und wähnt sich nun am Ziel. Doch die Euro-Partner stellen klar: Geld gibt es erst, wenn die Pläne umgesetzt sind. Der belgische Finanzminister schließt einen Grexit nicht aus.
Nach diesem Chaostag konnte es eigentlich nur besser werden. Erst drohte der griechische Innenminister Nikos Voutsis Mitte der Woche im Gespräch mit dem SPIEGEL, die am 9. April fällige Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht pünktlich zu zahlen und damit de facto die Pleite Griechenlands zu besiegeln. Dann folgte eine Telefonkonferenz mit den Gläubigern, in der selbst der Vertreter der EU-Kommission - bislang die verständnisvollste Kontrollinstitution -, seinen griechischen Gegenpart ungewöhnlich hart kritisierte.
Die Hörer waren noch nicht lange aufgelegt, da kursierte ein Dokument, das in Brüssel und anderen Hauptstädten wieder etwas Hoffnung keimen ließ. Eine 26-seitige Reformliste, auf der Experten des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis darlegen, wie das Land seinen Haushalt sanieren und die sieche Wirtschaft reformieren will - 13 Ober- und mehr als hundert Unterpunkte. Bis zu sechs Milliarden Euro erhoffen sich die Beamten von dem Paket noch in diesem Jahr, vorausgesetzt, die griechische Wirtschaft wächst wie angenommen um 1,4 Prozent. Zwar ist nicht klar, warum der verstärkte Kampf gegen Steuerbetrug nicht wie früher schon an der inkompetenten Steuerverwaltung des Landes scheitern sollte. An anderer Stelle aber scheint Syriza tatsächlich mit Tabus brechen zu wollen: So soll die Regierung anders als bisher Zugriff auf Konten von Steuerschuldnern bekommen. Immerhin 225 Millionen Euro soll die "Verbesserung des Eintreibungsmechanismus" bringen.
"Noch ein weiter Weg"
Selbst manche Gläubigervertreter, die mit vorherigen Listen äußerst unzufrieden waren, äußern sich nun zuversichtlicher: "Das sieht schon besser aus", heißt es aus dem Finanzministerium eines Eurostaates. Zwar seien die Wachstumsannahmen unrealistisch, doch zumindest würden nun Reformwege aufgezeigt und Zeitpläne genannt. "Es gibt Fortschritte", bemerkt auch ein Vertreter der Kontrollinstitutionen, um dann jedoch gleich einzuschränken: "Es ist immer noch ein weiter Weg."
Die griechische Regierung sieht sich dagegen bereits am Ziel: Man habe "seine Pflicht erfüllt". Wenn die Maßnahmen einmal umgesetzt seien, könne das Land mit einem Primärüberschuss von 3,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts rechnen - weit mehr als mit den Geldgebern vereinbart. Die Institutionen, früher Troika genannt, müssten nun zufrieden sein, sagt ein Offizieller.
Noch bevor sie einen Cent durch die neu angekündigten Maßnahmen eingenommen hat, beginnt die Regierung von Alexis Tsipras wieder, das Geld zu verplanen: Der Premier kündigte am Donnerstag an, im staatlichen Gesundheitswesen 4500 neue Ärzte, Pfleger und andere Fachkräfte anzustellen. Dennoch rechnet man in der Regierung weiter damit, dass die Euro-Finanzminister schon nächste Woche weiteres Hilfsgeld freigeben könnten.
Eine Liste reicht nicht mehr
Das will Belgiens Finanzminister Johan Van Overtfeldt auf jeden Fall verhindern. "Es gab zu viele Versprechen in der Vergangenheit, auf die nichts folgte", sagt der liberale Minister SPIEGEL ONLINE. Dass Griechenland nur für das Vorlegen der Liste Geld erhält, schließt er deswegen aus. Als Finanzminister ist Van Overtfeldt Mitglied der Euro-Gruppe, die die Hilfsmilliarden einstimmig freigeben muss.
Es sei die klare Linie der Eurostaaten, Hilfe nur im Austausch für verabschiedete Gesetze zu gewähren. Ausgaben seien zwar gekürzt worden, doch Reformen des öffentlichen Sektors oder bei der Steuereintreibung würden seit Jahren angekündigt und dann verschleppt. "Tsipras ist nicht verantwortlich dafür. Aber er wird es gerade - mehr und mehr."
Die aktuelle Reformliste der griechischen Regierung will Overtfeldt nicht kommentieren, weil die Verhandlungen darüber noch andauerten. Allerdings hört man aus einem anderen Finanzministerium Beschwerden, die Maßnahmen seien nur bis zur nächsten Tranche der Geldgeber gedacht. Statt etwa die defizitäre Rentenversicherung des Landes zu sanieren, sollen sogar bestehende Spargesetze für Pensionäre aufgehoben werden.
Overtfeldt sieht Griechenland deswegen weiterhin am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Dass es die Rate des IWF-Kredits nicht zurückzahlen könnte, nennt der belgische Finanzminister "indiskutabel". Wenn die griechische Regierung derart gegen Vereinbarungen mit den Geberländern verstoße, sei sogar ein Grexit, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, nicht mehr ausgeschlossen: "Es ist eine Möglichkeit, die die Eurozone verkraften würde. Mit der Bankenunion, der stärkeren Spardisziplin vieler Staaten, ist der Währungsraum viel stärker als noch vor wenigen Jahren."
Auch beim IWF ist man inzwischen entnervt. Aus Ärger über die anhaltende Reformverweigerung Athens hat die Führung unter Christine Lagarde ihre Fachleute nach SPIEGEL-Informationen rund um die Feiertage aus der griechischen Hauptstadt zurückbeordert. Im Gegenzug erklärten die Griechen, das orthodoxe Osterfest, das eine Woche später stattfindet, ungestört von Verhandlungen feiern zu wollen. Nun können die drängenden Gespräche, wie das klamme Griechenland zu frischem Geld kommt, erst wieder Mitte April aufgenommen werden.
Zusammengefasst: Griechenlands Reformliste stößt in Europa auf vorsichtigen Optimismus. Die Regierung Tsipras feiert bereits ihre Rettung. Doch der belgische Finanzminister will kein Geld freigeben, bevor keine Gesetze beschlossen sind.
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