SNB/Jordan: Moderate Konjunkturerholung - Untergrenze, tiefe Zinsen mit Risiken 27.04.2012 10:15
Zürich (awp) - Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erwartet im laufenden Jahr nur eine moderate Konjunkturerholung. Die jüngsten Daten wiesen zwar auf eine Fortsetzung der weltwirtschaftlichen Erholung hin, die Wachstumsraten dürften aber im Vergleich mit typischen Erholungsphasen eher gering ausfallen. "Dennoch sollte die Erholung allmählich etwas an Kraft gewinnen", sagte der neu gewählte SNB-Präsident Thomas Jordan laut Redetext am Freitag anlässlich der Generalversammlung der Nationalbank.
Dass dieses moderat positive Szenario für die globale Konjunktur eintreten werde, sei aber keineswegs sicher. Das grösste Risiko sei nach wie vor die europäische Staatsschuldenproblematik, so Jordan weiter. Diese Krise habe nach wie vor das Potenzial, die weltweite Entwicklung empfindlich zu beeinträchtigen.
BIP-WACHSTUM SCHWEIZ VON 1% IN 2012
Für die Schweiz dürfte auch 2012 ein schwieriges Jahr werden. Der Franken sei auch bei 1,20 pro Euro nach wie vor überbewertet und stelle die Wirtschaft damit vor grosse Herausforderungen. Es gebe aber auch Gründe für eine gewisse Zuversicht. Das tiefe Zinsniveau sei weiter konjunkturstimulierend und die Binnennachfrage werde von der starken Zuwanderung gestützt. Der hohe Franken habe auch nicht nur negative Auswirkungen. So seien beispielsweise Importgüter für Firmen und Haushalte billiger geworden.
"Insgesamt erwartet die Nationalbank für das Jahr 2012 ein moderates Wirtschaftswachstum von gegen 1%", so Jordan. Dies dürfte zu einem moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Laufe der nächsten Quartale führen. Inflationsrisiken gebe es keine für die Schweiz, zudem konnte das Risiko einer deflationären Entwicklung eingedämmt werden. "Die Inflationsraten bleiben nur vorübergehend negativ."
MINDESTKURS BIRGT AUCH RISIKEN
Jordan verteidigte weiterhin die Einführung des Mindestkurses, auch wenn diese "Extremmassnahme" kein Allheilmittel noch einfach und risikolos für jedes Niveau umsetzbar sei. Die Nationalbank sei jederzeit im Devisenmarkt präsent und stets bereit, unbeschränkt Euros zu 1,20 Franken zu kaufen, um den Mindestkurs sicherzustellen. "Wenn es zu Handelsabschlüssen unter 1,20 kam, dann erfolgten diese nur während wenigen Sekunden und waren das Ergebnis von Marktbesonderheiten", so der SNB-Chef.
Den Risiken des Mindestkurses - wie einer sehr grossen Ausweitung der Devisenreserven - sei sich die Nationalbank bewusst, und sie auch bereit diese zu tragen. Trotz des Mindestkurses seien die Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft nach wie vor gross. Eine Aufwertung des Frankens zum jetzigen Zeitpunkt würde die Schweiz erneut grossen Gefahren aussetzen und sowohl die Preisstabilität als auch die Stabilisierung der Wirtschaft wieder gefährden. "Vor diesem Hintergrund wird die Nationalbank den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen."
BEREIT, WEITERE MASSNAHMEN ZU ERGREIFEN
Sollte die internationale Konjunktur sich schlechter als vorhergesehen entwickeln oder der Franken sich nicht wie erwartet weiter abschwächen, könnten erneut Abwärtsrisiken für die Preisstabilität auftreten. "Falls die Wirtschaftsaussichten und Deflationsgefahren es erfordern, steht die Nationalbank bereit, jederzeit weitere Massnahmen zu ergreifen", versicherte Jordan.
Die Zinsen in der Schweiz dürften noch eine Weile tief bleiben, die expansive Geldpolitik sei mit Blick auf die Gesamtwirtschaft unabdingbar. Längerfristig berge eine solche Tiefzinsphase aber auch Risiken. So gebe es vermehrt Anzeichen einer Fehlentwicklung am Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt für Wohnliegenschaften. "Der Preisverlauf bei Wohnimmobilien ist zusehends weniger durch Fundamentalfaktoren erklärbar; und das Volumen an Hypothekarkrediten ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung so hoch wie noch nie", sagte Jordan.
Da bei einer weiteren Zunahme dieser Ungleichgewichte erhebliche Risiken für die Finanzstabilität entstehen könnten, habe sich die Nationalbank für eine Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers eingesetzt. Insgesamt seien die Herausforderungen für die Nationalbank nicht geringer geworden.
dm/uh
(Quelle: AWP)
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