Es ist noch nicht ganz so lange her, da war ich noch ein anständiger Bundesbürger. Ich hatte die richtigen Gedanken und fragte mich, wie viele geliebte Angehörige ich wohl verlieren werde? Werde ich es selbst schaffen? Wie werde ich mein Leben von nun an organisieren? Wo kann ich meinen Beitrag leisten und wie viel Risiko bin ich dabei bereit einzugehen? Halt all dies gesunde Zeugs, mit dem sich ein stets besorgter Bürger tagtäglich auseinander zu setzen hat.
Kaum 18 Monate später ist von dem guten Menschen, der ich einst mal war, nicht mehr viel übrig geblieben. Schon einige Wochen nach der Ausrufung der größten Herausforderung seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe ich die Lust an ihr verloren. Ich bin völlig abgestumpft und bin seit dem nicht mehr empfänglich für die Botschaften der bayerischen Staatskanzlei und sonstiger übergeordneter Stellen. Dabei war ich nicht einmal schlecht auf diese Situation vorbereitet.
Zwar war ich war nie ein großer Freund der Literatur. Fremde Gedanken und dann alles noch künstlich an den Haaren herbeigezogen, davon wurde ich schon während meiner Schulzeit gründlich geheilt. Hin und wieder ein gut gemachtes Fachbuch und die von mir über alles geliebten Biografien und Erzählungen dagegen gerne. Von den Menschen, die während ihres Lebens, sei es aus purer Abenteuerlust, aus Forscherdrang oder weil das Schicksal es einfach nicht besser mit ihnen meinte, durch die Hölle gehen mussten.
Es bleibt mir bis heute ein großes Rätsel, weshalb ich die große Chance, die sich mir hier einmalig bot, nicht genutzt habe, um meinen Helden nachzueifern? Ich kann mich selbst jetzt, nach dem Erkennen des eigenen Versagens, nicht einmal mehr dazu aufraffen, zumindest den letzten Schritt mitzugehen, um die Menschheit von ihrer Geißel zu befreien.
Während das Kommando der Spezialkräfte hier auf Ariva mittendrin war im Geschehen, stets dem Ruf des Karls folgte, großartige Aufklärungsarbeit leistete, nie vom Glauben abkam, einen großen Bogen um die Alten machte und tonnenschwere Leichenberge aus dem Weg räumte, ist mir fast so als hätte ich diese Zeit der globalen Katastrophe auf einer einsamen Insel verbracht oder von den Schlaftabletten Kostolanys genascht.
Ich habe zwar keinem Würdigeren das Intensivbett geklaut, noch Klopapier gehamstert und sogar meine Impfrationen zumindest virtuell der Drittel Welt gespendet, trotzdem plagen mich nun üble Gedanken. Werden die Nachbarkinder mit ihren nackten Fingern auf mich zeigen? Kriegt mein unbeflecktes polizeiliches Führungszeugnis einen Makel? Verliere ich die Reiseprivilegien? Werden die Bayern mich ausweisen oder gelte ich zu guter Letzt gar als Distel im bundeshübschen Rosengarten?
Ich bete nun zum lieben Gott, er möge noch einen apokalyptischen Reiter aus dem Stall lassen. Mal einen mit so richtig viel Bumms. Ich will ja alles wieder gut machen, mich bewähren und wieder ein guter Bürger werden. Wenn es sein muss, dann lauf ich sogar bis nach Mordor.
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