sagt der Nahostexperte Perthes. Perthes hält eine politisch-gesellschaftliche Spaltung des Libanon für wahrscheinlich. Große Teile der Bevölkerung des Libanon seien verärgert über die Aktion der Hisbollah, während deren Anhänger sich gestärkt fühlten. Israel rechnet sich aus, dass es insbesondere durch seine kriegerischen Aktionen gegen den Libanon in der libanesischen Bevölkerung einen Stimmungsumschwung derart herbeibringt, dass die Bevölkerung gewissermaßen gegen Hisbollah aufsteht, Hisbollah die Loyalität entzieht und sagt: "Wir haben keine Lust mehr, den Preis zu bezahlen für den Privatkrieg, den ihr - Hisbollah - gegen Israel führen wollt beziehungsweise den ihr zum Teil auf die Rechnung Syriens oder des Irans mit Israel führt. Das machen wir nicht mehr mit.", nicht wahr? Und da die Hisbollah eine Partei ist, die sich am politischen Leben des Libanon beteiligt, da sie an Wahlen teilnimmt, da sie eben ein populäres Mandat auch braucht durch Stimmen, rechnet man darauf, dass man hier die Bevölkerung gewissermaßen als Verbündeten der Israelis gewinnen kann und Hisbollah die Loyalität, die Unterstützung entziehen kann.
Perthes: Wahrscheinlich wird etwas anderes geschehen: Also weder eine reine Stärkung der Unterstützung für Hisbollah, noch ein Vertrauens- oder Loyalitätsentzug durch die Bevölkerung, sondern eine Spaltung des Libanon, eine politisch-gesellschaftliche. Große Teile der Bevölkerung des Libanon sind gerade auch in diesen Tagen sehr, sehr verärgert über die Aktion von Hisbollah und sagen: "War das nötig? Gibt es einen Anlass, einen libanesischen Anlass für so etwas? Überhaupt nicht. Und Hisbollah führt dazu, dass wir heute keinen Strom mehr haben, dass wir kein Wasser haben, dass wir keine Verkehrsverbindungen haben, dass wir nicht ausreisen können." Das sind insbesondere natürlich der christliche Bevölkerungsanteil, auch viele Sunniten in Beirut, viele bürgerliche Schiiten auch, während die Anhänger der Hisbollah sich sicherlich gestärkt fühlen oder zum Teil gestärkt fühlen und sagen: "Jetzt ist Hisbollah wieder in seiner alten Rolle gefragt, in seiner Rolle als Befreiungsorganisation, als Miliz, als kämpfende Organisation." die korrekteste Beschreibung der Hisbollah ist -, ist, dass es eine nationale Befreiungsorganisation ist, die entstanden ist, als Israel den Südlibanon 1982 besetzt hatte. Eine nationale Befreiungsorganisation im Wesentlichen schiitischer Natur - weil auch die Bevölkerung im Süden überwiegend schiitisch ist - und mit einer strengen islamischen Ideologie, die auch die Unterstützung des revolutionären Iran bekommen hat. Eine nationale Befreiungsorganisation, die relativ erfolgreich war durch ihren permanenten Kleinkrieg, Guerillakrieg, gegen Israel. Letztlich wesentlich dazu beigetragen hat, dass Israel sich im Jahre 2000 aus dem Libanon völlig zurückziehen musste. Die dann aber - also die Befreiungsorganisation - es nicht geschafft hat, sich vollständig in eine politische Partei zu wandeln, die sagt: "Der Krieg ist zu Ende und wir beteiligen uns jetzt am Aufbau des Libanon - und zwar ausschließlich am Aufbau des Libanon und als politische Partei." Insofern macht sie beides. Sie ist auf der einen Seite politische Partei, die mitregiert, die das erste Mal seit einem Jahr jetzt auch einen Minister in der libanesischen Regierung hat und einen weiteren, der ihr nahe steht. Sie regiert sehr viele Kommunen im Süden des Libanon, wo sie frei gewählt ist oder ihre Mitglieder frei gewählt sind. Und gleichzeitig hat sie eben diese Miliz aufrechterhalten. Ein Stück weit auch offensichtlich, um ihre Ideologie nicht zu verlieren, die eine sehr militante Ideologie ist, die sich davon nährt, dass es diesen Konflikt mit Israel gibt.Deutschlandfunk http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/520582/
|