Schröders Kritik an Mitnahme-Mentalität findet geteiltes Echo
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in einem Interview eine Mitnahme-Mentalität vieler Deutscher beklagt. CDU-Chefin Angela Merkel unterstützte Schröders Haltung, Kritik kam von den Sozialverbänden.
"In Ost wie in West gibt es eine Mentalität bis weit in die Mittelschicht hinein, dass man staatliche Leistungen mitnimmt, wo man sie kriegen kann, auch wenn es eigentlich ein ausreichendes Arbeitseinkommen in der Familie gibt," wird Schröder in der Zeitung "Guter Rat" in einem vorab veröffentlichten Interview zitiert.
Schröder kritisierte, in der Bevölkerung sei die Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen nur dann sehr groß, so lange sie abstrakt bleibe. "Aber sie schrumpft sehr schnell, wenn es konkret wird und der Einzelne Auswirkungen auf die eigene Lebenssituation befürchtet", sagte der Kanzler. Das sei zwar menschlich verständlich, könne aber nicht Maßstab für eine verantwortungsvolle Politik sein.
Unterstützung von Merkel
Merkel sagte dem Fernsehsender N24: "Es gibt sicherlich eine Tendenz, dass manche Menschen herausgefunden haben, dass man sich durch Sozialsysteme und ein bisschen Schwarzarbeit auch ganz schadlos halten kann." Es gebe aber auch Menschen, die sich trotz einer Notlage nicht bei den Ämtern meldeten.
Schröder schloss zudem kleinere Korrekturen an den Hartz-IV-Reformen nicht aus. Er räumte ein, dass in den umfangreichen Anträgen zum neuen Arbeitslosengeld II möglicherweise zu intime Fragen beantwortet werden müssten. Wo die Behörden im konkreten Fall über das Ziel hinausgeschossen seien, "muss man das im Detail korrigieren", sagte er. Der Nachweis der Bedürftigkeit für den Bezug der Sozialleistung bleibe aber unumgänglich.
Regierung überrascht über Aufregung
Wohlfahrtsverbände kritisierten den Kanzler für seine Äußerungen scharf. Dass Schröder ausgerechnet die Familien und Schichten anprangere, bei denen es auf jeden Euro ankomme, "zeigt, wie weit der Kanzler von den Realitäten dieser Menschen entfernt ist", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, dem Berliner "Tagesspiegel". Der Sprecher des Deutschen Caritasverbandes, Thomas Broch, sagte dem Blatt: "Schröder diffamiert die Personen, die ohnehin zu den Verlierern der Gesellschaft gehören."
---------------Genau darum gehts !! Er beleidigt die Bürger. Als er noch MP in Hannover war, hat er sich ja mal die Lehrer vorgenommen und diesen Faulheit vorgeworfen. Pöbeln scheint in seinem Naturell zu liegen.-------------
Regierungssprecher Béla Anda präzisierte am Freitag in Berlin Schröders Äußerungen. Der Vorwurf richte sich nicht nur an Mittelschichten, sondern auch an obere Einkommensbezieher, wenn dort solche Praktiken vorkämen, sagte er.
Überrascht zeigte man sich von Regierungsseite über die Aufregung, die die Äußerungen des Kanzlers auslösten. Zuletzt vor zwei Wochen hatte er sich in einem Interview der Zeitschrift "Superillu" wortgleich wie jetzt in der Verbraucherzeitschrift dazu geäußert, ohne dass dies auf breites öffentliches Echo gestoßen war. Auch in früheren Reden hatte Schröder diese Formulierungen bereits benutzt.
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