Warum Hartz IV besser ist als sein Ruf
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durch Lohnkürzung sondern durch Abhängigkeiten ganzer Industriezweige von
einem Kunden,dem Grossabnehmer,der wiederum die Preise drückt und dadurch die
Löhne.
Exportweltmeister gut und schön doch wieviel von dem verdienten Geld bleibt in Deutschland und wir hier vertsteuert?
Bisher wurde vom Mittelstand der Grossteil der Steuern bezahlt,dieser
Mittelstand wird nach und nach verschwinden und die Konzerne übernehmen.
Frage werden grosse Konzerne in Zukunft überhaupt noch Steuern zahlen?
Wenn ja wo?
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Wenn die beste Lösung nun wirklich in der Besetzung durch einen Experten liegt, so sollte dies auch demokratisch umsetzbar sein. Entweder durch den Druck der Bürger über die Parlamente oder durch Abstimmung des Bundestages durch die Wahl eines Kandidaten aus Mehreren, welche weiterhin durch den Kanzler bestimmt werden. Oder durch die Direktwahl der Regierungsparteien z.B. auf Parteitagen.
Ich persönlich habe ebenfalls meine Bedenken, wenn "berufsfremde" Politiker über komplexe Themen entscheiden und dies mittlerweile durchgängiger Standard ist.
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China wird seine Kostenvorteile nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nicht auf Dauer ausspielen können. Das Reich der Mitte halte durch den festen Wechselkurs die Preise künstlich niedrig, sagte Clement gestern auf einer Konferenz der Bundesagentur für Außenwirtschaft (BFAI) in Berlin. „Diese Politik ist mittelfristig unfinanzierbar und auch unattraktiv.“
sk BERLIN. Hintergrund der Äußerungen Clements ist eine neue Studie des Deutsche Industrie- und Handelskammertages, der zu Folge die Abwanderung deutscher Unternehmen in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreichen könnte.
Aus Sicht von Clement werden die Kosten in China auch durch den „enormen Rohstoffverbrauch“ überproportional steigen. In den Boom- Regionen würden Arbeit, Infrastruktur, Wohnen und andere Leistungen künftig nicht mehr so kostengünstig sein wie bisher. Das Wachstum der Industriemetropolen könne nicht unbegrenzt fortschreiten. Themen wie soziale Sicherheit, strukturelle Arbeitslosigkeit, Altersvorsorge und Umweltbedingungen würden an Bedeutung gewinnen. Die Landbevölkerung könne nicht ohne weitere berufliche Ausbildung in einer modernen Industrieproduktion eingesetzt werden. „Auch in China wachsen die Bäume schließlich nicht in den Himmel,“ sagte Clement.
Die unterschiedlichen Produktionskosten seien natürlich ein Problem. Kein europäisches Land könne zu chinesischen Arbeitskosten produzieren. Darum gebe es bei nicht standortgebundenen, lohnintensiven Aufträgen schon heute eine Abwanderung von Arbeitsplätzen. Der Minister äußerte sich jedoch überzeugt davon, dass sich die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Asien in Grenzen halten werde: „Verglichen mit den Auftragsvolumina, die in unsere östlichen Nachbarländer abwandern, handelt es sich bei der Verlagerung nach Asien noch um relativ geringe Größenordungen. Keinesfalls ist zu befürchten, dass ganze Branchen und Sektoren abwandern.“
Die deutsche Wirtschaft rief die Politik erneut zu Reformen auf: Deutschland müsse dringend die Probleme zu hoher Standortkosten und zu unflexibler Arbeitsmärkte im Inland lösen, fordert DIHK. Der neuen DIHK-Studie über das Investitionsverhalten deutscher Industrieunternehmen im Ausland zufolge hat der Auslandsdrang der deutschen Industrie in diesem Jahr kräftig zugenommen: Die Quote der Unternehmen, die sich 2004 außerhalb Deutschlands engagieren wollen, steigt den Befragungen von 7 500 Unternehmen zufolge im Vorjahresvergleich um 5 Prozentpunkte auf 43 Prozent an. Für das Inland hegen diese Unternehmen nur zurückhaltende Investitionspläne.
Nach den traditionell stark im Ausland vertretenen Großkonzernen kehren nun auch immer mehr Mittelständler Deutschland den Rücken zu. Die Zahl der kleineren und mittleren Betriebe, die im Ausland investieren wollen, stieg binnen einen Jahres überdurchschnittlich auf mittlerweile 36 Prozent an. Investitionsziel mittelständischer Industrieunternehmen sind vor allem die neuen EU-Mitgliedsländer. Mit Übernahme von EU-Recht würden für viele Mittelständler bislang bestehende Unsicherheiten reduziert, begründet der DIHK. Das Ausland im Blick haben vor allem die Elektrotechnik und das Textil- und Bekleidungsgewerbe, aber auch die chemischen Industrie und Maschinenbauer.
Der für Auslandsinvestitionen einflussreichster Faktor bleibt die Höhe der heimischen Produktionskosten. Ungeachtet erster Reformansätze in Deutschland beabsichtige ein hoher Anteil an Industrieunternehmen, mit Teilen der Produktion ins billigere Ausland zu gehen – und in der Folge Arbeitsplätze im Inland abzubauen. Dabei ist der DIHK überzeugt: „Auslandsinvestitionen können Folgeaufträge und Investitionen im Inland induzieren und so heimische Jobs sichern beziehungsweise sogar schaffen.“ Nur Verlagerungen aus Kostengründen bedeuteten einen Verzicht an inländischer Produktion und Arbeitsplätzen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 31. August 2004, 08:41 Uhr
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Die Grünen sind die "neuen Liberalen" (das bedeutet doch der Begriff "Neo-Liberale").
Nachdem sie nun schon die Partei der Bestverdienenden sind, ließ dieser Streit nicht lange auf sich warten.
SPIEGEL
Hartz IV treibt Keil in die Koalition
Der Streit über die Arbeitsmarktreformen hat zu einem handfesten Hauskrach in der Regierungskoalition geführt. Die Reformkritiker innerhalb der SPD richten ihren Zorn jetzt verstärkt gegen die Grünen. Die Jusos werfen dem Junior-Koalitionspartner vor, zur neoliberalen Partei verkommen zu sein.
Berlin - Nach SPD-Fraktionsvize Michael Müller ging auch Juso-Chef Björn Böhning den Koalitionspartner scharf an. "Wer in der Sozialpolitik immer mehr Sicherungen abbauen will und dennoch vorgibt, das soziale Gewissen der Nation zu sein, ist unglaubwürdig", sagte der Sozialdemokrat. Die Grünen seien eine "durch und durch neoliberale Partei geworden, die Klientelpolitik für Ärzte, Rechtsanwälte und Professoren macht", fügte Böhning hinzu.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies derweil die gegen ihre Person gerichtete Kritik von SPD-Fraktionsvize Michael Müller entschieden zurück. "Härtere Einschnitte zu fordern, darum ging es mir nie. Mir ging es immer darum, ehrlich zu sein und die Frage, wie sehen unsere Sozialsysteme wirklich aus und wo ist da Reformbedarf, zu thematisieren", sagte die Grünen-Politikerin. Sie habe dies "sehr früh" und immer mit der "gebotenen Ehrlichkeit" getan, "aber übrigens auch mit der Klarheit darüber, dass das ein schwerer Weg ist und dass das nicht leicht sein wird". Göring-Eckardt fügte hinzu: "Wenn das evangelisch-pietistisch ist, dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Aber ich glaube, es geht vor allen Dingen um Ehrlichkeit, und die kann man nur gemeinsam finden in einer solchen Situation."
Der SPIEGEL hatte Müller mit den Worten zitiert: "Wenn ich Katrin Göring-Eckardt höre, die mit evangelisch-pietistischem Unterton in der Stimme härtere Einschnitte fordert, kriege ich zu viel." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende entgegnete, sie könne mit solchen Vorwürfen nichts anfangen. Zudem seien sie "nicht besonders sachlich".
Auch der Sprecher der Grünen Jugend, Stephan Schilling, verwahrte sich gegen Kritik des Koalitionspartners. Juso-Chef Böhning müsse als Genosse von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wissen: "Von einzelnen Fraktionsmitgliedern kann man nicht auf die Gesamtpartei schließen." In der "Stunde des Populismus" scheine jedoch die Fähigkeit zur Differenzierung in den Hintergrund zu treten. Bisher hätten sich die Grünen in der überragenden Mehrheit gemeinsam mit dem emanzipativen Teil der SPD immer gegen die Versuche von Union und FDP zur Wehr gesetzt, den deutschen Sozialstaat einzureißen, erinnerte Schilling.
Nach Medienberichten soll auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf der SPD-Vorstandsklausur am Wochenende Verständnis für Kritik am Koalitionspartner geäußert haben. Einige in der SPD hatten den Grünen vorgeworfen, nicht genug für die Arbeitsmarktreformen zu kämpfen und so vor der Wutwelle der Reformgegner in Deckung zu gehen. In einem SPIEGEL-Interview hatte sich Außenminister Joschka Fischer wegen des Konflikts klar zum Reformkurs bekannt.
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Bundesregierung lässt Ein-Euro-Jobs in Privatunternehmen zu
HB BERLIN. Neben öffentlich-rechtlichen Trägern dürfen auch Privatunternehmen im Rahmen der Hartz-IV-Reform so genannte Ein-Euro-Jobs anbieten. Das berichtete das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» am Samstag vorab unter Berufung auf eine Verwaltungsanweisung der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA).
Danach dürften Betriebe vom nächsten Jahr an «Arbeitsgelegenheiten» einrichten, wenn diese «zusätzlich» geschaffen werden und «gemeinnützigen Zwecken» dienen, so das Magazin. Dazu zählten der Vorschrift zufolge Aufgaben im Umweltschutz, der Jugend- und Altenhilfe oder im öffentlichen Gesundheitswesen.
Die Unternehmen müssten zugleich nachweisen, dass die Jobs nicht den Wettbewerb verzerren oder bestehende Arbeitsplätze gefährden. Sind die Bedingungen erfüllt, dürften Langzeitarbeitslose danach sowohl in privaten wie in kommunalen Pflegeheimen für Hilfstätigkeiten eingesetzt werden.
Die Caritas und die Arbeiterwohlfahrt hatten angekündigt, solche Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose anzubieten. Die Stellen werden mit ein bis zwei Euro pro Stunde von der BA unterstützt. Der Arbeitslose kann das Geld zusätzlich zum Arbeitslosengeld II zu 100 Prozent behalten. Die Einsatzzeit soll zwischen sechs und neun Monaten liegen.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte bis zu 600.000 Ein-Euro-Jobs in Aussicht gestellt. Dem Ministerium zufolge werden derzeit für 150.000 neue Arbeitsstellen konkrete Angebote konzipiert. In den vergangenen Wochen hatten Wirtschaftsverbände die Befürchtung geäußert, die Ein-Euro-Jobs könnten einseitig öffentlich-rechtliche Träger begünstigen.
Kritiker der Ein-Euro-Jobs befürchten allerdings einen Verdrängungseffekt. So warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, kürzlich vor einer zu starken Ausdehnung der Ein-Euro-Jobs. «Falls das nicht mit Augenmaß geschieht, entsteht Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt, zum Handwerk, zum Mittelstand», sagte Articus. Wenn so durch gemeinnützige Beschäftigung echte Arbeitsplätze wegfielen, «ist das eine absurde Verdrehung des ursprünglichen Ziels».
Nach dem Reformgesetz Hartz IV werden am 1. Januar 2005 die bisherige Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt. Davon sind gut 5,5 Millionen Menschen betroffen, mehr als drei Millionen von ihnen gelten als erwerbsfähig. Die monatliche Regelleistung für einen Bedürftigen beträgt im Osten 331 Euro, im Westen 345 Euro.
HANDELSBLATT, Samstag, 04. September 2004, 16:14 Uhr
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Der neue Kampf um die Straße
Dieter Stein
Die Proteste gegen die „Hartz-Reformen“ der Bundesregierung überraschen selbst hartgesottene rot-grüne Regierungsmitglieder. Einige haben ja solide Straßenkampferfahrung wie der Außenminister, der mit seiner Frankfurter „Putztruppe“ Polizisten krankenhausreif geprügelt hat. Kanzler Schröder selbst hat ebenfalls Demo-Erfahrung aus Juso-Tagen. Bei den Aufmärschen gegen Kernkraftwerke und Nato-Nachrüstung Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre wurde nicht lange gefackelt. Es flogen nicht nur Pflastersteine, es spielten sich bürgerkriegsähnliche Szenen an der Startbahn West, in Brokdorf, Wackersdorf und anderswo ab. Gerne sonnen sich die grau gewordenen Revoluzzer in ihren Heldentaten von einst und kokettieren mit dem verblichenen Anarchismus.
Man wußte, die Straße gehörte im Zweifel der Linken. Daß nun eine von ehemaligen Straßenkämpfern und 68er Jusos gestellte Bundesregierung selbst unangenehme Bekanntschaft mit dem Protest der Straße macht, ist neu. Sicher, gegen die Regierung Helmut Schmidt hatte die radikale Linke mobil gemacht. Aber war Schmidt nicht als ehemaliger Wehrmachts-Oberleutnant der knorrige Inbegriff des autoritären Staates gewesen, den man von links mit Wonne angreifen durfte?
Nun müssen sich Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Gerhard Schröder von Sonnenbrillen tragenden Sicherheitsleuten einkeilen lassen, wenn sie sich unter das Volk wagen. Als Bundeskanzler Schröder in Wittenberge den neuen ICE-Bahnhof mit einer schäumenden Schampus-Pulle einweihte, wurde nicht nur lauthals „Lügner“ gebrüllt, es segelte auch ein Ei in seine Richtung.
Dreizehn Jahre zuvor hatten sich diejenigen, die sich nun - zu Recht - über Tätlichkeiten auf Demonstrationen beklagen, noch öffentlich diebisch gefreut, als der damalige Bundeskanzler auf dem Marktplatz in Halle gleich mit einem Trommelfeuer von Eiern bedacht wurde. Nur: Dieser Kanzler hieß Kohl und hatte das CDU-Parteibuch. Derselbe Franz Müntefering, der sich heute als SPD-Chef betroffen über die Wut der Demonstranten äußert, konnte seine „klammheimliche Freude“ (Der Spiegel) über die Eier gegen Kohl 1991 kaum verbergen. Das „wirklich dicke Ei“, so der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, seien die Wortbrüche Kohls gewesen.
Eierwürfe auf den Kanzler sind natürlich ungebührlich, die hysterische Empörung von Rot-Grün ist aber verlogen. Seit Jahren sehen besonders Innenminister von Rot-Grün zu, wie Linksextremisten mit Gewalt gegen Versammlungen Andersdenkender vorgehen. Mittels nackter Gewalt wurden Wahlkampagnen oder Demonstrationen kleinerer konservativer oder rechter Parteien systematisch sabotiert, ohne daß dies einen ähnlichen Aufschrei der Empörung ausgelöst hätte. Im Gegenteil: Es herrschte und herrscht ein Klima stillschweigender Duldung der politischen Gewalt auf der Straße - sofern sie von links kommt. Kommt nun Gewalt aus der „Mitte der Gesellschaft“ wie bei den jüngsten Eierwürfen auf Schröder und auf Oskar Lafontaine, ist plötzlich das Wehklagen groß.
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gruß
proxi
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Frankfurt am Main - Harter Tobak für die Gewerkschaften: SPD-Fraktionsvorstandsmitglied Jörg Tauss erklärte, mit ihren "unsäglichen Kampagnen" gegen die Arbeitsmarktreformen liefen einige Gewerkschaften Gefahr, "zum Motor der Rechtsradikalen zu werden". Die massenhafte Wahlverweigerung gerade von Arbeitern und Arbeitslosen und der Trend zu rechtsradikalen Parteien bei der Landtagswahl im Saarland müssten dafür ein Alarmsignal sein.
Die IG Metall stellte umgehend klar, dass man nicht gemeinsam mit Rechtsextremisten demonstrieren wolle. "Wo es auch nur den Anschein hat, dass Faschisten oder Nazis mitmischen wollen, dort distanzieren wir uns", sagte der Bezirksleiter der Gewerkschaft für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Oliver Höbel, im Deutschlandradio.
Nach den Worten Höbels sieht die IG Metall Chancen, durch die Teilnahme an den Montagsdemonstrationen nachträgliche Änderungen an Hartz IV zu erreichen. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass Änderungen möglich seien, sagte Höbel.
Schröder will Gewerkschaften gewinnen
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) betonte bei seiner Rede zum 80. Geburtstag des früheren DGB-Vorsitzenden Ernst Breit, dass Gewerkschaften und Sozialdemokraten gemeinsame Überzeugungen und Werte verbänden. Gleichzeitig warnte er davor, die eingeleiteten Reformschritte nicht umzusetzen. Morgen wollen der Kanzler und die Gewerkschaftsspitzen gemeinsam über die Reformen debattieren.
Der SPD-Linke Ottmar Schreiner forderte als Konsequenz der Wahlniederlage im Saarland, die 2003 und 2004 beschlossenen Kürzungen von Sozialleistungen rückgängig machen. "Die materiellen Verschlechterungen müssen zurückgenommen werden", sagte Schreiner der "Berliner Zeitung".
Die höchsten Teilnehmerzahlen für die Proteste werden wie in den vergangenen Wochen in Ostdeutschland erwartet. Werner Halbauer vom Berliner Sozialforum sagte auf Anfrage, er rechne beim Leipziger Sozialforum mit ähnlichen Zahlen wie in der Vorwoche, als mehr als 20.000 gezählt wurden. In der sächsischen Stadt ist nach der Montagsdemonstration eine Podiumsdiskussion geplant, an der unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Thierse teilnehmen sollte. In Magdeburg erwartete Organisator Andreas Ehrholdt 15.000 Menschen.
Die Organisatoren der Proteste kündigten unterdessen an, künftig stärker zusammenzuarbeiten. "Die wichtigen Demo-Zentren sind enger zusammengerückt", sagte Attac-Sprecher Pedram Shahyar. Am 11. September solle bei einem weiteren Treffen in Leipzig entschieden werden, ob die am 2. Oktober geplante bundesweite Großdemonstration in Berlin stattfindet. Attac will die Protestveranstaltung gemeinsam mit Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und der PDS organisieren.
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Die Feinde Deutschlands - die Würmer im faulen Apfel: Proxicomi und Peters.
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Matthäus 18
Deshalb: Wenn deine Hand oder dein Fuß dich zum Bösen verführen, hacke sie ab und wirf sie weg. Es ist besser, du gehst verstümmelt ins ewige Leben als mit gesunden Händen und Füßen ins ewige Feuer.Wenn dich dein Auge zur Sünde verführt, so reiß es heraus und wirf es weg. Es ist besser, mit nur einem Auge das ewige Leben zu erhalten, als mit beiden Augen in die Feuerhölle geworfen zu werden.
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Proxicomi, wir sollten Dich abhacken und Peters herausreissen, dann geht es Deutschland bald wieder besser.
"Adolf, gib uns Arbeit, gib uns Brot - sonst werden wir rot." (Flüsterspruch bei NSBO-Gruppen in Hitlers erstem Regierungsjahr)
Zuckerbrot und Peitsche
Von zentraler Bedeutung war für den Nationalsozialismus nach der Machtübernahme das Verhältnis zur Arbeiterklasse. Die Mehrheit der Arbeiter fühlte sich weiterhin SPD und KPD zugehörig. Der Nationalsozialismus stellte sich eine doppelte Aufgabe. Auf der einen Seite wollte man die marxistische Arbeiterbewegung restlos zerschlagen. Auf der anderen Seite war Hitler sich völlig im klaren darüber, daß ohne Unterstützung oder wenigstens Duldung der Arbeiterklasse kein Krieg zu führen war. Um ein neues 1918 zu verhindern und eine stabile gesellschaftliche Ordnung zu finden, mußte die NSDAP sozialpolitische Kompromißpolitik machen. "In privaten Gesprächen ließ Hitler oft durchblicken, daß man nach der Erfahrung von 1918 nicht vorsichtig genug sein könne", [83] berichtete Albert Speer. Wie ein Damoklesschwert hingen die Erfahrungen des Arbeiteraufstandes im 1.Weltkrieg über dem "Dritten Reich". 1936 legte Robert Ley in einer sozialpolitischen Diskussion über die Belastbarkeit des Volkes im Krieg die Lehren der Novemberrevolution dar: "Da gibt es eine Grenze, und wenn diese Belastungsgrenze erreicht ist, dann bricht das eben. Und die war bei uns eben da 1918 am 9. November, daß die regierenden Männer vergaßen, dem Volk die ungeheure Belastung dieser viereinhalb Jahre auf der anderen Seite neue Kräfte einzugeben und immer wieder hinein zu pumpen." [84] Nur mit Terror ließ sich der Klassenkampf nicht durch einen Klassenkompromiß ersetzen. Die Mischung aus Terror und sozialen Zugeständnissen war während der gesamten 12 Jahre der Ausdruck der Doppelaufgabe. Neben der notwendigen Zufriedenstellung wollten die Nationalsozialisten die Arbeiterklasse als festen Bestandteil in die deutsche "Volksgemeinschaft" einbinden.
Um die Arbeiterklasse beeinflussen zu können, mußten die Nazis erst einmal die sozialdemokratische und kommunistische Bewegung brutal zerschlagen. Die KPD wurde schon im Februar 1933 nach dem wahrscheinlich von Göring inszenierten Reichstagsbrand verboten und hunderte Arbeiterfunktionäre verhaftet. Massenwiderstand gegen diese Verfolgungen blieben aus, da die KPD auf diesen Terror kaum vorbereitet war und ihre treuen Anhänger gegen die gewaltige Massenbasis der NSDAP nichts ausrichten konnten. Außerdem besaß die KPD kein Programm, um den Kampf mit der NSDAP um die kleinbürgerlichen Massen aufzunehmen.
Mit der Einführung des 1. Mai als bezahltem Feiertag wurde dann aber eine uralte Forderung der Arbeiterbewegung erfüllt. Das war ein großes Zugeständnis und eine gesellschaftliche Aufwertung der Arbeiterklasse. Am 1.Mai 1933 demonstrierten ADGB und NSBO gemeinsam. Doch der Tag bekam eine völlig neue Bedeutung. Anstelle "internationaler Kampftag der Arbeiterklasse" hieß er nun "Tag der nationalen Arbeit" und stand für die Integration des deutschen Arbeiters in die "Volksgemeinschaft". So war im Aufruf von Goebbels zum 1. Mai folgendes zu lesen: "Die Schranken von Klassenhaß und Standesdünkel wurden niedergerissen, auf daß Volk wieder zu Volk zurückfand. Nun stehen wir vor der schweren und verantwortungsvollen Aufgabe, nicht nur das deutsche Arbeitertum zum sozialen Frieden zurückzuführen, sondern es als vollberechtigtes Glied in den Staat und in die Volksgemeinschaft mit einzufügen. (...) Ehret die Arbeit und achtet die Arbeiter!" [85]
Am 2. Mai war der ADGB an der Reihe. Die Gewerkschaftsführung hatte sich bis dahin bei den Nazis angebiedert und wiederholt versprochen, im "Dritten Reich" eine "loyale Opposition" zu sein. Das half ihnen aber nichts. Nach dem 1.Mai 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen. Bis zum Verbot der SPD sollte es nicht mehr lange dauern. Die SPD-Führung, die auch nach dem Ermächtigungsgesetz weiter den Legalitätskurs predigte, mußte in die Emigration gehen. Teil Eins von Hitlers Plan war erfüllt: Die Arbeiterbewegung war zertrümmert. Jetzt stand er vor der viel schwereren Aufgabe, die Arbeiterklasse für den Nationalsozialismus zu gewinnen.
Das zentrale soziale Problem war 1933 die Arbeitslosigkeit. Über 40 % der männlichen Industriearbeiter hatte keine Arbeit. [86] Gerade die jungen Arbeiter lernten in den letzten Jahren der Weimarer Republik die Stempelstellen besser kennen als die Industrie. Hitler versprach in seiner ersten Regierungserklärung, die Arbeitslosigkeit binnen 4 Jahren zu beseitigen. An diesem Versprechen wurde die Vertrauenswürdigkeit der neuen Regierung gemessen.
In den zwei ersten Jahren blieben trotz viel statistischer Kosmetik die großen Erfolge aus. Bis 1936 gelang es der Regierung, die Arbeitslosigkeit fast restlos zu beseitigen. Wie gelang Hitler dieses Unternehmen, an dem alle seine Vorgänger kläglich gescheitert waren? Auf diese Frage gibt es nicht nur eine Antwort. Der Wirtschaftsaufschwung durch die forcierte Aufrüstung trug sicherlich einen bedeutenden Teil dazu bei. Am 8. Februar 1933 erklärte Hitler im Reichskabinett: "Jede öffentlich geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme müsse unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, ob sei notwendig sei vom Gesichtspunkt der Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes." [87] Neben der Aufrüstung investierte der Staat aber auch große Summen für die Arbeitsbeschaffung. Am 1. Juni 1933 wurden mit dem "Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit" 1 Milliarde Reichsmark und am 1. September 500 Millionen RM für Instandsetzungsarbeiten investiert. [88] Hauptnutznießer dieser Maßnahmen war die Bauindustrie. Insgesamt betrugen die Ausgaben für zivile Arbeitsbeschaffung von 1932 bis 1939 ca. 7 bis 8 Milliarden RM. Zum Vergleich, für Rüstung waren es 60 Milliarden. [89]
Neben dieser keynesianischen Investitionspolitik wurden auch Arbeitsplätze für Männer frei, indem ein Teil der Frauen wieder an den Herd geschickt wurde. Das Gesetz über das Ehestandsdarlehen schaffte dazu den notwendigen sozialen Anreiz: 1000 RM bekamen junge Familien zinslos. Pro Kind mußte das Ehepaar 200 RM weniger zurückzahlen. Bedingung war allerdings bis 1937, daß die Frau aufhören mußte zu arbeiten und ärztliche Untersuchungen der Ehepaare auf sogenannte Erbkrankheiten aller Art durchgeführt wurden. Viele Familien nahmen die 1000 Mark trotz des "Ariernachweises" gerne an. In einigen Bereichen stoppte die NSDAP die Maschinisierung, um Arbeitsplätze zu schaffen. Im Tiefbau durfte die Arbeit sogar nur noch in Handarbeit ausgeführt werden und die Neuaufstellung von Maschinen in der Tabakindustrie wurde verboten. [90]
Durch die erfolgreiche Arbeitsbeschaffung trat bald ein Mangel an Facharbeitern ein, und durch Bevorzugung fanden auch viele "alte Kämpfer" von der SA und Partei wieder Arbeit. Viele Legenden gibt es bis heute um den Bau der Reichsautobahn. In Wirklichkeit beschäftigte dieses Projekt nur 5 % der Arbeitslosen. Zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit trug auch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1936 und das "hauswirtschaftliche Jahr" für Mädchen 1938 bei.
Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit war kein zufälliges Nebenprodukt der Kriegsvorbereitung, sondern ein durch verschiedene Maßnahmen herbeigeführtes Ergebnis, das die Arbeiterklasse für den Krieg neutralisieren sollte. Als jedenfalls 1936 die 6 Millionen wieder Arbeit hatten, war in den Augen von Millionen Deutschen Hitler der Mann, der zu seinem Wort stand, während die Sozialdemokraten und Kommunisten, die Woche für Woche Hitlers Wahlversprechen als Lüge bezeichnet hatten, unglaubwürdig erschienen.
Löhne und Arbeitszeiten
Bis zu den Veränderungen nach 1936 war das Lohnniveau durchschnittlich eingefroren worden. Nach dem Arbeitsordnungsgesetz vom 1. Mai 1933 sollten die gültigen Tarifverträge durch von den Unternehmen erlassene Tarifverträge abgelöst werden. [91] Diese Regelung verstärkte aber die Unzufriedenheit in den Betrieben. So mußte selbst Hitler in seiner Rede am 21. März 1934 eingestehen, daß der deutsche Arbeiter "zum Teil geradezu unmögliche Lohnsätze" erhalte. [92] Am 28. März 1934 ordnete der Reichsarbeitsminister schließlich die unbefristete Weitergeltung der noch laufenden Tarifverträge an. [93] Die Lohnpolitik lief in den ersten 2 Jahren nur darauf hinaus, eine offene Rebellion zu verhindern. Hitler wandte sich 1934 energisch gegen einen Anstieg der Lebensmittelpreise, da die Entwicklung sonst zu einer "revolutionären Situation" führen könnte. [94] Die Lebensmittelpreise stiegen von 1933 bis 1936 trotzdem um 10 %. [95]
Das Lohnniveau war in den einzelnen Industriezweigen sehr verschieden. Die Schere ging im Zuge der Aufrüstung noch weiter auseinander. Die Industrien, die vom Rüstungs- und Bauboom profitierten und so unter Facharbeitermangel litten, mußten die Löhne schnell erhöhen. Die Betriebe zahlten "Locklöhne", um die nötigen Arbeitskräfte anzuwerben. Außerdem entstand ein starkes Ost- Westgefälle. Ein Arbeiter verdiente in Hamburg doppelt so viel wie in Ostpreußen und an der Ruhr 20 % mehr als in Oberschlesien. [96] Zwischen Dezember 1935 und Juni 1939 stieg der Stundenlohn in der Industrie insgesamt um 10,9 %. Die Wochenlöhne fielen auf Grund der längeren Arbeitszeit 17,4 % höher aus. Durch den Lohnanstieg in der Industrie erhöhte sich die Konsumkraft der Arbeiter um 85 Millionen Reichsmark pro Woche. [97] Die stärkere Kaufkraft kam so auch der Konsumgüterindustrie zugute. Wegen der hohen Überstunden vor dem Krieg gab es in der Industrie die bis dahin höchsten Löhne. [98]
Im Gegensatz zur Industrie sanken die Löhne der Landarbeiter und auch in vielen Handwerksbetrieben. Von dieser Entwicklung waren gerade die Frauen betroffen, die fast 50 % der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft stellten. Um die Abwanderung der Landarbeiter und Handwerker in die besser zahlende Rüstungsindustrie zu stoppen, wurde 1935 die freie Arbeitsplatzwahl untersagt. Die Unterschiede in der Konsumgüter- und Schwerindustrie glichen sich aber im Laufe der Zeit an. "Die Unfähigkeit von Arbeitern in vielen Zweigen der Konsumgüterindustrie, eine Erhöhung ihrer ohnehin sehr niedrigen Verdienste in den Jahren 1933 bis 1936/37 durchzusetzen, Jahre in denen die gelernten Maschinenbau- und Bauarbeiter beträchtliche Lohnerhöhungen erzielten, war vor allem Resultat einer zunehmend ungleichen Verteilung der Arbeitslosigkeit. Die Unterschiede zwischen den Verdiensten wuchsen nur, weil (und solange wie) Arbeiter in der Konsumgüterindustrie auf ihre Arbeitgeber keinen effektiven Druck ausüben konnten - aber ab 1937 waren sie dazu in der Lage, und die Lücke schloß sich wieder ein wenig." [99]
Beim Urlaub konnten schon von Anfang an einige Verbesserungen erzielt werden. Nachdem der 1. Mai bezahlter Feiertag wurde ( im Krieg 1942 wurde er wieder abgeschafft), erhöhte die Regierung den Mindesturlaub für Industriearbeiter von 3 auf 6 Tage [100]. Ab 1937 wurden auch die anderen gesetzlichen Feiertage bezahlt. Gerade die jungen Arbeiter bildeten eine feste Basis der NSDAP in der Arbeiterklasse. Um diese Folgsamkeit zu festigen, schuf man unter dem Stichwort "Jugendschutz ist Volksschutz" ein besonderes Urlaubsgesetz. Das "Gesetz über Kinderarbeit und über die Arbeitszeit von Jugendlichen" vom 30. April 1938 hatte folgendes zu bieten: Ausdehnung des Jugendschutzes von 16 auf 18 Jahre und bezahlten Mindesturlaub für Jugendliche unter 16: 15 Werktage und über 16: 12 Werktage, der bei Teilnahme an HJ- Fahrten auf 18 Tage erhöht werden konnte. [101] Ein solches Urlaubsgesetz für Jugendliche hatte es bisher in Deutschland noch nicht gegeben.
Besonders an die Arbeiterjugend richtete sich auch die "Olympiade der deutschen Arbeit", zu der die HJ und DAF aufriefen. Alle Jugendlichen sollten sich an diesem "Leistungskampf" beteiligen. Die Sopade-Berichte meldeten dazu: "Zwar interessierte die Jugendlichen nicht so sehr die Erhöhung ihrer Qualifikation, aber neben den verschiedenen ‘wirtschaftlichen Anreizmitteln’ wie Abkürzung der Lehrzeit, Gratifikation, Sonderurlaub usw. seien es vor allem der ‘Kampf selbst und die allgemeine Betriebsamkeit’, die sie mitrissen." [102] Der Wettbewerb führte aber zum Nachteil der Jugendlichen zur erheblichen Steigerung des Leistungsdrucks, was wohl auch das Ziel der sogenannten Olympiade war.
Die Unternehmer brachten Einwände gegen den Wettbewerb vor. Schacht hatte am 5. August 1937 allen Betrieben verboten, am Leistungskampf teilzunehmen, solange Göring nicht die Mitsprache der gewerblichen Wirtschaft bei der Auszeichnung gewährleistete. [103] Das Reichswirtschaftsministerium wollte eine Aussetzung des Wettbewerbs mit der Begründung erreichen, daß Kapital fehlgeleitet werden könnte und die Einführung der Sozialleistungen eine indirekte Lohnerhöhung darstelle. [104]
Aufstieg der DAF
In der Arbeits- und Sozialpolitik spielte die Deutsche Arbeitsfront im "Dritten Reich" eine zentrale Rolle. Nachdem ihre Rolle in den ersten Jahren sehr beschränkt blieb, stieg sie zur mächtigen Organisation auf, die durch die Zwangsmitgliedschaft und Übernahme des Gewerkschaftseigentums die mitgliederstärkste Organisation des NS- Staates wurde. Die DAF stellte dabei weder eine Handlangerorganisation der Unternehmer, noch eine "Quasi-Gewerkschaft" dar. Sie war die Organisation, die durch Sozialpolitik und Propaganda die Arbeiterklasse in den NS- Staat integrieren sollte. Die Unternehmer traten ihr nur widerwillig bei und spielten in der Organisation keine große Rolle.
Nachdem die Verordnung über die DAF vom Oktober 1934 ihr nur eine Erziehungsrolle zugedacht hatte, versuchte Ley, den Einfluß seiner Organisation durch Vertretung von Forderungen der Arbeiter zu vergrößern. So griff 1934 die DAF auf Seiten der Arbeiterklasse ein. Im April 1934 legten die Unternehmer des Bergbauvereins und der Arbeitsminister die Kürzung des Urlaubsgeldes auf 70 % fest. Ley sprach vor den Kumpels: "Euch Männern der Kohle will man die hundertprozentige Bezahlung eures Urlaubs nicht bewilligen, euch, die ihr ihn am allernotwendigsten hättet, denn eure Arbeit ist mit Geld gar nicht zu bezahlen. (...) Eins aber sage ich euch schon heute, und (...) auch euren anderen Kameraden an der Ruhr: Ihr bekommt euren Urlaub bezahlt, und zwar mit 100 Prozent." [105] Nach dieser Aktion intervenierte Thyssen empört bei Hitler. Doch Ley konnte sich durchsetzen. Das Urlaubsgeld wurde nicht gekürzt. Im August 1933 setzte sich die DAF vergeblich für die Erhöhung der Löhne in der Bauindustrie ein und 1934 für die Erhöhung der Löhne im Bergbau. [106] Der Treuhänder der Arbeit Sachsens meldete: "In den Versammlungen der DAF sind Lohnfragen das beherrschende Thema. In vielen Fällen nehmen Versammlungen einen stürmischen Verlauf. Einige mußten wegen Unruhen abgebrochen werden." [107]
Da der Nationalsozialismus in den ersten drei Jahren die Löhne einfror und außer den Erfolgen bei der Beseitigung der Arbeitslosigkeit der Arbeiterklasse nicht viel zu bieten hatte, war sowohl Ley als auch Hitler klar, daß eine Wende herbeigeführt werden mußte. Auf Grundlage der Vollbeschäftigung 1936 begann der Aufstieg der DAF und der Ausbau der Sozial- und Lohnpolitik. Das Reichskriegsministerium stellte im Februar 1936 fest: "Die Betriebsverwalter können dem Druck der Gefolgschaftsmitglieder nicht mehr standhalten." [108] Durch den Facharbeitermangel und die Beseitigung des Schreckgespenstes Arbeitslosigkeit wurden die Forderungen in den Betrieben nach Lohnerhöhungen lauter. Dieser Druck steigerte sich noch, da 1938 schon 1 Million Arbeitskräfte fehlten. So schrieb der Autor T. Mason richtig: "Im Namen einer ideologisch verstandenen Überwindung der Klassengegensätze und einer vermeintlichen Steigerung der Produktivität war die DAF zum Verfechter der Lebens- und Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers in der Industrie geworden." [109]
Im Sommer 1936 machte sich die DAF zum Sprachrohr der Forderung der Arbeiter im Kohlebergbau und verlangte kürzere Arbeitszeiten und mehr Kindergeld. Die alte Forderung nach der Gewinnbeteiligung von Arbeitern an den Betrieben wurde wieder aufgegriffen. Dabei unterstützte sie auch der HJ-Führer Arthur Axman, der ein Verbot von Kinderarbeit, die Verkürzung der Arbeitszeit und Gewährung eines dreiwöchigen bezahlten Urlaubs verlangte. [110] Die DAF rief nun regionale Arbeitsausschüsse ins Leben, die immer mächtiger wurden und als Konkurrenz zu den Treuhändern der Arbeit und den Unternehmern auftraten. Robert Ley wollte den "Totalitätsanspruch der Deutschen Arbeitsfront durchsetzen" [111] und das gesamte Sozialsystem übernehmen.
Um eine leichte Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zu erzielen, ohne in Konfrontation mit den Unternehmern zu geraten, startete die DAF die Aktion "Schönheit der Arbeit". Im Rahmen dieser Aktion wurden Kampagnen, wie "Laßt den Frühling in die Betriebe", "Gutes Licht - Gute Arbeit", "Warmes Essen im Betrieb", "Gesunde Luft im Arbeitsraum", "Saubere Menschen im sauberen Betrieb" durchgeführt. Es konnten so in angeblich über 70.000 Betrieben Küchen, Sportanlagen, Grünanlagen usw. geschaffen werden. [112] Im Zusammenhang mit dem "Leistungskampf" der deutschen Betriebe erhielten ab 1937 die besten Betriebe, die die Leistung steigerten und "Schönheit der Arbeit" durchführten, die Auszeichnung als "nationalsozialistische Musterbetriebe" und wurden bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt behandelt.
Kraft durch Freude [113]
Um die ideologische Beeinflussung der Arbeiterklasse zu erhöhen, schuf die Deutsche Arbeitsfront die Organisation "Kraft durch Freude" nach dem Vorbild der von den italienischen Faschisten gegründeten Freizeitorganisation "Opera Nazionale Dopolavoro" (Nach der Arbeit). Erklärtes Ziel von KdF war die alte Gewerkschaftsforderung, den deutschen Arbeitern einen billigen Urlaub zu bieten. So konnte man z. B. 3 Tage zum Bodensee für 7,90 RM, einen 14-tägigen Sommerurlaub am Tegernsee für 54 RM machen oder für ein paar Mark zum Oktoberfest nach München fahren. Ebenfalls wurde ein Theater- und Kulturprogramm angeboten, in dem nicht nur NS- Propagandastücke dargeboten wurden. An diesen Angeboten konnte die Masse der Arbeiter teilnehmen. An den propagandistisch am meisten ausgeschlachteten KdF-Seereisen mit der "Robert Ley" nach Teneriffa nahmen hingegen nur wenige Arbeiter teil. Unter 20 % der Seereisenden waren Arbeiter. Nur 1 % aller Arbeiter konnten auf den Luxusdampfern mitfahren. Im Kern waren es "Seereisen für den Mittelstand". Trotzdem riß "Kraft durch Freude" Standesschranken nicht nur scheinbar, sondern real ein. Nur einige Jahre zuvor wäre ein solcher Urlaub für einen kleinen Kaufmann oder Arbeiter undenkbar gewesen. Auf Rügen wurde mit dem Bau eines neuen Seebades mit einer Jahreskapazität von ca. 350.000 Urlaubern begonnen. Mit dem Krieg wurde das Projekt allerdings nicht mehr weitergeführt.
Die DAF drang auch in den Sport ein. Unter dem Stichwort KdF-Sport wurden Hunderte von Turnhallen und Sportplätzen gebaut. "Kampf den Vorurteilen, es gibt keine feudalen Sportarten mehr", hieß die Parole, die es auch einigen Arbeitern möglich machte, Tennis oder Golf zu spielen. Nicht zu vergessen ist allerdings, daß gerade der Sport stark von der Rassenideologie und dem faschistischen Körperkult geprägt war. Nach der gewaltsamen Zerschlagung der Arbeitersportvereine wurde so der Sport dem Nationalsozialismus dienstbar gemacht.
Mit dem Krieg wurde das Ende von "Kraft durch Freude" eingeleitet. Aber auch die Nazigrößen waren mit ihrer Organisation nicht mehr zufrieden. Starke, der Pressereferent der DAF, legte die Ziele von KdF offen dar: "Wir schickten unsere Arbeiter nicht auf eigenen Schiffen auf Urlaub oder bauten gewaltige Seebäder, weil uns das Spaß machte... Wir taten das nur, um die Arbeitskraft des einzelnen zu erhalten und um ihn gestärkt und neu ausgerichtet an seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu lassen." [114] Dieses Ziel erreichte man anscheinend nicht. Göring stellte bereits im Juli 1938 verärgert fest, "die Arbeitsfront solle weniger Freude, dafür aber mehr Kraft machen." [115] Auch Goebbels bedauerte 1941, KdF degradiere zur "Rummelbewegung". Der DAF- Kriegsorganisationsplan vom 26.1.1942 hob KdF schließlich faktisch auf. [116] Die KdF-Schiffe wurden jetzt für Truppentransporte oder als schwimmende Lazarette eingesetzt.
Richtig betrogen wurde die Arbeiterklasse durch die Volkswagenaktion, die auch ein Teil von KdF war. 1938 begann sie mit großem propagandistischen Aufwand. Der "Sozialismus der Tat" versprach dem Arbeiter ein eigenes Auto. Durch langfristiges Sparen sollte man zum billigen Volkswagen kommen. 336.668 Sparer zahlten bis Kriegsausbruch 236 Millionen RM ein. [117] Kein einziger Wagen wurde ausgeliefert. Selbst als klar war, daß an Stelle von Autos in Wolfsburg Kriegsfahrzeuge hergestellt wurden, warb die DAF noch für den VW.
Das Verhältnis der Arbeiterklasse zum NS-Staat
Bekanntlich blieb die proletarische Revolution, selbst ein Massenwiderstand der Arbeiterklasse gegen den nationalsozialistischen Staat aus. Der Terror ist jedoch keine Erklärung dafür, daß Millionen Arbeiter überzeugte Hitleranhänger wurden, andere Millionen das System freiwillig mit trugen und zwar bis in die letzten Kriegsmonate. Durch die praktischen sozialen Erfahrungen eroberte die NSDAP bis zum Krieg die große Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse. Diese Erfahrungen reichten aus, um den Raubkrieg des Verbrecherregimes als Krieg für die eigenen Interessen zu betrachten und den Nationalsozialismus bis zur letzten Kugel zu verteidigen. Bis die Nazis die Masse der Arbeiter gewonnen hatten, dauerte es aber Jahre.
Bei den letzten Wahlen im März 1933 zeigten sich die Arbeiter von dem neuen Regime wenig beeindruckt. Trotz Terror stimmten 12,3 % der Bevölkerung für die KPD und 18,3 % für die SPD. Noch größeren Widerspruch erntete die NSDAP bei den Betriebsratswahlen im März 1933. Die Vertreter der NSDAP und der anderen Rechtsparteien kamen auf etwa 25 %. Mit dem Gesetz vom 4.April wurden die Betriebsratswahlen deshalb abgeschafft. [118] Am 1. Mai 1933 kam es zu Gegendemonstrationen in vielen großen Städten. Noch traute man sich, der Regierung offen entgegenzutreten. Als nach der Zerschlagung des ADGB die Zwangsmitgliedschaft in der DAF eingeführt wurde, verweigerten viele Arbeiter aus Protest die Beitragszahlungen. Die monatlichen Beitragsleistungen sanken im Laufe des Sommer 1933 von 17 auf 8 Millionen. [119]
Mit dem Gesetz zur "Ordnung der nationalen Arbeit" konnten in den Betrieben Vertrauensräte gewählt werden, die natürlich nicht die Klasseninteressen vertraten, sondern den "Betriebsfrieden" sichern sollten. Bei den Vertrauensratswahlen 1934 blieben 60 % der Wahlberechtigten der Abstimmung fern. Die Ergebnisse wurden nie veröffentlicht. Bei den Vertrauenswahlen 1935 stimmten angeblich 83 % für Betriebsführer und Obleute der NSDAP. Parteiinterne Berichterstatter fürchteten, sich mit diesen Zahlen vor "der gesamten Arbeiterschaft lächerlich" zu machen, [120] woraus man auf eine immense Wahlfälschung schließen kann. Die Wahlen fanden nie wieder statt. Sie zeigten eindeutig, daß die große Mehrheit der Arbeiter die Vertreter der NSDAP in ihrem eigenen Betrieb ablehnte. Da es nach 1935 in den Betrieben überhaupt keine Wahlen mehr gab, ist das Maß der Zustimmung oder Ablehnung schwer einzuschätzen. Die Ablehnung Hitlers und des NS-Staates im allgemeinen konnte daraus nicht automatisch geschlossen werden. Viele trauten aus betrieblichen Erfahrungen den Parteivertretern nicht, hatten aber trotzdem Vertrauen zu Hitler. Den Führer-Mythos sollte man nicht unterschätzen.
Daß es trotzdem noch weiter Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse gab, zeigten einige Treuhänderberichte. Aus einem Bericht des Treuhänders der Arbeit in Hessen von 1936 geht hervor: "Die scheinbare Ruhe in der Arbeiterschaft stellte seiner Ansicht nach keine "wahrhafte Befriedung" dar; viel eher sei sie durch "Resignation und Verzicht" gekennzeichnet. Bei den Arbeitern bestehe vielmehr die Auffassung, daß die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nur dem Unternehmer Erholung von seinem wirtschaftlichen Niedergang gebracht habe". [121]
In vielen Betrieben wurde der Kampf für höhere Löhne mit neuen Mitteln fortgeführt. Streiks gab es zwar hin und wieder, aber damit setzte man schließlich sein Leben aufs Spiel. Die Funktionäre der DAF zählten von Februar 1936 bis Juni 1937 192 Streiks. Allerdings waren die Streiks begrenzt und kurz, in nur 6 Fällen waren mehr als 80 Leute beteiligt. [122] Die neuen Lohnkampfmethoden waren individuell. Die Arbeiter wechselten in Betriebe mit höheren Löhnen, da sie bis 1938 die Freiheit hatten, den Arbeitsplatz zu wechseln. Auch noch 1938/1939 wechselten alle Beschäftigten den Arbeitsplatz durchschnittlich einmal im Jahr, da das Gesetz nicht durchgesetzt wurde. [123] Die Unternehmer setzten weiterhin Locklöhne und zusätzliche Krankenversicherungen und Urlaubsgelder ein, um Arbeiter abzuwerben. [^124] 1938 wurde die zivile Dienstpflicht eingeführt, um den Arbeitswechsel zu unterbinden. Der Treuhänder der Arbeit berichtete 1937 über die Stimmung in den Betrieben, daß die steigenden Löhne "die Stimmung der Arbeiter nicht verbessert" hätten. "Es hat sogar den Anschein, als ob der Arbeiter unzufriedener geworden ist." [125] Diese Berichte stimmten allerdings mit den Ereignissen um den Anschluß des Saarlandes und Österreichs nicht überein.
Im Saarland, das 1918 unter die Verwaltung des Völkerbundes fiel, zeigte sich die große Bedeutung der nationalen Frage und die Haltung der Arbeiter zum NS-Staat. Die Beseitigung des Versailler Vertrages war wohl der breiteste Konsens in der deutschen Bevölkerung. Auch die SPD und KPD hatten die Pariser Vorortverträge immer prinzipiell abgelehnt. Allerdings waren die Arbeiterparteien und die bürgerliche Mitte für die friedliche Beseitigung der französischen Nachkriegsordnung eingetreten.
Wie im Vertrag von Versailles festgelegt, wurde hier 1936 eine Volksabstimmung durchgeführt, ob der Status quo beibehalten oder das Saarland an Deutschland oder Frankreich angegliedert werden sollte. Da die Wahlen vom Völkerbund überwacht wurden, sahen SPD und KPD die große Chance gekommen, die Wahl zu einer antifaschistischen Machtdemonstration zu machen. SPD und KPD wollten die Angliederung an das "faschistische Reich" verhindern und riefen auf, für den Status quo zu stimmen. Noch bei der Wahl 1932 kamen SPD und KPD zusammen auf 32 % der Stimmen, linke Splittergruppen auf 6 %. Der Sozialdemokrat Otto Braun rechnete mit 60 % der Stimmen für den Status quo. Doch es sollte ganz anders kommen. 90,8 % der Wähler votierten für den Anschluß, nur 8,9 % für den Status quo und 0,4 % für den Anschluß an Frankreich.
Die große Mehrheit der Arbeiter des industriell geprägten Saarlands hatte damit für den Anschluß an Hitler-Deutschland gestimmt. Die widersinnige Abtrennung des Saarlandes von Deutschland zu beenden, hatte vor der Überlegung überwogen, die nationalsozialistische Herrschaft nicht noch mehr auszuweiten. Bei dieser Wahl spielte aber auch die soziale Frage eine Rolle. Zumindest die 24 % Erwerbslosen werden aus diesem Blickwinkel auf das Deutschland der Vollbeschäftigung geguckt haben. Die saarländische Arbeiterklasse hatte trotz der Zerschlagung ihrer Organisation im Reichsgebiet die Angst vor Hitler verloren. Bei der Anschlußfrage spielten auch die konfessionellen Unterschiede keine Rolle. Im katholischen Saarland war das Zentrum die stärkste Partei gewesen. Die Katholiken stimmten ebenfalls für den Anschluß an Deutschland.
Dasselbe Bild zeichnete sich beim Anschluß Österreichs 1938 ab. Trotz Betrug und Terror der Nazis bei der Volksabstimmung bestreitet heute kein Historiker die große Zustimmung in allen Teilen der Bevölkerung für die Herstellung Großdeutschlands. Der Parole "rot, weiß, rot - bis in den Tod", die für die österreichischen Antifaschisten blutige Wahrheit werden sollte, folgten nur wenige. Die Auffassung, Österreich und Deutschland gehören zusammen, die auch in der Arbeiterbewegung beider Staaten Traditionen hatte, überwog. [126] Außerdem traf Österreich die Weltwirtschaftskrise besonders hart. Weder die Republik noch das Dollfuß-Regime waren in der Lage, die sozialen Probleme wie die Arbeitslosigkeit zu lösen.
Die einzige richtige Position war in beiden Abstimmungen, gegen den Anschluß zu stimmen, um den Nationalsozialismus zu schwächen und Tausenden Menschen Tod und Elend zu ersparen. Die große Mehrheit der Arbeiterklasse entschied sich in diesen Jahren aber für Hitler.
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gruß
proxi
Optionen
Will er davon nichts wissen, nimm einen oder zwei andere mit, und versucht es noch einmal gemeinsam, ihn zur Einsicht zu bringen.
Wenn er auch dann nicht hören will, bringe die Sache vor die Gemeinde. Nimmt er selbst das Urteil der Gemeinde nicht an, dann behandle ihn wie einen, der gottlos und ungläubig ist.
Vater Staat und seine Kinder
Von Jürgen Kaube
06. September 2004 Es liegt die Angst vorm Niedergang auf dem Land. Drei Millionen Menschen sind von den "Hartz IV"-Gesetzen derzeit betroffen. Eine Million davon wird durch sie vermutlich begünstigt. Dennoch melden sich ständig Proteste, die ein Drittel der Gesellschaft ins Abseits gestellt sehen, und es werden Prognosen des Abrutschens mittlerer Schichten und der Abwendung von der Demokratie gemacht, die weit über solche Zahlen und deren ökonomische Ausdeutung hinausgehen. Als glaubten sie nicht an eine gemeinsame Zukunft, als fürchteten sie, aus dem gesellschaftlichen Leben selbst herauszufallen, sprechen die Demonstranten davon, Hartz IV nehme ihnen die Menschenwürde.
Der Schlüssel zu dieser Definition des würdigen Menschseins ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Der Titel "Arbeitslosengeld II" wird als Euphemismus wahrgenommen - denn tatsächlich sieht man sich zum dauerhaften Fürsorgefall gemacht, zu Leuten, die nur noch statistisch als Anwärter auf Arbeit geführt werden. "It's not an underclass anymore, it's an outer class", so hatte Bill Clinton vor zehn Jahren die neue Klientel der amerikanischen Armutspolitik beschrieben.
Der Sozialstaat dankt ab
Was gerecht ist
In das Schicksal einer solchen, vor allem regional und durch ihr Alter definierten Außenseiterklasse zu geraten ist die Furcht im Osten. Man hat das Gefühl, an einer Wende im Staatsverständnis der Nachkriegszeit zu stehen, aber weil sie weder durch eine Revolution noch durch einen Krieg markiert wird, teilt sich diesem Gefühl nicht einmal die Illusion mit, man gehöre vielleicht zu den Gewinnern des Umbruchs. Der Sozialstaat, wird befürchtet, dankt ab, wie er gekommen ist: in Schüben.
Auf die Realitäten berechnet, droht dieser Komplex aus Sorge, Ressentiment, Information und Apathie seine eigenen Voraussetzungen zu verstärken. Daran zu verzweifeln, daß die eigenen Kinder es nicht besser haben werden als man selbst und man selbst es nicht so gut hat wie erwartet, sorgt gewiß dafür, daß es auch genau so kommt. In schwieriger Lage ist Zweckoptimismus keine sinnvolle Alternative; aber es würde sich statt dessen lohnen, die offenkundigsten Lebenslügen, die sich in jener Lage einrichten, abzustoßen.
Lizenz zum Extrem
Geht es wirklich um Arbeit?
Zum Beispiel den Ruf nach Arbeit. "Arbeit!", so steht es auf jedem zweiten Plakat der Montagsdemonstrationen. Um Arbeit fühlen sich die Demonstranten betrogen. Arbeit versprechen ihnen die PDS und die NPD, die beide offenbar aus jeweils eigener historischer Anschauung die Gewißheit ziehen, daß der Staat wenigstens Arbeitsplätze schaffen kann. Man spielt Weimar: Massenarbeitslosigkeit erteilt die Lizenz zum Extrem und dazu, an der Demokratie irre zu werden, nicht allerdings ohne zugleich die Absicht mitzuteilen, die PDS oder NPD oder DVU also doch immerhin wählen zu wollen.
"Arbeit und Gerechtigkeit", so nennt sich schließlich die Initiative, die links von der SPD vielleicht eine Partei gründen möchte. Daß dabei dem Versprechen von Arbeit das von Gerechtigkeit hinzugefügt wird, ist entscheidend. Wenn wir euch schon nicht Arbeit bringen, heißt das, dann wenigstens Gerechtigkeit. Fragt man genauer nach den Gründen des wütenden Protests, dann folgt entsprechend ein Motivwechsel von "Arbeit" zu "Einkommen". "Wer mehr als dreißig Jahre Beiträge eingezahlt hat", so faßt ein Ostsprecher der Grünen im Bundestag das Hauptmotiv des Aufruhrs gegen Hartz IV gegenüber der Chemnitzer "Freien Stimme" zusammen, "kann nicht mit zwölf Monaten Arbeitslosengeld abgespeist werden."
Man kann darüber hinweggehen, wie viele Leser der Chemnitzer Zeitung schon dreißig Jahre lang, also seit 1974, in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben. Beiseite lassen kann man auch, daß die Arbeitslosenversicherung gar keine Versicherung ist. Und es ist hier sogar zweitrangig, daß es auch Leute gibt, die tatsächlich dreißig Jahre lang in sie einbezahlt haben und sich jetzt nicht mehr mit ständig steigenden Beitragszahlungen "abspeisen" lassen wollen. Dies alles kann man um der Anerkennung des Abgeordneten als eines verständigen und nicht bloß plappernden Sprechers willen einmal ganz undebattiert lassen.
Es geht nicht um Arbeit
Aber warum eigentlich wird in vielen Äußerungen rund um den Furor gegen Hartz IV so getan, als gehe es um Arbeit, wo es doch den vielen Gerechtigkeitsforderern und auch den Demonstranten um zwei ganz andere Dinge geht: um die Umstände einer Existenz als Dauerarbeitsloser und um das Recht, gegenüber dem Rest der Republik Ansprüche geltend machen zu können. Es geht um die vermeinte Pflicht des Sozialstaats zur Subventionierung eines Anscheins von bürgerlichem Leben.
Ginge es wirklich um Empörung über Arbeitslosigkeit, hätten die Demonstrationen schon seit langem einsetzen können. Auch bringen höhere oder längere Zahlungen, als es die Hartz-Gesetze vorsehen, ersichtlich nicht mehr Arbeitsplätze, jedenfalls nicht für jene, die solche Zahlungen erhalten. Und wo war der kollektive Aufschrei über die Beschädigung der ostdeutschen Identität, die angeblich besonders stark an der Arbeit hängt, als die Regierung bei gleich hoher Arbeitslosigkeit noch nicht damit drohte, Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern zu deklarieren?
Irgendwie arbeiteten alle
"Wenn sich zwei Engländer im Zugabteil treffen, reden sie über ihre Hobbys", hat Chesterton notiert, "zwei Amerikaner aber werden über ihre Arbeit sprechen." Und zwei Ostdeutsche auf dem Weg zur Montagsdemonstration? Oder früher, auf dem in den VEB? Die DDR jedenfalls lieferte kaum die Vorgeschichte von Lebensentwürfen ab, die besonders an Arbeit gebunden waren. Gerade weil Arbeit sowohl garantiert wie sozial obligatorisch war - "Das Recht und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit" (Art. 24, 2 der Verfassung von 1974) -, weil es also diesseits der Selbstmarginalisierung als Krimineller oder Verrückter gar keine andere Lebensform gab, war noch gar nichts damit gesagt, wenn jemand als arbeitend bezeichnet wurde. Es arbeiteten ja alle, irgendwie.
Der Unterschied von Arbeit und Kapital war abgeschafft, und zwar nicht durch Aktienbesitz von Baggerführern, sondern als Unterschied. Der von Arbeitern und Bauern in der offiziellen Selbstauslegung auch. Arbeitslose gab es nicht. Frage an die dialektisch geschulten unter den Protestbewirtschaftern: Arbeit war also ein praktisch unterschiedsloser Begriff - wie hätte er sich zur "Identitätsbildung" eignen sollen? Was man nicht verlieren und nicht erwerben kann, definiert auch kein Selbst.
Freizeit als Nische
In der DDR kam man früh zum Dienst, um früh gehen zu können. Denn wie im Westen sah man in der Arbeit einen Unterschied durchaus: den zur Freizeit. Jedenfalls dann, wenn man das Warten auf Material, das die Arbeit oft war, nicht auch als eigentümliche Freizeit bezeichnen will. Die Freizeit war die Nische, in der man sich fand. Zum Beispiel auf den kleinen Gartengrundstücken, die jetzt verflüssigt werden sollen, bevor Sozialhilfe gewährt wird. Daran und an dem Eindruck, jetzt so behandelt zu werden wie einst in der DDR nur Aussteiger, dürfte viel mehr von der gegenwärtigen Erbitterung hängen als an verlorener Arbeit oder an der Vorstellung, um die nächste Ecke gebe es eigentlich eine Stelle, aber der neoliberale Schröder rücke einfach nicht mit ihr heraus.
Es ist gefragt worden, warum man denn von den Demonstranten mehr erwarten sollte als von jeder anderen Lobby in diesem Land, die eben auch alle Hebel in Bewegung setzt, wenn es ihr ans Einkommen geht. Das liefe in der Tat darauf hinaus, sich Argumenten nicht zu verschließen, und wäre also ziemlich viel verlangt. Aber sie als Kinder zu behandeln, die eben quengeln, auch wenn es wider den Verstand ist und nichts hilft, dürfte kaum besser sein.
Zu den Nebenfolgen des Wohlfahrtsstaats gehört die Erwartung, er möge die "Identität" von Bürgern, die an Arbeit und Konsum hänge, finanzieren. Eine widrige Umwelt gilt nicht länger als etwas, dem Impulse zum Sichdurchschlagen entnommen werden, sondern es heißt, ihre Widrigkeit möge höheren Orts hinweggenommen werden. Andernfalls ist man beleidigt und schließt von Beleidigt- auf Erniedrigtsein.
Man fühlt sich schlecht informiert
Entsprechend dieser Wendung ins Gefühl reicht auch das Bedürfnis, sich über die Widrigkeiten in Kenntnis zu setzen, nicht sehr weit. Gut zwei Drittel der Deutschen in Ost und West geben an, sich mehr oder weniger schlecht über Hartz IV informiert zu fühlen. Nicht nur die Antwort, schon die Frage ist bemerkenswert. Etwas geht jeden an, angeblich existentiell, aber man verlangt, daß einen andere informieren, oder beklagt sich stellvertretend für offenbar Unmündige über propagandistische Mängel.
Niemand außer dem Mißwirtschaftenden hat schlimme ökonomische Lagen verdient. Aber haben es die Bürger verdient, wenn sie in Arbeitslosigkeit oder Armut geraten, politisch wie minderjährige Patienten behandelt zu werden? Man muß sie wie Kinder schonen, man muß ihnen alles erklären, man darf sie notfalls - also: immer - belügen. Und die so Behandelten verhalten sich danach.
Regierung wie Opposition und auch der Bundespräsident bemühen sich darum, und nicht bloß aus Sorge darum, Zugang zum Volk zu finden, um eine Vieldeutigkeit, die vor allem eins vermeidet: Härte. Denn ebendies steht im Zentrum des ganzen Protestierens und Lavierens und Versprechens und In-Aussicht-Stellens von Gerechtigkeit, Arbeit, Ost-West-Integration und so fort: auf jeden Fall Härten zu vermeiden.
Hart und ungerecht
Das geht so weit, daß es in dieser Gesellschaft schon eine zu vermeidende Härte scheint, jemandem zu sagen, wie unwahrscheinlich es ist, daß er derzeit in Wittenberge oder Pirna zu den erwarteten Löhnen eine Arbeit finden wird. Oder ihm und ihr zu sagen, daß sie in Dresden und Jena allenfalls eine finden, wenn sie etwas machen, was ihrem Diplom nicht entspricht. Oder umziehen.
Total hart und also sozial ungerecht ist es natürlich auch, darauf hinzuweisen, daß das, was in Haiti herrscht, schlimme Armut ist, aber unter deutschen Sozialhilfeempfängern zum Glück keine. Oder die Leute im Westen daran zu erinnern, daß die Portugiesen auch keine unglücklicheren Menschen sind, nur weil ihnen 156 Staatstheater und bei Übergewicht Rechtsansprüche auf Kururlaub fehlen. Oder die Eliten daran, daß man bisher eine jede an ihrer Bereitschaft zur Askese erkannt hat, nicht an der Dreistigkeit, sich für unbezahlbar zu halten. Oder die Nichteliten daran, daß soziale Ungleichheit gerade für Leute, die sagen, sie suchten Arbeit, ihre Vorzüge hat, weil es nämlich nur dann auch Leute gibt, die sie eventuell beschäftigen können.
Hartz IV ist kein Gefühls- und Gerechtigkeitstest, Hartz IV ist eine zaghafte Aufforderung, Tatsachen zu gewärtigen, also am ehesten noch der Beginn eines sozialen Intelligenztests.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2004, Nr. 208 / Seite 33
Bildmaterial: dpa/dpaweb
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Die heutige FAZ berichtet auch von der Hartz IV Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern. Die Umsetzung muss von einem PDS Politiker durchgeführt werden, der absolut dagegen ist. Wohlgemerkt, der Ministerpräsident in diesem von SPD und PDS regierten Bundesland befürwortet Hartz IV: "solange drei von vier Saisonarbeitern in MV noch aus Polen kommen, geht es den ARbeitslosen viel zu gut" - O-Ton in einem Radio-Interview!!!
In einem heutigen Leserbrief in der FAZ wird Deutschland als "Hotel Mama" bezeichnet. Auch nicht schlecht!