www.focus.de/politik/deutschland/atomausstieg/...otor_aid_631851.html Milliarden-InvestitionenWindenergie als Wirtschaftsmotor Samstag, 28.05.2011, 11:48 · von FOCUS-Online-Korrespondentin Martina Fietz (Berlin) An diesem Wochenende soll die Energiewende konkrete Formen annehmen. Warum es großes Potenzial für Wirtschaftswachstum, aber auch reichlich Konfliktstoff gibt, erläutert Staatssekretärin Katherina Reiche im FOCUS-Online-Interview. FOCUS Online: Frau Reiche, Sie sind CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Wo sehen Sie bei den erneuerbaren Energien das größte Potenzial?
Katherina Reiche: Das größte Potenzial liegt ohne Zweifel in der Windenergie – offshore wie onshore. Wir planen in Nord- und Ostsee vor der Küste bis 2030 einen Ausbau an Windkraftanlagen von rund 25 000 Megawatt. Auf dem Meer bläst der Wind stärker und verlässlicher, die Ausbeute ist entsprechend höher. Darüber hinaus bietet die Nutzung der Offshore-Windenergie große Entwicklungschancen für die gesamte Küstenregion.
FOCUS Online: Inwiefern?
Reiche: Die Häfen müssen aus- und umgebaut werden. Es werden neue Schiffe benötigt, um die Offshore-Anlagen zu bauen und zu warten. Dieser Spezialschiff-Bau ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung und bietet enorme Beschäftigungsmöglichkeiten für die Werften. Das alles birgt Chancen für den heimischen Markt wie auch für den Export. Die Offshore-Branche und die maritime Wirtschaft schätzen, dass allein durch die Offshore-Windenergie in Deutschland Investitionen von 100 Milliarden Euro ausgelöst werden können.
FOCUS Online: Das klingt sehr optimistisch. Doch wenn man die Planungs- und Bauzeiten großer Infrastrukturprojekte kennt, sind Ihre Prognosen sehr mutig.
Reiche: Natürlich sind die Planungsverfahren gewaltig. Mit unserer Offshore-Strategie schaffen wir die Vorraussetzungen für einen beschleunigten Ausbau: Erstens, die Genehmigungsverfahren werden beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie gebündelt. Zweitens, wir beschleunigen den notwendigen Netzausbau mit einem Bundesnetzplan. Drittens, wir werden die Finanzierungsbedingungen durch ein Fünf-Milliarden-Kreditprogramm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau verbessern. Dies hat gerade den Haushaltsausschuss des Bundestages passiert. Es ist ein Programm vor allem für kleinere und kommunale Investoren. Wir wollen, dass sie bei der Offshore-Windenergie dabei sind.
FOCUS Online: Was macht Sie so sicher, dass Sie mit Ihren Planungen nicht am Widerstand betroffener Bürger scheitern?
Reiche: Man darf sich nichts vormachen: Investitionen in die Energieversorgung sind nirgendwo in Deutschland, egal in welche Technologie, konfliktfrei. Es gilt deshalb stärker deutlich zu machen, wie überlebensnotwendig eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für jeden einzelnen und unsere Wirtschaft ist. Hierfür brauchen wir einen breiten Dialog. Mediationsverfahren wie beim Ausbau des Flughafens Frankfurt haben sich bewährt und sollten wir stärker nutzen. Klar ist aber, wer wie die Grünen bei Stuttgart21 erst nach dem Mediator ruft, dann aber das Ergebnis nicht akzeptiert, weil es nicht passt, handelt scheinheilig. Dies untergräbt die Konsensbildung in unserem Land.
FOCUS Online: Ursprünglich wollte die Bundeskanzlerin einen großen Energie-Konsens erzielen. Glauben Sie wirklich, dass SPD und vor allem Grüne da mitziehen werden?
Reiche: Die Grünen haben in der Vergangenheit immer vom Ausstieg aus der Kernenergie geredet, aber nie gesagt, wo sie eigentlich einsteigen wollen. Sie erklären stets, sie seien für erneuerbare Energien. Aber wenn es konkret wird, stellen sie sich an die Spitze des Protests. Die Grünen müssen endlich diese Verweigerungshaltung aufgeben. Man wird jetzt gut beobachten können, wie die Energiepolitik aussieht, die die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen planen. FOCUS Online: Sie sind an diesem Wochenende bei einer großen Offshore-Konferenz in Wilhelmshaven. Was versprechen Sie sich davon?
Reiche: Dort versammeln sich rund 1000 Teilnehmer – aus der Offshore-Branche, aber eben auch aus den Bereichen Schifffahrt und Schiffsbau sowie aus der Zulieferindustrie für hochkomplexe technische Komponenten. Ich hoffe, dass die Konferenz die positive Aufbruchstimmung, die sich an der Küste derzeit zeigt, aufgreift und neue Impulse setzt für Maßnahmen, die noch von der Politik ergriffen werden müssen. Es ist immer gut, wenn wir aus Berlin vor Ort erfahren können, welches die praktischen Herausforderungen an neue Projekte sind.
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