in Italien der Stromproduzent Enel sowie der Öl- und Gaskonzern Eni, der französische Strommonopolist Gaz de France und der nach westeuropäischen Absatzmärkten Ausschau haltende russische Erdgasriese Gazprom.
Pikant wäre ein Vorstoß der Gazprom, da Rußland soeben die Möglichkeiten ausländischer Investoren in strategischen Branchen erheblich eingeschränkt hat. Aber aufzuhalten wäre der für Deutschland bedeutendste Erdgaslieferant wohl kaum.
Mit der Übernahme von Endesa würde Eon dem einst größeren RWE-Konzern noch weiter enteilen. Freilich ist das Ansinnen der Düsseldorfer im Gestrüpp spanischer Widerstände so abgeblockt worden, daß sich die Chancen für Erfolg oder Mißerfolg gegenwärtig die Waage halten. Der Vorstoß aber könnte dazu führen, daß Eon die Führungsrolle in der westeuropäischen Versorgung verliert - indem sich ein Wettbewerber RWE einverleibt. (Q.faz)
Da geht bald richtig was... Votum: BUY up
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