Anfang der 60er-Jahre waren es die japanischen Hersteller, die als Exoten belächelt wurden, in den Achtzigern übernahmen die Koreaner diese Außenseiter-Rolle. Wie die Geschichten der vermeintlichen „Underdogs“ ausgingen, ist hinlänglich bekannt – zur Beseitigung letzter Zweifel braucht man sich nur die Produkte von Toyota inklusive Hybrid-Modellen wie Prius oder Lexus LS 600 h anzusehen, oder einen Blick auf die neuesten Modelle der Korea-Vorreiter Kia beziehungsweise Hyundai zu werfen. Nun stehen die Chinesen vor der Tür, und wieder sind es nicht wenige, die den Neuankömmlingen mit mildem Lächeln mitteilen, dass es wohl ewig dauern wird, bis sie auf so schwierigen Märkten wie Westeuropa den Durchbruch schaffen können. Die Chinesen lächeln daraufhin mindestens ebenso mild zurück...
Das beruhigte Lächeln hat einen ganz einfachen Grund: Die Mannen aus Ostasien wissen, dass sie auf einem sehr langen Ast sitzen. Ein Hersteller wie BYD, der aktuell zu den 20 stärksten chinesischen Unternehmen gezählt wird und seinen Umsatz im Jahre 2007 auf umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro steigern konnte, hat die Zeit und vor allem das Kapital, um die enorme Herausforderung, ein Auto nach europäischen Maßstäben zu bauen, annehmen zu können. Und dass die Chinesen wissen, wie man sich entwickelt, beweist die Firmengeschichte von BYD: 1995 mit einem Startkapital von 250.000 Dollar und 20 Mitarbeitern gegründet, notiert man im Jahre 2008 an der Börse in Hongkong, beschäftigt über 120.000 Mitarbeiter, hat Niederlassungen in den USA, in Europa sowie in Asien inklusive Japan und gehört unter anderem im IT-Business, speziell bei der Entwicklung und Produktion von Handy-Akkus (mehr als 25 % aller Mobiltelefone weltweit tragen einen BYD-Akku in sich) zu den absoluten Technologieführern. Analysten schätzen den Börsewert des Unternehmens mittlerweile auf 3,5 Milliarden Euro.
Dass BYD erst seit 2003 Autos baut und jetzt schon erste Schritte nach Europa wagt, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Der Einstieg in die Automobilproduktion erfolgte nämlich durch die Akquisition der bis dahin verstaatlichten „Shaanxi Qinchuan Auto Company Limited“. Und BYD machte sofort klar, dass man sich nicht mit der Produktion von Fahrzeugen für das Billigsegment zufrieden geben würde. Bereits im ersten Jahr wurden eigene Forschungs- und Entwicklungszentren gegründet, im Gesamtunternehmen arbeiten momentan nicht weniger als 6.000 Ingenieure an neuen Technologien. Die enge Zusammenarbeit mit europäischen Zulieferern wurde aufgenommen, neue Produktionsanlagen gebaut. Zur Zeit wird ausschließlich in China gefertigt, genauer gesagt in Xi´an und Shenzen – in Peking und Shanghai befinden sich speziell für die Automobil-Sparte errichtete Forschungseinrichtungen. Die Jahreskapazität der Produktion beläuft sich im Moment auf 300.000 Fahrzeuge, doch dabei wird es wohl nicht blieben: Die Wachstumsraten sind beachtlich, das Autogeschäft wächst pro Jahr um 70 % und ist damit ebenso erfolgreich wie die IT-Sparte. Alleine das umsatzstärkste PKW-Modell von BYD, die Familien-Kompaktlimousine F3, wurde in seinem besonders wettbewerbsintensiven Segment seit der Einführung vor anderthalb Jahren mehr als 100.000 Mal verkauft.
Doch der Focus liegt für BYD, besonders was die Modelle für Europa betrifft, nicht auf den Brot-und-Butter-Autos, wie Henri Li, seines Zeichens General Manager der für den Export zuständigen BYD Auto Export Trade Divison, gegenüber der Schweizer AutomobilRevue erläutert: „Wir betreiben seit 2003 intensive Forschung auf dem Gebiet des Hybrid- und des Elektroautos. Wir konzentrieren uns jetzt voll auf die Forschung und Entwicklung des Dual-Mode-Hybrids und des Elektrofahrzeugs.“ Eine Weitsicht, die sich angesichts immer strengerer Umweltauflagen und stetig steigender emissionsabhängiger Steuern vor allem auf westlichen Märkten mehr als bezahlt machen könnte. Und dank des großen Know-How im Bereich Batterien ist BYD schon jetzt einer der wenigen Automobilhersteller weltweit, der die für ein Elektro- oder Elektro-Hybridfahrzeug notwendige Akku-Technologie selbst entwickeln und produzieren kann. „Wir glauben, dass wir in Zukunft sehr konkurrenzfähig sein werden,“ so Henri Li, der allerdings darauf verweist, dass man in manchen Bereichen nicht zögert, Technologie einfach zuzukaufen: „Wir wollen ja in kürzester Zeit höchstmögliche Standards bezüglich Umweltschutz und Sicherheit erreichen – dabei nehmen wir gerne Hilfe von so renommierten Zulieferern wie Bosch oder Delphi in Anspruch.“
Am 78. Genfer Salon zeigte BYD den F3DM, der, ausgerüstet mit der Hybridtechnologie-Eigenentwicklung namens „Dual Mode“, bereits serienreif ist. Dieses erste chinesische Hybridfahrzeug überhaupt ist gleich ein so genannter Plug-In-Hybrid. Das heißt, der F3DM verfügt neben einem kleinvolumigen Verbrennungsmotor (1,0 Liter Hubraum) mit Starter/Generator über ein vollwertiges elektrisches Antriebssystem und einen Batteriespeicher, der sowohl intern (mittels Generator und/oder Rekuperation) als auch extern (an einer herkömmlichen 220-Volt-Steckdose) aufgeladen werden kann. Die Reichweite im reinen Elektrobetrieb beträgt 110 Kilometer, der E-Motor leistet stattliche 400 Nm Drehmoment. Und während viele europäische Hersteller noch entwickeln, will BYD mit seinem Hybridfahrzeug bereits dieses Jahr in den Verkauf starten, wie Henri Li bestätigt: „Die Produktion für den chinesischen Markt wird in der zweiten Jahreshälfte 2008 anlaufen, außerdem werden wir das Modell für verschiedene Märkte in Übersee weiterentwickeln.“
Wann und mit welchem Modell der Europa-Einstieg dann tatsächlich erfolgen wird, ist noch offen. Bis dahin will BYD seine Produkte – vor allem in Hinblich auf Crash-Sicherheit, Fahrwerksabstimmung und Innenraumgestaltung – auf ein europäisches Level gebracht haben: „Wenn wir nach Europa kommen, wollen wir sichergehen, dass wir nicht nur alle Euro-Vorschriften, sondern auch die Kundenerwartungen erfüllen. Wir sind überzeugt, dass wir das in zwei oder drei Jahren schaffen“, so Henri Li abschließend. Vom Gelingen des ehrgeizigen Vorhabens ist ganz offensichtlich auch die Wolfgang Denzel AG überzeugt: Die unterzeichnete nämlich mit BYD eine Absichtserklärung für den Import der chinesischen Fahrzeuge. Gegenüber der Branchenzeitung AutoInfo erklärte Michael Röck, Assistenz des Denzel-Vorstandes: „Unser besonderes Interesse gilt den Hybrid- und Elektrovarianten von BYD.“ Ein möglicher Starttermin für den Import wäre 2010, den Röck vor allem von der Qualität und Sicherheit der Produkte abhängig macht: „Das und die reibungslose, langfristige Ersatzteileversorgung sind für die Firma Denzel Voraussetzungen für einen Import.“
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