Man muss beim Thema Free Cashflow in meinen Augen aber auch differenzieren.
Ein nachhaltig guter Indikator ist der Free Cashflow ja nur dann, wenn man ein relativ stabiles Business hat. Dort kann man dann sehen, welcher Teil der Earnings als echtes Cash ankommt (und nicht nur als Buchhaltungsgewinn) und welcher Teil davon dann wieder grundsätzlich ausschüttungsfähig ist (und nicht in Maintenance CAPEX gesteckt werden muss). Das ist dann ein sinnvoll bemessener Free Cashflow, welcher die nachhaltige Cashgenerierung eines Geschäfts misst.
Bei Firmen mit starkem technologischen Wandel ist das nur schwer zu berechnen. Wenn eine solche Firma altes Business auslaufen lässt und durch neues ersetzt, wofür alles Cash aufgefressen wird, dann ist nicht ganz einfach, wie die Cashgenerierung des Unternehmens zu bemessen ist. Das ganze kann ein schlechtes Zeichen sein, wenn die neuen Werke einfach nur der Ersatz für die obsoleten alten Werke sind. In so einem Fall kann ein Teufelskreis bestehen, wo alles Cash aus altem Geschäft immer wieder für neues Geschäft investiert werden muss, ohne dass echter freier Cashflow entsteht. Dann ist die scheinbare Erweiterungsinvestition in Wahrheit nur eine Instandhaltungsinvestition, weil das alte Geld immer voll reinvestiert werden muss.
Es kann aber eben auch so sein, dass das neue Geschäft in Wahrheit eine viel höhere Cashgenerierung abwerfen wird als das alte Geschäft es je tat, und insofern das Investment des heutigen Cashs keineswegs eine Instandhaltungsinvestition ist, sondern eben eine echte Erweiterungsinvestition. In diesem Fall ist das alte generierte Geld, was in neues Business investiert wird echter Free-Cashflow -- den das Unternehmen eben nur sinnvollerweise intern investiert statt auszuschütten, da man dadurch eine gute Kapitalrendite erzielt.
Ich denke die Investierten hier setzen auf das Szenario, dass Projekte wie Chonqing III oder Kulim eben zum letzteren Szenario gehören. Sprich, dass hier der Euro nicht nur "gezwungenermaßen" reinvestiert wird, um einigermaßen den Laden am laufen zu halten, sondern dass dadurch hervorrangende Earnings in der Zukunft erzielt werden können.
Ich kann zwar eine gewisse Skepsis verstehen, da AT&S nie viel ausgeschüttet hat. Man muss in meinen Augen aber auch anerkennen, was für eine hervorragende Entwicklung das Unternehmen genommen hat in jeder Hinsicht: Umsatzwachstum, Kundenbasis, technologische Kompetenz und Aussicht auf hohe Earnings. Ich denke, wer jedes Jahr um 20% wächst (und das die nächsten fünf Jahre weiter tun wird), der muss nicht alle 5 Minuten erklären, warum man kurzfristig mehr Geld investiert als ausschüttet. Natürlich hat solch ein Wachstum auch einen Preis.
Insofern wäre es in meinen Augen unfair, AT&S vorzuhalten, dass sie im Moment keinen FCF generieren. In meinen Augen ist ein erheblicher Teil der Earnings des Legacy-Geschäfts bereits heute FCF, wird aber sinnvoller Weise neu investiert statt ausgeschüttet.
|