Mikrowellen statt Satelliten
Ausländische Mautbetreiber hofieren Minister Stolpe mit Alternativangeboten zum störanfälligen System. Ulf Brychcy
Die Geschäftsanbahnung verlief nicht ganz reibungslos. Die Argumente des Maut-Managers Antonio Marano, 43, waren kaum zu verstehen.
Der Autostrade-Mann hatte zum Wochenbeginn in ein Weinlokal nach Berlin-Mitte geladen, das unter einer Eisenbahn-Trasse liegt. Der stete Lärm der hinwegdonnernden Züge machte es Marano nicht leichter, vor den versammelten Verkehrspolitikern dafür zu werben, dass sein Unternehmen eine Mautanlage für die deutschen Autobahnen aufbauen kann.
Ein Versprechen Und zwar eine, die im Gegensatz zum Pannensystem von Toll Collect funktioniere, wie der Manager versprach.
„Unsere Technologie ist effizient, getestet und sie läuft bereits erfolgreich in Österreich“, sagte Marano. Weil das so sei, könne Autostrade der rot-grünen Bundesregierung schon von Juli an hohe Mauteinnahmen garantieren.
In gut einem Jahr wäre die Anlage dann auf allen 12000 deutschen Autobahnkilometern installiert, einschließlich der kleinen Mautboxen, die von innen an die Lkw-Scheiben geklebt werden müssen. Die Mikrowellentechnik von Autostrade sei eben „einfach, schnell und kostengünstig zu installieren und zu betreiben“, schwärmte der Manager.
Kein Ausweg Doch das Angebot der italienischen Autostrade, dem weltweit zweitgrößten Autobahnbetreiber, eignet sich nicht als rascher Ausweg aus dem Maut-Desater.
Und eine ähnliche Offerte des Mautunternehmens Fela aus der Schweiz führt ebenfalls nicht sofort aus dem Dilemma heraus, das den Haushalt von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) zusammenbrechen lässt.
Allein in diesem Jahr werden für den Straßen- und Schienenausbau rund 2,2 Milliarden Euro fehlen, weil der Mautversager Toll Collect und die dahinter stehenden Konzerne Deutsche Telekom und DaimlerChrysler die technischen Probleme ihres überambitionierten, satellitengestützten Mauterfassungssystems nicht in den Griff bekommen.
Die komplizierten Ausschreibungsbedingungen, die europaweit für Großprojekte gelten, stehen einer schnellen Lösung im Weg. Zwar schlagen sowohl Autostrade als auch Fela und dessen französischer Partner Thales vor, sich an Toll Collect zu beteiligen.
Wunsch der Kommission Beide wollen dann für eine Übergangszeit von mehreren Jahren jeweils ihr eigenes Mautsystem installieren, das auf der einfachen, aber funktionierenden Mikrowellen-Technologie basiert. Spätestens im Jahr 2010 wollen Autostrade und Fela dann die zukunftsträchtige Satelliten-Maut, an der Toll Collect derzeit so erfolglos herumbastelt, aufschalten. So wünscht es auch die EU-Kommission.
Der von Autostrade und Fela angestrebte Einstieg bei Toll Collect ist aber verfahrensrechtlich nicht möglich, wie nicht nur der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich feststellte. Der Bund habe damals schließlich ausdrücklich eine satellitengestützte Technologie ausgelobt. Installiere Toll Collect nun zuerst eine Mikrowellen-Maut, dann drohten dem Bund Klagen bis hin zum Schadensersatz.
Hinzu kommt, dass sich die Deutsche Telekom und DaimlerChrysler vehement sträuben, die Italiener oder Schweizer oder gar beide aufzunehmen. „Die reagieren sehr kühl“, bestätigte Autostrade-Mann Marano. Es gebe keinerlei Verhandlungen.
Eine Möglichkeit Also bleibt Minister Stolpe, sollte er den Mautversagern Deutscher Telekom und DaimlerChrysler in den nächsten Tagen den Vertrag aufkündigen, nur eine Möglichkeit. Das Mauterfassungssystem muss neu ausgeschrieben werden, wobei auch Stufenlösungen, also zuerst die Mikrowelle und dann die Satellitenbox, möglich sind.
Dieses Verfahren ist allerdings zeitaufwändig und dürfte eineinhalb Jahren dauern. Für Aufbau und Inbetriebnahme gingen dann weitere eineinhalb Jahre ins Land. Vor 2007 wird es demnach nichts mit der streckenabhängigen Maut. In der Zwischenzeit können die Spediteure erneut Autobahnvignetten auf die Windschutzscheiben kleben.
Immer noch besser, als weiterhin der Chimäre von Toll Collect nachzujagen.
(SZ v. 13.2.2004)
Q: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/649/26623/
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